Kingyi Fuchs wurde im Alter von 31 Jahren in den Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG gewählt. Sie hat eine 16 Monate alte Tochter und ist weiterhin Vorstands-Mitglied. Fondsfrau Anke Dembowski spricht mit ihr darüber, wie sie über Karriere denkt und wie sie es schafft, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen.

Frau Fuchs, Sie sind seit März 2018 im Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG tätig. Für welche Bereiche sind Sie dort verantwortlich?
Dr. Klein ist ein Finanzdienstleister mit deutschlandweit zurzeit rund 650 größtenteils selbstständigen Beraterinnen. Wir unterstützen Verbraucherinnen, die passende Finanzierung und Absicherung zu finden. Ich verantworte dabei den digitalen Kundenzugang und das Marketing.

Sie sind zum einen jung, und zum anderen eine Frau. Haben Sie Widerstände gespürt, als Sie im Alter von nur 31 Jahren als Vorstands-Mitglied im Gespräch waren? Was haben Sie auf diese Widerstände entgegnet?
Ich habe zumindest keine direkten Widerstände mitbekommen. Aber ich kann mir vorstellen, dass Leute Zweifel hatten, ob ich genügend Erfahrung mitbringe. Unterschwellig habe ich auch Vorbehalte aufgrund meines Alters gespürt. Aber ich reagiere darauf nicht sehr emotional. Vielmehr überlege ich: Ist es mir wert, dieses Thema mit Energie zu versehen? Soll ich das Gespräch aufnehmen? Wenn es Menschen sind, die ich schätze, dann hake ich nach. Ich frage dann zum Beispiel nach den Erwartungen, die mein Gegenüber hat, oder nach seiner oder ihrer Definition von Erfolg. Wenn ich das weiß, kann ich darauf eingehen und meine Qualitäten konstruktiv einsetzen.

Die Finanzbranche hat unter jungen Frauen nicht den tollsten Ruf. Wie sieht Ihr Blick auf die Branche aus?
Unterm Strich ist sie immer noch männerdominiert und bei „Finanzbranche“ denken viele an Menschen, deren Fokus es ist, etwas zu verkaufen. Klar ist der Vertrieb ein Bestandteil des Geschäfts und in einigen Unternehmen gibt es viele Vorgaben und Druck, bestimmte Produkte zu verkaufen. Aber es gibt auch Ausnahmen, und nicht umsonst bin ich schon seit über zehn Jahren im Hypoport-Konzern, in dem der Mensch eine große Rolle spielt und es sehr viele Gestaltungs- und Entwicklungsfreiräume gibt. Außerdem finden sich bei Finanzdienstleistern auch viele Berufsbilder, bei denen die Branche keine Rolle spielt, wie zum Beispiel in Marketing, Buchhaltung, Business Development oder Softwareentwicklung. Spätestens hier sind die Teams divers zusammengestellt und die Leute haben ganz unterschiedliche Backgrounds. Ich selbst komme ebenfalls nicht aus der Banken- oder Versicherungswelt. Die Frage ist ja nur: Wo und wie kann ich meine Fähigkeiten und mein Wissen anwenden?

Was macht Ihnen an Ihrem Job besonders viel Spaß?
Als ich bei Dr. Klein angefangen habe, habe ich gesehen: Da sind nicht nur Leute, die etwas verkaufen wollen und es gab viele spannende Themen für mich. Mir macht es unglaublich viel Spaß, mit Menschen zu arbeiten, auch in verschiedenen Teams. Ich höre gern hin, was sie zu sagen haben und ich bin gut darin, Gehörtes zu strukturieren. Meine Leidenschaft ist es, neue Themen zu entwickeln, in denen Chancen stecken und hierfür die Weichen zu stellen. Außerdem löse ich gerne Probleme. Ich habe sozusagen einen siebten Sinn für Knoten in Strukturen und stockende Prozesse. Und die gemeinsam mit meinen Teams zu lösen oder wieder in den Fluss zu bringen – das macht wirklich großen Spaß.

Das Unternehmen, für das Sie tätig sind, gehört zu den FinTech-Unternehmen, die ja für frischen Wind stehen. Glauben Sie, dass man bei den FinTechs in Sachen Diversität schon weiter ist als im etablierten Finanz-Bereich?
Solche pauschalen Urteile sind immer schwierig, aber generell würde ich sagen: Ja! Obwohl es schon viele neue Ansätze gibt, wird in klassisch organisierten Unternehmen oftmals noch das alte Bild gelebt: Hierarchien, Festhalten an der Macht und Netzwerke, die nur im eigenen Saft schmoren. So können sie sich nicht mehr in einem solchen Tempo nach vorne bewegen, wie es die FinTechs tun. Bei den FinTechs herrscht eine ganz andere Energie und die Ärmel sind weit hochgekrempelt. Um ihre Ziele zu erreichen, setzen sie auf Vielfalt – sowohl was den beruflichen Background angeht als auch die Charaktere. Wir zum Beispiel gucken immer auch, was für Persönlichkeiten gebraucht werden und ob sie Fehlendes ergänzen. FinTechs sind eher offen für Talente aus anderen Bereichen und Branchen und entwickeln die Mitarbeiterinnen stärker selbst.

Sie haben ein Doppelstudium absolviert: OnlineMedien an der Hochschule Furtwangen und Projektmanagement und Informationstechnik am BFI Wien. Wie wichtig sind Studienabschlüsse, und wie wichtig sind technische Studienabschlüsse für eine Karriere im Finanz-Bereich?
Gleich vorneweg: Wenn ich Bewerbungen auf dem Tisch bekomme, ist der Bildungsabschluss der uninteressanteste Part! Das ist nicht das erste, was ich mir ansehe. Relevanter als der Abschluss ist, ob jemand glaubhaft rüberbringen kann, dass er in der Lage ist zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Das Hilfreichste, das ich im Studium gelernt habe, ist: Antworten auf neue Fragestellungen zu finden und immer neue Fragen zu stellen. Diese Fähigkeit, sich Neues zu erschließen, halte ich für ausgesprochen wichtig – und dafür ist nicht unbedingt ein Studium notwendig.

Diese Frage würde ich Männern nie stellen, aber uns Frauen interessiert es einfach, wie es andere machen… Sie sind auch Mutter. Wie bringen Sie Job und Familie unter einen Hut?
(lacht) Ich werde das öfter gefragt! Familie ist ja etwas, was man für sich persönlich wünscht, und ich möchte beides: Job und Familie. Tatsächlich ist es nicht einfach, beides unter einen Hut zu bekommen. Mir hilft es zu wissen, warum ich das mache. Von vornherein war mir wichtig, dass ich mich auch als junge Mutter im Job weiterentwickeln kann. Wenn nicht, bin ich unzufrieden, und das schlägt auf die ganze Familie durch. Hierfür muss es mit dem Partner stimmen. Mein Partner versteht meine beruflichen Ambitionen, ihm sind Job und Familie auch wichtig. Wir teilen uns Haushalt und Kind und arbeiten mittlerweile beide wieder voll. Damit das klappt, haben wir eine zuverlässige Tagesmutter. Sie kommt zu uns nach Hause, betreut unsere Tochter und legt ab und zu die Wäsche zusammen. Es ist immer hilfreich, wenn die Eltern oder Schwiegereltern mit eingespannt werden können, aber unsere Familien wohnen leider weit weg.

Was raten Sie berufstätigen Frauen, die Kinder haben wollen? Wie plant und wie kommuniziert man am besten mit seinem Arbeitgeber?
Wenn man ein Baby erwartet, sollte man das früh kommunizieren. Ich habe nach der 12. oder 13. Schwangerschaftswoche mit dem Aufsichtsrat gesprochen und anschließend gleich mit meinen beiden Vorstandskollegen. Alle haben es wirklich gut aufgenommen und mich unterstützt. Zwei Wochen später habe ich dann die Teams und das Personalmanagement informiert.

Wie lange sollte man aus dem Job draußen bleiben?
Ich war vier Monate komplett draußen. Mein Mann und ich haben vereinbart, dass wir danach immer abwechselnd zwei Monate Elternzeit nehmen und der andere Vollzeit arbeitet. Da wir beide auch remote arbeiten können, konnte ich weiter stillen. Derjenige in Elternzeit konnte jeweils für sich entscheiden, wie viel er zusätzlich noch arbeiten möchte – oder auch nicht. Das ist natürlich auch eine Geld-Frage, und ich kann mir eine Auszeit finanziell zum Glück leisten. Schwieriger war es mit der Verantwortung als Vorstand. Zum Glück gibt es die Stay-on-Board-Initiative: Sie hat mittlerweile die rechtliche Klärung erwirkt, dass Vorstände bis zu sechs Monate Auszeit nehmen können und in dieser Zeit aus der Haftung sind. Ich hatte mich damals mit dem Aufsichtsrat darauf geeinigt, dass ich während der Elternzeit freigestellt werde und die Haftungsfrage habe ich mit meinen Vorstands-Kollegen geklärt.

Was ist Ihnen generell wichtig im Job?
Die Tätigkeiten, die man im Job macht, dürfen einen nicht auf Dauer auslaugen. Man sollte bei der Arbeit möglichst viele Dinge finden, die einem Spaß machen, aus denen man auch Energie ziehen kann. Wenn etwas dauerhaft Energie kostet, sollte man das abgeben. Ich überlege oft, wer sich im Unternehmen dafür einsetzen kann, dass den Mitarbeitern die wichtigen Dinge gelingen. In meinem Team habe ich Vertrauensarbeitszeit. Mir ist es egal, wie lange jemand für seine Aufgaben braucht. Die Hauptsache ist, dass ich mich drauf verlassen kann, dass die Arbeit wirklich erledigt ist.

Eine Frage zur Karriere-Planung: Es heißt oft, wer aufsteigen will, muss öfter das Unternehmen wechseln. Sie sind seit 2010 im Hypoport-Konzern tätig, haben also nicht gewechselt. Was raten Sie jungen Frauen, die aufsteigen wollen? Wechseln oder bleiben?
Dass man öfter das Unternehmen wechseln muss, um Karriere zu machen, ist glaube ich nur in sehr hierarchisch organisierten Unternehmen der Fall. Ich habe tatsächlich nur den Hypoport-Kosmos gesehen und kann raten: Wenn man merkt, dass man im falschen Unternehmen ist, sollte man wechseln. Das wird ja schnell offensichtlich: Werden die richtigen Menschen gefördert? Wenn nicht, sollte man sich öffnen für ein Unternehmen, das besser passt. Dort werden dann hoffentlich die richtigen Menschen gefördert. Aber natürlich muss man auch selbst dafür sorgen, dass man sichtbar ist, um voranzukommen.

Welche Karriere-Tipps können Sie Frauen geben? Was sind aus Ihrer Sicht die Do’s und Dont’s für Frauen in der Finanzbranche, die Karriere machen wollen?
Die oberste Priorität hat die Frage: Was brauche ich, um glücklich zu sein? Karriere heißt ja auch: Mehr Verantwortung und mehr Gestaltungsspielraum. In diesem Umfeld ist es wichtig, dass man die Gestaltungsspielräume bespielen kann. Wenn man die Karriereleiter aufsteigt, sagen einem immer weniger Leute, was zu tun ist: Die Führung fällt weg, je höher man kommt. Deswegen muss man diese Führung selbst übernehmen. Dazu ist es wichtig, mich selbst sehr gut zu kennen: Was mache ich gut? Wo liegen meine Schwächen und wo meine Stärken? Es hilft zu wissen, welche Dinge mich triggern und welche mich wahnsinnig machen.

Und der Umgang mit dem Team?
Für mich ist es extrem wichtig mitzubekommen, was das Team denkt – und was die Menschen hinter den Rollen gerade beschäftigt. Dazu rede ich viel mit dem Team und habe auch den Mut, den Elefanten im Raum anzusprechen. Wenn etwas schief läuft, möchte ich es in konstruktive Bahnen lenken. Ich kann gut anerkennen, was andere machen. Wenn es Dinge gibt, die entschieden werden müssen, lasse ich nicht locker. Ich glaube, wenn man das alles tut, sind die Menschen dankbar. Ich bin hart in der Sache und weich im Kern!

Danke, Frau Fuchs, für die tollen Ideen und das Teilen der Erfahrungen!

Zur Person:
Kingyi Fuchs ist seit 2010 in verschiedenen Positionen im Hypoport-Konzern tätig. Dazu zählen die Geschäftsführung der Hypoport-Tochter Vergleich.de sowie die Marketing-Leitung von Dr. Klein. Seit März 2018 ist sie im Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG und dort für die Bereiche Kundenzugang, Marketing und Digitalisierung verantwortlich. Zuvor hat sie ein Doppelstudium absolviert: OnlineMedien an der Hochschule Furtwangen und Projektmanagement und Informationstechnik am BFI Wien. Dabei hat sie die beiden Abschlüsse Bachelor of Arts in Business sowie Bachelor of Science, OnlineMedien erworben.

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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