Spätestens seit der Netflix-Erfolgsserie ‚Das Damengambit‘ sind Frauen im Schach in den Fokus gerückt – allerdings ist die Branche mit lediglich 15 % weiblichen Spielerinnen bei Wettkämpfen immer noch überwiegend männlich besetzt. Das ist aber nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen Schach und der Finanzbranche!

Preisgeld von 80.000 Euro
Fondsfrau Anke Dembowski hatte die Gelegenheit als Zuschauerin bei der vierten und letzten Etappe des Grand Prix der Damen der International Chess Federation dabei zu sein, um die Frauenpower zu spüren und natürlich auch um die Frauen zu unterstützen. Diese Etappe des Grand Prix findet vom 15. bis 28. Mai 2023 auf Zypern statt. Es handelt sich dabei um einen wichtigen Wettbewerb, sozusagen um das Viertelfinale für die Damen-Weltmeisterschaft im Schach, die alle zwei Jahre ausgetragen wird. 12 Kandidatinnen spielen für zwei Wochen gegeneinander, allesamt Schach-Großmeisterinnen der Damen oder andere Spielerinnen von Weltrang, echte Profi-Schachspielerinnen eben.

Den Gewinnerinnen winken jeweils ein Preisgeld von 80.000 Euro sowie die Kandidatur zum Halbfinale, das im April 2024 in Toronto stattfindet. Danach geht es ins Finale, wo die Weltmeisterschaft der Damen ausgetragen wird. Aktuell amtierende Weltmeisterinnen sind zwei chinesische Spielerinnen. Für Deutschland tritt beim aktuellen Wettkampf auf Zypern Dinara Wagner an, eine Weltklasse-Schachspielerin, die bis 2022 für den Schachverband Russlands gespielt hat und jetzt in Deutschland lebt (ein Interview mit ihr folgt in Kürze).

Es sind anstrengende Wettbewerbe. „Die Damen verlieren pro Match ein bis drei Kilo an Gewicht, so viel Leistung fordert ihnen das Spiel ab“, erklärt Arkady Dvorkovich, Präsident des Weltschachverbands (FIDE), im Interview mit den Fondsfrauen. Die Spielerinnen sind in der Lage, die zehn oder mehr nächsten Züge ihrer Gegnerin durchzuspielen und abzuwägen, welchen Effekt sie aufs Spielergebnis haben werden – das braucht Gehirn-Power.

Warum spezielle Damen-Wettbewerbe?
Eine Frage scheint über dem Wettbewerb zu schweben: Warum gibt es im Schach überhaupt spezielle Wettbewerbe für Damen? „Schachspielen ist tatsächlich sehr anstrengend, Du brauchst eine unglaubliche Ausdauer, und in Ausdauer sind uns die männlichen Spieler vermutlich überlegen“, meint eine der Spielerinnen auf Zypern. Tatsächlich kann ein einzelnes Spiel sechs Stunden oder länger dauern.

„Frauen haben oft nicht die Möglichkeit, sich auf das Schachspielen zu fokussieren“, meint FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich, und weiter: „Frauen müssen in ihrem Leben viele andere Dinge tun und können nicht den ganzen Tag Schach spielen. Um an die Weltspitze zu gelangen, muss man aber den ganzen Tag Schachspielen.“ Er erklärt, dass professionelle Schachspieler 40 bis 60 Stunden pro Woche trainieren, und die Damen im Schnitt offenbar etwas weniger als die Männer. Mark, einer der internationalen Schach-Journalisten vor Ort, der über den Grand Prix berichtet, kann das bestätigen: „Männliche Großmeister sind wirklich nur aufs Schachspielen fokussiert. Sie brauchen sich nicht mit der Organisation ihres Tagesablaufs oder gar des Familienhaushalts zu beschäftigen. Ich denke, dass nicht mal die Hälfte von ihnen überhaupt Auto fährt.“

Final lässt sich die Frage, warum Männer im Schach besser sind als Frauen wohl kaum beantworten, die Antwort bleibt ein Mysterium. Vermutlich gibt es nicht den einen Grund, sondern es wird eine Vielzahl an Faktoren sein, die da mithinein spielen.

Schade ist: Aktuell ist auf der Liste der 100 weltbesten Schachspieler keine einzige Frau zu finden. Auf der Liste sind die Weltbesten mit einem sogenannten Elo-Punktesystem gelistet, ähnlich wie man es vom Tennis kennt.

Rolemodels werden auch im Schach benötigt
Dass es aber für Frauen im Prinzip möglich ist, dafür steht Judit Polgár. Sie ist der Superstar unter den Schachspielerinnen. Die 1976 geborene Ungarin erhielt im Alter von 15 Jahren den Titel eines Großmeisters, und sie schaffte es 2005 unter die Top-Ten der gemischten Weltrangliste.

Die Schach-Damen können nämlich wählen zwischen reinen Damen-Meisterschaften (mit den entsprechenden Damen-Titeln) und gemischten Meisterschaften. Höherwertiger sind die gemischten Titel, und Judit Polgár schaffte es, in dieser gemischten Liga mitzuspielen. „Judit ist für uns Schach-Damen ein großes Vorbild, und es ist gut zu wissen, dass es für Frauen möglich ist, auf die gemischten Weltmeister-Listen zu kommen“, sagt eine der Spielerinnen, und es schwingt sowohl Bewunderung für Julia mit, als auch Ehrgeiz, es ihr nach Möglichkeit gleichzutun.

Interessant ist Judits Hintergrund: Ihre Eltern Lázló und Klara Polgár sind Pädagogen und vertreten die Meinung, dass Begabungen nicht angeboren, sondern anerzogen sind. Als „Beweis“ unterrichteten sie ihre drei Töchter zu Hause und brachten ihnen Schachspielen bei. Die drei wurden exzellente Schachspielerinnen, allen voran Judit und dicht dahinter ihre beiden Schwestern Zsófia und Zsuzasa.

Diese Geschichte liefert einen weiteren Grund, warum Frauen es nicht so oft an die Schach-Weltspitze oder in die Führungsetagen von Unternehmen schaffen: Kulturelle Überzeugungen und Klischees, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, und sich womöglich bereits auf die Epigenetik eingraviert haben. Die Epigenetik ist der ‚zweite Code‘ des Erbguts, mit dem auch erworbene Eigenschaften weitergegeben werden. Sie aufzubrechen und zu verändern ist möglich, erfordert aber bewussten Umgang damit und Training.

Pay Gap auch im Schach
Bemerkenswert ist, dass es auch im Schach einen Gender Pay Gap gibt: Das Preisgeld bei den Frauen-Schachmeisterschaften ist deutlich niedriger als bei den gemischten Meisterschaften. „Es beträgt oft nur etwa ein Drittel“, weiß Schach-Journalist Mark. Wobei man natürlich zugeben muss, dass den Damen die gemischten Meisterschaften mit den dort ausgelobten höheren Preisgelder ebenso offenstehen wie die reinen Damen-Meisterschaften, aber der Wettbewerb bei den gemischten Meisterschaften ist eben deutlich härter.

„Ich glaube, dass das keine bewusste Benachteiligung der Damen ist, sondern das regelt der Markt. Die Menschen interessieren sich eben mehr für gemischte Schach-Partien als für reine Damen-Partien, genauso wie sie sich mehr für Männer- als für Damen-Fußball interessieren. Daher ist bei den Männern die Bezahlung höher. Der Markt kann hier einfach mehr bezahlen“, meint Mark. Tennis dürfte hier eine der wenigen Ausnahmen darstellen. „Ja“, meint Mark, „Damen-Tennis ist beliebt, das sehen unheimlich viele Menschen gerne an. Da gibt es eben einen großen Markt!“

Was lernen wir aus diesem Ausflug in die Sport- und Schach-Welt?

  • In öffentlich wahrnehmbaren Wettbewerben sind deutlich weniger Frauen zu sichten als Männer
  • Frauen können – genau wie Männer – Spitzenleistungen erzielen. Einzelne Beispiele zeigen dass es geht.
  • Anerzogene und über die Jahrhunderte gefestigte Geschlechterklischees prägen die Möglichkeiten, die Frauen und Männer jeweils haben. Solche Klischees lassen sich aufbrechen, allerdings geht das nicht ohne das entsprechende Bewusstsein und Anstrengung.

Der Internationale Fachverband FIDE setzt sich dafür ein, Mädchen im Schach zu fördern und ihnen sowohl Möglichkeiten im Breitensport als auch die Bühne beim Weltspitzen-Schach zu öffnen. Die Kultur, z.B. Netflix-Serien wie ‚Das Damengambit‘ kann helfen, das Interesse am Damen-Schach zu fördern. Und letztlich braucht auch Förderer, die das Aufbrechen der Geschlechter-Klischees zu ihrer Herzenssache machen. Im Fall des Schach-Grand Prix der Damen auf Zypern war es Timur Turlov, CEO des Online-Brokers Freedom Finance

Und wer nun die 12 Schachspielerinnen beim Grand Prix auf Zypern verfolgen und mit-fanen möchte, kann dies über die Verbands-Website FIDE tun, oder über www.lichess.org.

Fotos: Hellen Smith

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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