Der Frauenanteil in den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland (ohne den Finanzsektor) lag im vierten Quartal des Jahres 2021 bei knapp 15 %. Ein Jahr zuvor waren es 11,5 %. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Das Institut untersucht jährlich die Repräsentation von Frauen in Vorständen und Geschäftsführungen sowie in Aufsichts- und Verwaltungsräten der größten Unternehmen in Deutschland. Die Ergebnisse werden in Form des DIW Managerinnen-Barometers veröffentlicht. Die hier veröffentlichten Zahlen wurden vom 28. November bis 7. Dezember 2021 recherchiert und beruhen auf den Selbstdarstellungen der Unternehmen im Internet, den Geschäftsberichten des Jahres 2020, dem Bundesanzeiger sowie auf Anfragen des DIW Berlin bei den Unternehmen.

Bemerkenswerter Anstieg beim Frauenanteil in Vorständen
Die Gesamtzahl der Vorständinnen in den Top-200-Unternehmen ist um 38 auf 139 gestiegen. Eine solch starke Steigerung innerhalb eines Jahres wie in 2021 gab es bei diesem Indikator seit Beginn der Datensammlung im Managerinnen-Barometer im Jahr 2006 noch nie. Allerdings hat sich durch Vorstandsvergrößerungen die Zahl der Vorstandsmitglieder in dieser Unternehmensgruppe insgesamt ebenfalls erhöht. In den Top-100-Unternehmen, die seit 2016 durchweg etwas höhere Frauenanteile in den Vorständen hatten, ist dieser ebenfalls stark gestiegen und lag im Spätherbst 2021 bei über 16% (im Jahr zuvor waren es knapp 14%).

Eine im Vergleich zu den vergangenen Jahren sehr starke Steigerung gab es auch beim Anteil von Frauen unter den Vorstandsvorsitzenden: In der Gruppe der Top-200-Unternehmen hat sich dieser Anteil im Vorjahresvergleich verdoppelt und lag im vierten Quartal 2021 bei 8% (14 Frauen statt sieben im Jahr zuvor). In den Top-100-Unternehmen ging es mit fast 7% Frauen als Vorstandsvorsitzenden (statt zuvor gut 4%) ebenfalls deutlich aufwärts. Das entspricht sechs statt vier Frauen, die im vierten Quartal 2021 eines der 100 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland führten.

Besonders starker Anstieg bei den DAX-Unternehmen
Besonders stark war der Anstieg des Frauen-Anteils bei den DAX-Unternehmen. Bei den DAX-40-Unternehmen waren Frauen in den Vorständen mit 17,5% vertreten. Betrachtet man nur die Unternehmen, die bis zur Umstellung im deutschen Leitindex vertreten waren (DAX-30), lag die Quote mit knapp 19% sogar noch höher und entspricht einer Steigerung um gut vier Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.

Frauenanteil in Aufsichtsräten steigt kaum
In den Aufsichtsräten sind die Frauenanteile nach wie vor deutlich höher als in den Vorständen, entwickelten sich aber im vergangenen Jahr weniger dynamisch. In der Gruppe der Top-200-Unternehmen wurde gleichwohl erstmals die 30-Prozent-Marke geknackt. So stieg der Frauenanteil in den dortigen Aufsichtsräten um einen halben Prozentpunkt auf gut 30%. Stagnation herrschte hingegen in den Kontrollgremien der Top-100-Unternehmen: Wie im Jahr zuvor lag der Frauenanteil im Spätherbst 2021 dort bei knapp 31%.

Gestiegen ist hingegen die Zahl der Frauen als Aufsichtsratsvorsitzende – wenn auch weiterhin auf niedrigem Niveau: bei den Top-200-Unternehmen von acht im Jahr 2020 auf zehn im Jahr 2021, was etwas mehr als 6% aller Aufsichtsratsvorsitze entspricht. Bei den Top-100-Unternehmen waren fünf Frauen und damit im Vorjahresvergleich eine mehr Aufsichtsratsvorsitzende – der entsprechende Anteil lag im vierten Quartal 2021 bei knapp 6%.

Finanzbranche hinkt etwas hinterher
Das DIW betrachtet auch speziell den Frauenanteil bei Banken und Versicherungen. Auch hier gab es starke Anstiege beim Frauenanteil in Vorständen, aber kaum Zuwächse in Aufsichtsräten. Dabei ist in der Finanzbranche der Frauenanteil in den Vorständen leicht niedriger als in den Top-200-Unternehmen der übrigen Sektoren der Privatwirtschaft (dort beträgt er knapp 15 %). Im Spätherbst 2021 betrug er in der Finanzbranche gut 13%. Dies entspricht einem Zuwachs von fast drei Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.

Auch bei den 60 größten Versicherungen stieg der Frauenanteil auf über 13%, ausgehend von knapp 12% im Herbst 2020.

Unter den Vorstandsvorsitzenden gab es in den 100 größten Banken in Q4 2021 mit acht Frauen jedoch zwei weniger als im Jahr zuvor, der entsprechende Frauenanteil sank von etwas mehr als 10 auf gut 8%. Bei den Versicherungen gab es hingegen einen starken Anstieg: fünf Frauen als Vorstandsvorsitzende (gut 8%) waren mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor (zwei Frauen beziehungsweise gut 3%).

Finanzsektor mit 25% Frauenquote in den Aufsichtsräten
In den Aufsichtsräten des Finanzsektors sind die Frauenanteile im vergangenen Jahr moderat gestiegen. In den 100 größten Banken nahm er um etwa einen Prozentpunkt auf knapp 25% zu, in den 60 größten Versicherungen um ebenfalls einen Prozentpunkt auf gut 25%. Einen Anstieg gab es bei den Versicherungen auch beim Frauenanteil unter den Aufsichtsratsvorsitzenden, von knapp 7% auf 10% (sechs Frauen statt vier). Bei den 100 größten Banken gab es weiterhin sieben Frauen unter den Aufsichtsratsvorsitzenden, was einem Anteil von gut 7% entspricht.

Quelle: DIW Berlin

Frauenanteil in Vorständen steigt in allen Bankengruppen, in Aufsichtsräten nur bei öffentlich-rechtlichen Banken
Vergleicht man die einzelnen Bankengruppen untereinander, so zeigt sich, dass die Privatbanken mit über 17% den weitaus höchsten Frauenanteil in den Vorständen haben, gefolgt von den Genossenschaftsbanken mit 12% und den öffentlich-rechtlichen Banken mit rund 11%. In allen drei Bankengruppen stieg der Anteil der Vorständinnen gegenüber dem vorherigen Jahr deutlich – im Gegensatz zur Zahl der Frauen als Vorstandsvorsitzende: sowohl bei den öffentlich-rechtlichen als auch bei den Genossenschaftsbanken ist sie mit vier Frauen beziehungsweise einer Frau gleich geblieben. Bei den Privatbanken hatten im Spätherbst 2021 mit drei Frauen sogar zwei weniger einen Vorstandsvorsitz inne als ein Jahr zuvor.

Gesetzliche Quote hilft, den Frauenanteil zu erhöhen
Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass gesetzliche Quoten mehr helfen als nicht verbindliche Empfehlungen oder freiwillige Selbstverpflichtungen. In Deutschland wurde im Jahr 2015 im Rahmen des ersten Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG I) eine verbindliche Geschlechterquote von 30% für den Aufsichtsrat beschlossen, und zwar für Unternehmen, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind.

Im Herbst 2021 traf dies auf 103 Unternehmen zu. Vergleicht man in der Gruppe der Top-200-Unternehmen die Unternehmen, für die die Quote im Aufsichtsrat gilt, mit den Unternehmen, für die sie nicht gilt, zeigt sich ein deutlich stärkerer Anstieg des Frauenanteils in den Quotenunternehmen, vor allem im Zeitraum von 2014 bis 2019. In diesen Jahren ist in den Unternehmen, die der Quote für den Aufsichtsrat unterliegen, der Frauenanteil um fast 15 Prozentpunkte gestiegen (von rund 20% auf mehr als 34%), während er in den Unternehmen, für die die Quote im Aufsichtsrat nicht gilt, nur um gut sieben Prozentpunkte gestiegen ist, von knapp 16% auf gut 23%. In den letzten beiden Jahren hat diese Gruppe zwar etwas aufgeholt, aber nach wie vor hinkt der Frauenanteil mit zuletzt etwas mehr als 27% deutlich hinter dem der Quotenunternehmen (35%) her.

Für die Vorstände gab es im 2015 beschlossenen FüPoG I zunächst keine gesetzlichen Vorgaben in Deutschland. Diese wurden erst im Rahmen des zweiten Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG II) beschlossen, das im August 2021 in Kraft getreten ist und für Vorstandsbestellungen ab dem August 2022 gilt.

Dieses Gesetz besagt unter anderem, dass Unternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind und einen mindestens vierköpfigen Vorstand haben, das nächste frei werdende Vorstandsmandat mit einer Frau besetzen müssen, sofern dem Vorstand noch keine Frau angehört. Im Unterschied zur Geschlechterquote für Aufsichtsräte, die im FüPoG I mit 30% festgesetzt ist, sieht das FüPoG II für die Vorstände nur eine Mindestbeteiligung und keine feste Quote vor. Diese Ausgestaltung ist nachvollziehbar, da Vorstände wesentlich kleinere Gremien sind als Aufsichtsräte.

Die Fondsfrauen werden Anfang März wieder speziell den Frauenanteil in den Führungsgremien der Kapitalverwaltungsgesellschaften untersuchen und die Ergebnisse hier veröffentlichen.

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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