Ende September hat die Allianz die 14. Ausgabe ihres „Global Wealth Report“ vorgestellt, der das Geldvermögen und die Verschuldung der privaten Haushalte in fast 60 Ländern analysiert.

2022 war ein desaströses Jahr
Wie zu vermuten war, war das Jahr 2022 für Vermögensinhaber verlustreich, denn die Vermögenspreise fielen auf breiter Front. Der Wealth Report zeigt einen kräftigen Rückgang des globalen Geldvermögens(* der privaten Haushalte um -2,7%. Das ist der stärkste Rückgang seit der Globalen Finanzkrise 2008. Also eher Selters statt Sekt.

Auch wenn alle drei großen Anlageklassen im Wert sanken, war die Verlustentwicklung unterschiedlich groß. Während Wertpapiere (-7,3%) und Versicherungen/Pensionen (-4,6%) starke Rückgänge verzeichneten, zeigten Bankeinlagen mit +6,0% ein robustes Wachstum. Insgesamt gingen Finanzanlagen im Wert von EUR 6,6 Billionen verloren, so dass sich das gesamte Geldvermögen Ende 2022 auf EUR 233 Billionen belief. Am stärksten war der Rückgang in Nordamerika (-6,2 %), gefolgt von Westeuropa (-4,8%). Asien hingegen verzeichnete – mit Ausnahme Japans – noch relativ starke Wachstumsraten. Auch in China wuchs das Geldvermögen mit einem Plus von 6,9% kräftig. Verglichen mit dem Vorjahr (+13,3%) und dem langfristigen Durchschnitt der letzten 20 Jahre (+15,9%) war dies jedoch eine eher enttäuschende Entwicklung – die wiederholten Lockdowns forderten ihren Tribut.

Die Deutschen verloren insbesondere mit Versicherungen und Pensionen (-12,9%)
Das Brutto-Geldvermögen der deutschen Haushalte sank 2022 um -4,9% und übertraf damit sogar die Verluste während der Finanzkrise (-4,5%). Hauptursache war die Anlageklasse der Versicherungen/Pensionen, die -12,9% an Wert verlor; auch Wertpapiere mussten einen starken Rückgang hinnehmen (-7,7%). Die Bankeinlagen hingegen wuchsen weiter – allerdings war das Plus von 3,7% der schwächste Anstieg seit neun Jahren. Hier spielt das veränderte Sparverhalten der Deutschen eine Rolle: Während die Sparer ihre Zuführungen von frischem Geld zu den Bankeinlagen um 24,3% (auf EUR 112 Mrd.) reduzierten, sanken die Ersparnisse insgesamt „nur“ um 21,9% auf EUR 297 Mrd. Damit stieg der Anteil der Kapitalmarktprodukte an den frischen Ersparnissen auf 37% bzw. EUR 110 Mrd. – fast gleichauf mit den Bankeinlagen. Die restlichen neuen Ersparnisse (EUR 81 Mrd.) wurden in Versicherungen und Pensionen investiert.

Deutsche verloren 2022 2,2% ihrer Kaufkraft
Im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 ist das Geldvermögen der Deutschen immer noch um 10,1% höher – allerdings nur nominal. Inflationsbereinigt sind die deutschen Sparer „ärmer“ als vor der Pandemie, da ihr Vermögen -2,2% an Kaufkraft verloren hat.

Das Wachstum der Verbindlichkeiten verlangsamte sich auf 4,4%, nach 5,2% im Jahr 2021. Das Netto-Finanzvermögen schließlich ging um satte -8,3% zurück. Damit lag der Einbruch ebenfalls über dem bisherigen „Rekord“ von -6,4% im Jahr 2008.

Mit einem Netto-Geldvermögen pro Kopf von 63.540 Euro fiel Deutschland in der Rangliste der 20 reichsten Länder auf Platz 19 zurück und tauschte den Platz mit Österreich (siehe Tabelle). „Auch Deutschland wird zu einem positiven Wachstum zurückkehren: Im Jahr 2023 soll das Geldvermögen um über 3% steigen“, beruhigt die Allianz.

Inflation frisst zwei Drittel des nominalen Wachstums
Das weltweite Geldvermögen der privaten Haushalte lag Ende letzten Jahres trotz der herben Verluste nominal immer noch um fast 19% über dem Stand von 2019, vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Inflationsbereinigt reduziert sich dieser Zuwachs allerdings auf magere 6,6% in drei Jahren, d.h. zwei Drittel des (nominalen) Wachstums fielen den Preissteigerungen zum Opfer. Während die meisten Regionen zumindest ein gewisses reales Wachstum bewahren konnten, ist die Situation in Westeuropa anders: Alle nominalen Zuwächse wurden ausradiert, das reale Geldvermögen sank gegenüber dem Jahr 2019 um -2,6 %.

„Jahrelang haben sich die Sparer über die Nullzinsen beschwert“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. „Doch der wahre Feind der Sparer ist die Inflation. Und das nicht erst seit dem Inflationsschub nach Covid-19. In Deutschland zum Beispiel hat sich das nominale Vermögen pro Kopf in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Inflationsbereinigt liegt der Zuwachs nur noch bei weniger beeindruckenden 40 %. Dies unterstreicht die Notwendigkeit intelligenten Sparens und größerer finanzieller Kompetenz. Aber die Inflation ist ein schwer zu besiegendes Biest. Ohne Anreize und Subventionen für langfristiges Sparen werden es die meisten Sparer schwer haben.“

Mittelfristige Aussichten eher gemischt
Nach dem Rückgang im Jahr 2022 dürfte das globale Finanzvermögen im Jahr 2023 wieder ansteigen. Dafür spricht vor allem die (bisher) positive Entwicklung an den Aktienmärkten. „Insgesamt erwarten wir einen Anstieg des globalen Geldvermögens um rund 6%, auch unter Berücksichtigung einer weiteren Normalisierung des Sparverhaltens. Bei einer globalen Inflationsrate von rund 6 % im Jahr 2023 sollte den Sparern ein weiteres Jahr mit realen Verlusten auf ihren Geldvermögen erspart bleiben“, meint die Allianz.

Kathrin Stoffel, Mitautorin des Berichts wird konkret: „Die mittelfristigen Aussichten sind jedoch eher gemischt. Es wird kein geldpolitischer oder wirtschaftlicher Rückenwind zu spüren sein. Das durchschnittliche Wachstum der Geldvermögen dürfte sich in den nächsten drei Jahren zwischen 4 und 5 % einpendeln, wenn man von durchschnittlichen Aktienmarktrenditen ausgeht. Doch wie das Wetter, das im Zuge des Klimawandels immer extremer wird, sind in der neuen geopolitischen und wirtschaftlichen Landschaft mehr Marktschwankungen zu erwarten. ‚Normale‘ Jahre könnten eher die Ausnahme werden.“

Global ist die Schuldenquote gesunken, aber in den Schwellenländern gestiegen
Die Zinswende war auch auf der Passivseite der Bilanzen der privaten Haushalte deutlich zu spüren. Nachdem die globale Privatverschuldung 2021 noch um 7,8% gestiegen war, schwächte sich das Wachstum im vergangenen Jahr deutlich auf 5,7% ab. Der stärkste Rückgang war in China zu verzeichnen: Das Schuldenwachstum von +5,4% 2022 war das niedrigste Wachstum seit Beginn der Aufzeichnungen. Insgesamt beliefen sich die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte weltweit Ende 2022 auf EUR 55,8 Billionen. Da sich der Abstand zwischen Schulden- und Wirtschaftswachstum auf 3,9 Prozentpunkte vergrößert hat, ist die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) um mehr als 2 Prozentpunkte auf 66,1% gesunken. Damit liegt die globale Schuldenquote der privaten Haushalte wieder ungefähr auf dem gleichen Niveau wie zu Beginn des Jahrtausends – ein bemerkenswertes Maß an Stabilität, das kaum zu dem weit verbreiteten Narrativ einer in Schulden ertrinkenden Welt passt.

Allerdings haben sich die Verhältnisse auf der Weltschuldenkarte stark verändert. In erster Linie ist die Entwicklung in den Industrieländern durch Stabilität gekennzeichnet. In den meisten Schwellenländern hingegen sind die Schuldenquoten in den letzten zwei Jahrzehnten stark gestiegen. An der Spitze der Liste steht China, wo sich die Quote auf gut 61% mehr als verdreifacht hat.

Nettogeldvermögen pro Kopf, 2022

In Euro Y/Y in % Rank 2002
1 USA 251.860 -8,9 2
2 Schweiz 238.780 -4,4 1
3 Dänemark 163.830 -9,9 18
4 Singapur 151.200 +3,9 11
5 Taiwan 141.600 +3,1 10
6 Neuseeland 117.760 -7,6 6
7 Kanada 117.450 -5,7 9
8 Schweden 116.060 -13,2 15
9 Niederlande 103.120 -18,1 7
10 Belgien 97.790 -7,7 3
11 Japan 96.500 -0,3 4
12 Australien 92.630 -6,1 17
13 Israel 92.370 -3,6 13
14 Großbritannien 88.380 -9,2 8
15 Irland 71.360 -3,9 16
16 Italien 69.350 -6,9 5
17 Frankreich 67.500 -7,1 12
18 Österreich 65.330 -4,6 14
19 Deutschland 63.540 -8,3 19
20 Malta 49.500 +0,6 20

 

Die interaktive “Allianz Global Wealth Map” findet sich hier, und die Studie kann hier heruntergeladen werden.

*) Zum Brutto-Geldvermögen zählen Bargeld und Bankeinlagen, Ansprüche gegenüber Versicherungen & Pensionsfonds, Wertpapiere (Aktien, Anleihen und Anteile an Investmentfonds) sowie sonstige finanzielle Forderungen.

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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