Karen Delvai ist als „Hauptabteilungsleiterin Asset Management, Pension Funds“ zuständig für die Kapitalanlage der globalen Pensionsvermögen der Mitarbeiter der BMW AG. Daneben legt sie die strategische Liquiditätsreserve an und zeichnet so verantwortlich für insgesamt 25 Mrd. Euro. Sie leitet ein Team von weltweit 22 Mitarbeitern. Dies legt die Kapitalanlagestrategie fest, wählt die jeweiligen Asset Manager aus, kümmert sich um Risikomanagement und Reporting der Kapitalanlagen und informiert regelmäßig Bereichsleitung und Vorstand. Karen ist Mitglied des Vorstands des BMW Pension Trust e.V. (München), Geschäftsführerin der BMW UK Pension Services Ltd. (Hams Hall), Mitglied des Board of Directors der BMW (UK) Holdings Ltd. (Farnborough) sowie Mitglied des Aufsichtsrats der BMW Austria Bank GmbH (Salzburg). Vor Ihrer Tätigkeit bei BMW hatte sie verschiedene Stationen bei Morgan Stanley, Lehman Brothers und Nomura inne.

Frau Delvai, Sie managen keinen Investmentfonds, sondern kümmern sich um die Kapitalanlage der Altersvorsorgegelder für die Mitarbeiter der BMW-Group. Welche generellen Unterschiede gibt es da?
Es gibt große Unterschiede. Wir fokussieren uns auf das gesamte Anlageuniversum, da unsere vorrangige Aufgabe die Entwicklung der Strategischen Allokation für die betrieblichen Pensionsvermögen ist. Dazu gehören die Entwicklung und Implementierung der Anlagestrategie, das Risikomanagement sowie das Reporting. Wir haben das eigentliche Asset Management an zahlreiche spezialisierte Asset Manager outgesourced. Wir legen selbst quasi die Leitplanken fest. Wir haben auch keine „Asset Benchmark“ oder „Absolute Return Benchmark“ im üblichen Sinne, sondern orientieren uns am Auszahlungsprofil der Verpflichtungen. Letztendlich geht es darum, die Risiken aus den Pensionsverpflichtungen für das Unternehmen zu reduzieren und zur Fälligkeit der Pensionsansprüche zahlungsfähig zu sein.

Was sehen Sie als Ihre schönste Aufgabe in Ihrem Job an, und was ist die zeitaufwändigste für Sie?
Die schönste Aufgabe ist sicherlich die ständige Interaktion mit den Kapitalmärkten und Kapitalmarktteilnehmern. Dazu gehört die Entwicklung komplexer und sehr langfristig orientierter Anlagestrategien unter Einsatz vieler Anlageklassen. Dazu kommt die internationale Komponente. Die BMW Group unterhält weltweit Pensionspläne, auch in UK, den USA und China. Seit Beginn meiner beruflichen Karriere haben mich die Kapitalmärkte fasziniert.

Sie sind schon lange im Finanzgeschäft tätig. Können Sie eine Entwicklung, was die Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen betrifft, beobachten?
Es war für Frauen nie einfach, sich im Finanzgeschäft oder im Banking zu etablieren – so ist es bis heute geblieben. Bei den Asset Managern treffe ich immer noch selten Frauen. Gerade vor diesem Hintergrund bin ich froh, daß die BMW Group das Thema Diversity in der Strategie verankert hat.

Welche persönlichen Eigenschaften sind wichtig, um als Frau in einem Konzern Karriere machen zu können? Gibt es einen Unterschied, ob man in einem Consulting-Unternehmen, einer Bank oder einem Industrie-Konzern arbeitet?
Es gibt zwar große kulturelle Unterschiede, aber im Endeffekt muss man sich überall mit hohem Einsatz und Kompetenz durchsetzen. In einem Industriekonzern ist zu berücksichtigen, dass das Asset Management nicht zum Kerngeschäft zählt.

Sie waren in relativ jungen Jahren – mit 32 – Consultant für Rauser Towers Perrin, dem heutigen Pensions-Beratungsunternehmen Willis Towers Watson. Wie haben die Leute auf der Kundenseite reagiert, als Sie sich zum ersten Mal dort vorstellten, um Asset-Liability-Studien durchzuführen und zu helfen, die Portfolio-Struktur zu optimieren?
Es gab sehr unterschiedliche Reaktionen. Im Endeffekt zählten aber dann doch das Know-How und der Kundenservice. Es gab aber schon Situationen, in denen ich den Eindruck hatte, dass meine Kompetenz genauer „unter die Lupe“ genommen wurde, als dies vielleicht bei einem männlichen Kollegen der Fall gewesen wäre.

Sie selbst haben ein wirtschaftswissenschaftliches Hochschulstudium absolviert und Weiterbildungen zum Certified EFFAS Financial Analyst (CEFA) und zum Chartered Financial Analyst CFA gemacht. Wenn man als Frau Karriere machen will, kommt es dann eher darauf an, dass man tough ist, oder dass man eine hervorragende Ausbildung hat? Oder auf beides?
Kompetenz ist immer wichtig. Insbesondere hatte ich damals das Gefühl, dass meine universitäre Ausbildung mich nicht ausreichend auf die Themenstellungen, mit denen ich konfrontiert war, vorbereitet hatte. Deshalb die Zusatzqualifikationen, die für mich sehr hilfreich waren. Ansonsten ist es aus meiner Sicht wichtig, authentisch zu sein und beruflich das zu tun, was einem Spaß macht.

War Ihre Karriereplanung von Anfang an zielgerichtet oder – zumindest teilweise – eher zufallsbedingt?
Meine Karriere war dahingehend zielgerichtet, dass mich Kapitalmärkte immer interessiert haben. Dass ich nun für das Management eines Vermögens von über 25 Mrd. Euro verantwortlich bin, war aber nicht direkt planbar. Ich kam über die Corporate-Finance-Beratung und den Wunsch, mich stärker mit Portfolio-Management zu beschäftigen, ins Investment Consulting. Dass die Betriebliche Altersvorsorge als weiteres Element dazu kam, war zunächst eher zufällig. Ich bin dann als Quereinsteiger ins Investment Banking eingestiegen. Das Zusammenspiel dieser Erfahrungen war schließlich entscheidend.

Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, sich um die Verwaltung und das Risikomanagement von Pensionsgeldern zu kümmern? War das schon Ihr Wunsch als Schülerin?
Das Interesse an Pensionsvermögen und Asset Liability-Management kam durch meine Tätigkeit bei Towers Perrin. Bei Morgan Stanley, Lehman und Nomura konnte ich mich dann intensiv mit den entsprechenden Anlageprodukten beschäftigen.

Als Hauptabteilungsleiterin Pension Funds gehören Sie jetzt zur oberen Führungsebene der BMW AG in München. Aus Ihrer Beobachtung heraus: Führen Frauen anders als Männer?
So etwas lässt sich nicht pauschal bewerten. Meine Erfahrung ist: Es gibt gute und weniger gute Führungskräfte – ganz unabhängig vom Geschlecht.

Was raten Sie jungen Frauen heute, wenn ihr Ziel eine Karriere in der Finanzbranche ist?
Wenn sie von Kapitalmärkten fasziniert sind, sollten sie durchaus diesen beruflichen Weg einschlagen. Wir brauchen mehr Frauen in der Finanzindustrie. Wichtig ist die Bereitschaft, sich auch außerhalb des Jobs mit wirtschaftlichen Themen zu beschäftigen und weiterzubilden. Man muss außerdem Freude daran haben, Anlageentscheidungen zu treffen und Verantwortung zu tragen. Es geht in aller Regel um sehr viel Geld.

Vielen Dank für das Interview!

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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