Vermutlich träumen die meisten Menschen davon, mal eine richtig lange Auszeit zu nehmen und dabei etwas zu tun, was sie schon immer tun wollten. Die Wahl-Hamburgerin Miriam Wolschon hat es gewagt! Heute ist sie Senior-Beraterin bei der Presseagentur public imaging in Hamburg. Bei ihrer Auszeit war sie bei einer Hamburger PR-Agentur im Bereich Wirtschaft und Finanzen beschäftigt. Wir sprechen mit ihr darüber, wie sich ein Sabbatical anfühlt, was es bringt, und wie man am besten argumentiert, damit der Arbeitgeber mitspielt.

Miriam, es klingt super-verlockend, mal so richtig aus dem Vollen schöpfen zu können, was Freizeit betrifft. Wie war das mit Deiner Idee, ein Sabbatical einzulegen?
Was mich gelockt hat, war die große Freiheit. Ich bin ein Ost-Kind mit sehr geradlinigem Lebenslauf: Abi, Studium, Trainee in einer PR-Abteilung. Nach meinem Studium habe ich 10 Jahre lang gearbeitet. Dann hatte ich das Gefühl: Ich muss mal was anderes sehen! Ich wusste nicht sofort, wie ich das anstellen sollte, also habe ich einen Volkshochschul-Kurs „Ziele finden“ besucht. Bei der Vorstellungs-Runde erzählte einer der Kurs-Teilnehmer etwas von einer Weltreise. Als ich dieses Stichwort hörte, manifestierte sich diese Idee buchstäblich vor meinem inneren Auge.

Wie ging es dann weiter? Wie hast Du Deinen Traum weiter verfolgt und geplant?
Ich habe nicht sehr lange geplant. 18 Monate Vorlauf hatte ich, und habe als erstes lediglich Gabelflüge über Startravel gesucht und auch gefunden. Ansonsten habe ich nicht übermäßig viel Zeit in die Planung meiner Reise gesteckt. Ich habe dann zum 1. Juli 2018 den Griffel fallen lassen, und am 1. August bin ich in den Flieger nach Singapur gestiegen. Vier Monate bin ich dann gereist.

Wie hat Dein Umfeld reagiert?
Sehr positiv! Als ich die Idee geäußert habe, hat meine Mutter nur gesagt „Mach das mal!“ Etwas nervös wurde sie dann aber doch, als der Termin näher rückte. Wir haben dann WhatsApp für uns entdeckt, so dass wir gut in Verbindung bleiben konnten.

Wie war das, als Du Deinen Arbeitgeber gefragt hast? Was waren Deine besten Argumente, und wie hat er reagiert?
Da hatte ich großes Glück, denn ich war nicht die erste, die im Unternehmen nach einer Auszeit gefragt hat. Eine Kollegin hatte das vor mir auch schon gemacht, was den Vorteil hatte, dass ich nicht groß argumentieren musste. Ich muss allerdings sagen, dass mein Wunsch so dringend war, dass ich es ohnehin gemacht hätte. Notfalls hätte ich gekündigt. Aber das war nicht nötig. Ich brauchte gar keine großen Hürden zu überwinden, sondern bekam von meinem Arbeitgeber eine positive Resonanz.

Wie habt Ihr es geregelt?
Es ging ja „nur“ um eine Auszeit von 5 Monaten. Wir haben uns darauf geeinigt, dass mein Arbeitgeber das Weihnachtsgeld und die anstehende Gehaltserhöhung einbehalten und mir im Laufe der 5 Monate auszahlen würde. Wir haben das kurz schriftlich fixiert, damit alles sauber festgehalten war, auch wenn sich womöglich im Management etwas ändern würde während meiner Abwesenheit.

Bei Sabbaticals kommt oft die Frage auf, wie man sich in der Zeit krankenversichert. Wie hast Du das gemacht?
Das war bei mir kein großartiges Problem, denn ich war ja weiterhin angestellt. Ich habe allerdings eine Auslandsreisekrankenversicherung bei der HanseMerkur abgeschlossen – die lässt sich taggenau abschließen. Ich habe während der Zeit auch eine Sprachschule in Kanada besucht, und dort galt eine solche Versicherung als Voraussetzung.

Was hast Du dann gemacht während Deines Sabbaticals?
Ich habe überall etwa 2 Wochen zugebracht: Singapur, Sydney, Hawaii, San Francisco, Vancouver. Anschließend bin ich mit dem Zug quer durch Kanada gereist, bis Toronto, Kanada. Dort war ich dann für 2 Wochen in einer Sprachschule. Dann ging es weiter nach Montreal. Dort haben mich meine Eltern besucht. Anschließend bin ich weiter mit einem Kreuzfahrtschiff über Halifax nach New York gereist. Im Big Apple bin ich 2 Wochen geblieben, und ein Freund hat mich dort besucht. Von New York aus bin ich dann nach Paris geflogen, und von dort aus ging es nach Hause.

Hattest Du, als es los gehen sollte, ein mulmiges Gefühl?
Nein, ganz und gar nicht! Ich war hochzufrieden mit mir, und hatte auch keine Berührungsängste. Ich reise unheimlich gern und kann auch gut mit mir allein sein.

Gab es unterwegs eine Situation, in der Du Angst hattest?
Nein. Ich hatte sehr viel Spaß beim Reisen. Es gab nie eine Situation, in der es brenzlig war oder ich Angst hatte, auch nicht unterwegs. Ich kann nur sagen: Die Welt ist ein freundlicher Ort.

Wieviel Gepäck hattest Du für die 5 Monate?
ich hatte 2 Gepäckstücke: Eine Umhängetasche mit 7-Kilo-Handgepack, und eine 13-Kilo-Rolltasche. Mehr wäre lästig gewesen.

Verrätst Du uns ein wenig über die Finanzierung Deines Sabbaticals? Wieviel Geld hast Du gebraucht? Wie sah Dein Finanzplan aus?
Meine Wohnung hatte ich für die Zeit untervermietet, all inklusive. Außerdem habe ich versucht, meine sonstigen Fix-Ausgaben so weit wie möglich runterzudimmen. Vorher hatte ich mir Geld auf die hohe Kante gelegt, um mir eine finanzielle Reserve aufzubauen. Aber ich war während der Zeit meines Sabbaticals ja weiterhin angestellt, so dass ich einen steten Finanzfluss hatte. Insgesamt habe ich während meiner Reise wohl 15.000 Euro ausgegeben, wobei ich sagen muss: Ich war nicht sparsam und habe in der Zeit auch nicht gearbeitet. Schließlich wollte ich mich nicht kasteien. Ich habe immer komfortable Unterkünfte ausgewählt, meistens über Airbnb oder in günstigen Hotels. Ich hatte auch vernünftige Flüge gebucht und auch sonst gut gelebt.

Was waren Deine Erwartungen an Dein Sabbatical? Gab es einen speziellen Nutzen oder eine Erfahrung, die Du Dir erhofft hast?
Das Wort „Nutzen“ hört sich in dem Zusammenhang zu monetaristisch an. Ich hatte einfach nur das Bedürfnis, etwas Gutes für mich zu tun. Natürlich habe ich auch Lebenserfahrung gesammelt. Schon allein die Erfahrung, monatelang mit mir allein zu sein und fremdsprachlich unterwegs zu sein. Außerdem musste ich mich während der Reise natürlich organisieren. Ich habe die Reise in Angriff genommen, weil mir da etwas fehlte. Meine Altersgenossen aus den alten Bundesländern waren vorher schon viel öfter im Ausland als ich.

Was waren am Ende tatsächlich die Takeaways für Dich? Vielleicht sogar ganz ungeplante?
Das größte Takeaway für mich war, dass ich es gewagt habe. Man versagt sich so vieles. Bei uns gilt eben doch sehr die protestantische Ethik: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Das ist ja Lebenszeit. Vielleicht kann ich eine solche Reise gar nicht mehr machen, wenn ich alt und klapprig bin… Wichtig ist: Bei einer solchen Reise nimmt man sich immer selber mit. Es ist ein großes Gefühl von Freiheit, sich jeden Tag überlegen zu können: Gehe ich heute in die Gemäldegalerie oder in den botanischen Garten?

Wie war dann Dein Wiedereinstieg, als Du wieder zurück kamst?
Das war unproblematisch. Hier muss ich meinen Kollegen, die mich vertreten haben und im Job die Fahne hochhielten, ein großes Kompliment machen! Oft glaubt man ja, man sei im Job unersetzlich. In Wirklichkeit ist das nicht der Fall. Bei meinem Wiedereinstieg haben sich manche Kunden sehr gefreut, dass ich wieder zurück bin, und es ging nahtlos weiter. Andere sind gut mit meiner Vertretung ausgekommen und sind gern dort geblieben. Beides war in Ordnung.

Mal unter uns: Ich kann mir vorstellen, dass viele gern ein Sabbatical einlegen würden aber befürchten, dass dies schädlich für die Karriere ist. Ist ein Sabbatical karriere-schädlich?
Ich glaube nicht. Bei dem Arbeitgeber wo ich war, hatte ich schon die höchste Karrierestufe erreicht. Da wäre nicht mehr viel Luft gewesen, um weiter aufzusteigen. Als ich mich später bei anderen Unternehmen beworben habe, war mein Sabbatical im Lebenslauf ein guter Gesprächsaufhänger. Daher glaube ich nicht, dass es schädlich für die Karriere war.

Manche Menschen kritisieren Sabbaticals als egoistisch. Man mache sich einen Bunten, während man in der Zeit von allen sozialen Netzen profitiere, die andere in der Zeit finanzieren müssten. Wie siehst Du das?
Dem Argument kann ich nicht folgen. Das Geld, das ich während des Sabbaticals ausgegeben habe, habe ich ja vorher erarbeitet und dabei auch in die sozialen Netze eingezahlt. Wer eine solche Auszeit kritisiert, sagt weniger etwas über Sabbaticals, als viel mehr über seine eigene Geisteshaltung aus. Am Ende muss es ja auch jeder für sich sehen: Bin ich das fleißige Bienchen, das sich nach 10 Jahren Arbeiten mal eine Pause gönnt, oder gönne ich mir das nicht? Eigentlich geht es beim Thema Sabbatical auch gar nicht ums Geld, sondern um das Gefühl, Zeit zu haben. Ich sehe das so: Als Angestellte verkauft man seine Lebenszeit. Aber deswegen gehört ja meine Lebenszeit noch lange nicht meinem Arbeitgeber. Wenn ich mal mit meiner Lebenszeit etwas anderes tun möchte, ist das meine Entscheidung! Es ist schließlich mein Leben! Natürlich hätte ich weiter knüppeln können, um womöglich in einen Burnout zu rauschen. Ist das sozialverträglicher? Wir kennen das doch alle: Es gibt Zeiten, in denen es hoch hergeht, wo es viel zu tun gibt. Beispielsweise wenn Kollegen auf Grund von Krankheit oder Elternschutz ausfallen. Das Arbeitsleben ist eine zyklische Geschichte, und es wird immer gern gesehen, wenn man bei Bedarf auch mal 120% leistet. Aber die Tür sollte schon in beide Richtungen schwingen. Meine Freundin hatte beispielsweise einen Hörschaden und brauchte ein sehr teures Cochlea-Hörgeräte. Das finanziere ich ja auch mit. Während der 10 Jahre, die ich vor meiner Auszeit gearbeitet habe, war ich selten krank; nur einmal im Krankenhaus, als ich 2013 eine Knochenmarkspende gegeben habe.

Warst Du während Deiner Auszeit krank oder hattest eine Verletzung?
Nein. Vielleicht mal einen Schnupfen, aber sonst nichts. Eine gut sortierte Reise-Apotheke hatte ich aber dabei, die habe ich zum Glück gar nicht gebraucht.

Gibt es ein paar Do’s und Dont’s für Sabbaticals, die Du unseren Leserinnen mit auf den Weg geben möchtest?
Ich möchte Euch „Das große Los“ von Maike Winnemuth ans Herz legen. Sie schreibt darin 10 Dinge, die sie künftigen Weltreisenden empfiehlt, und dem kann ich mich uneingeschränkt anschließen. Ich habe mir für die Reise ein Tablet besorgt und habe verschiedene Apps benutzt, um meine Reisepläne zu synchronisieren, denn oft ändern sich Flugzeiten oder so etwas. Das Gute ist: Es gibt für alles eine App! Außerdem möchte ich allen zurufen: Die Welt ist ein freundlicher Ort! Ich habe viel Zuspruch von völlig fremden Menschen erhalten, und das tut gut! Und noch etwas: Auf so einer Reise ist Redundanz manchmal wichtig. Beispielsweise ist mir unterwegs mein Handy ins Wasser gefallen und war nicht reparierbar. Ich habe mir dann in Kanada ein neues Handy gekauft, aber ich hatte immer noch mein Tablet mit meinen Daten und Reiseplänen. Die Baltischen Staaten haben gute SIM Karten, die überall auf dem Globus funktionieren. Meine Daten, wie Fotos oder Adressen, waren alle in der Cloud. Das kann ich nur jedem empfehlen!

Vielen Dank, für dieses inspirierende Interview, Miriam!

Foto: Privat

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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