Anna Katharina Nolting ist Head of Corporate Communications beim Luxemburger Asset- und Investmentmanager REInvest und Mutter. Wir sprechen mit ihr darüber, wie sich Unternehmen aus der Finanzbranche für weibliche Fachkräfte attraktiv darstellen können. In einem anderen Interview haben wir mit ihr darüber gesprochen, wie ein Job in der Unternehmenskommunikation aussehen kann, und wie sich hier Beruf und Familie miteinander vereinbaren lassen.

Anna Katharina, Du als Marketing-Spezialistin kannst uns vermutlich sagen, was für einen Immobilien-Manager wie REInvest wichtige Kriterien sind, die die Marke bestimmen. Was sind denn die Wichtigsten?
Ursprünglich komme ich aus dem Fast Moving Consumer Goods und Premium Life-Style-Segment, bin also branchenfremd in der Immobilien- und Finanzbranche. Aber aus meiner Erfahrung bei REInvest heraus habe ich gemerkt, dass die Branche gar keine so große Rolle spielt. Im Gegenteil: Oftmals tut einer etablierten Branche eine unbefangene Denkweise gut und kann dazu führen, wieder neue Ideen zu entwickeln und innovativ zu agieren. Die wichtigsten Faktoren sind Markenpersönlichkeit, die Differenzierung zum Wettbewerb, ein konsistentes Auftreten und eine klare, transparente und vor allem ehrliche Markenkommunikation.

Das Wesentlichste dabei ist Authentizität, denn Marketing-Washing ist und bleibt erfolglos. Ohne ein klar definiertes Nutzenversprechen, dass die unternehmerische Haltung ernsthaft widerspiegelt, werden große Summen in Marketingmaßnahmen investiert, bei denen das Ergebnis am Ende nicht im Verhältnis steht. Das heißt: Ich kann nicht nach außen etwas darstellen, was im Inneren noch nicht gelebt wird. Unternehmen müssen die kommunizierte Haltung einnehmen, zu ihr stehen und sie verkörpern, um eine eigene Identität aufzubauen, die schließlich als Marke wahrgenommen wird. Nur dann kommen die Botschaften, die das Unternehmen senden will, auch als authentisch und konsistent beim Empfänger an.

Wie wichtig ist die Marken-Wahrnehmung bei der Suche nach Kunden und nach kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Die Marken-Wahrnehmung wirkt sich nicht nur auf die Zusammenarbeit mit potenziellen Partnern und Kunden aus, sondern insbesondere auch auf den gesamten Recruiting Prozess. Die Candidate Experience entscheidet am Ende nicht nur darüber, ob Top Talente sich für unser Unternehmen entscheiden, sondern auch, wie sie im Nachgang über uns sprechen. Die Immobilienbranche ist klein, da kann ein schlechtes Echo Folgen haben. Das Gleiche gilt auch für die Kundenakquise. Ein positives Markenbild stärkt die Wahrnehmung im Marktumfeld und auch die Bindung zu bestehenden Kunden. Natürlich müssen hier Marketing und Business Development eng zusammenarbeiten, um eine erfolgreiche Sales-Strategie zu entwickeln.

Wir haben bei den Fondsfrauen das Gefühl, dass es bei Immobilien-Asset Managern mehr Frauen in Führungspositionen gibt als bei Wertpapier-Asset Managern. Ist da was dran?
Ich spreche eher von der Finanzbranche, die Assetklasse hat im Grunde dann gar keine große Bedeutung. Ich glaube, dass die Finanzbranche ein Image verkörpert, dass Frauen gegebenenfalls abschrecken kann, bzw. sie sich zurückhaltend in diesem Bereich bewegen. Dennoch habe ich den Eindruck, dass ein ernstzunehmender Wandel stattfindet und alte Strukturen und Glaubenssätze aufgebrochen werden. Ich kann nicht für jedes Unternehmen in der Finanzbranche sprechen, aber seit ich für REInvest arbeite, habe ich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht, was das Thema Diversity oder Frau-Sein betrifft. Im Gegenteil! Es ist die Aufgabe aller Unternehmen, egal in welcher Branche sie sich befinden, sich authentisch und auf allen Ebenen im Sinne dieses Zeitgeists weiterzuentwickeln.

Du beschäftigst dich mit Markenführung. Kann man als Unternehmen heutzutage seine Marke damit attraktiv machen, dass man Frauen im Unternehmen fördert?
Auf jeden Fall! Die Frauenförderung ist es vielleicht gar nicht in erster Linie, sondern die Haltung hinter der individuellen Förderung eines jeden Mitarbeiters macht das Unternehmen interessant. Natürlich beschäftige ich mich als Frau damit, ob das Unternehmen, das ich ins Auge fasse, meinen Weg unterstützt. Finde ich dort mein Umfeld? Gibt es dort die Möglichkeit, um mich zu entwickeln und zu wachsen und werden flexible bzw. auf die Bedürfnisse abgestimmte Arbeitszeiten angeboten? Das betrifft die Männer genauso wie Frauen. Für beide geht es letztlich darum, ob Individualität gelebt werden kann, gleiche Bedingungen vorherrschen und insgesamt ein vertrauensvoller Austausch stattfinden kann

Was können denn Unternehmen tun, um für Fachkräfte attraktiv zu sein – weibliche wie männliche?
Um neue Talente zu gewinnen, ist Employer Branding das Schlüsselwort. Das heißt die eigene Arbeitgebermarke muss aufgebaut und nach außen transportiert werden, um die Arbeitgeberattraktivität zu steigern. Dafür gilt es die Bedürfnisse potenzieller Mitarbeiter zu identifizieren, die Haltung der Führungskräfte zu kommunizieren, Entwicklungsmöglichkeiten darzustellen und Unternehmensmerkmale transparent zu transportieren. Nur so kann die Identifikation mit dem Unternehmen stattfinden und die Motivation sich zu bewerben gesteigert werden.

Auch der Einblick hinter die Kulissen eines Unternehmens spielt insbesondere für junge Talente eine übergeordnete Rolle. Die Vielseitigkeit der Aufgabengebiete, die Gestaltung des Arbeitsumfeldes und die individuellen Karrierechancen kennenzulernen steigert die Wettbewerbsfähigkeit.

Was können Unternehmen noch tun?
Auch New-Work-Angebote sind in den letzten Jahren in den Fokus der Nachfrage bei Bewerbern gerückt. Aspekte wie flexible Arbeitszeitmodelle, Selbstverantwortung und die Möglichkeit remote zu arbeiten sind für viele Arbeitnehmer von großer Bedeutung. Dieser Wandel muss von den Unternehmen proaktiv mitgestaltet werden. Hinzukommt, dass weiblichen Role Models in der Finanz- und Fondsbranche die Strahlkraft fehlt. Frauen in der Branche sind sehr leistungs- und durchsetzungsstark, wenn man ihnen ihren individuellen Weg ermöglicht. Das muss auch auf dem Arbeitnehmermarkt kommuniziert werden. Ich bin zwar kein Fan davon mit Frauen im Recruiting anders umzugehen als mit Männern, aber Frauen müssen dieselben Chancen haben, wie Männer. Es muss deutlich werden: Wer gut ist, hat auch die Möglichkeit, weiter und nach oben zu kommen. Die Finanzbranche ist nach wie vor noch stark männerdominiert. Wenn ein Mann an der Spitze sitzt, zieht er eher Männer nach. Ist eine Frau an der Spitze, kommen auch Frauen leichter in die Positionen. Dabei ist es so wichtig, diverse Teams zu fördern. Sie bringen nachweislich bessere unternehmerische Leistungen. Dies sollte allerdings nicht anhand einer Quote geschehen. Frauenförderung über eine Quote ist nichts anderes, als zuzugeben, dass Frauen es von allein eben nicht schaffen. Und genau dieses altmodische Bild des schutzbedürftigen, weiblichen Geschlechts möchten wir ja loswerden.

Und was können Unternehmen tun, um Talente anzuziehen, die die Familienplanung noch vor sich haben?
Für Frauen, die Kinder und Beruf vereinbaren möchten, sind moderne Arbeitsstrukturen und Denkweisen besonders ausschlaggegebend in der Wahl des Arbeitgebers. Wichtig ist das Signal, dass es auch nach einer mehr oder minder langen Kinder-Pause einen guten Wiedereinstieg gibt. Die Nachricht muss sein: Bei uns ist die Wertschätzung der Mitarbeiter nicht allein auf die Arbeitszeit reduziert, sondern auf die darin erbrachte Leistung. Daneben sollten die Unternehmen auch etwas dafür tun, Frauen mit Kindern zu fördern, um ihnen den Wiedereinstieg zu erleichtern. Die politischen Werkzeuge und Regularien reichen hier nicht aus und müssen durch unternehmerische Maßnahmen flankiert und ergänzt werden. Diese proaktive Förderung des Wiedereinstiegs setzt positive Signale neuen Talenten gegenüber und wirkt so nachhaltig dem Fachkräftemangel entgegen! Humankapital ist das wertvollste Asset in der Finanzbranche und die Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern ist eine der größten Herausforderungen. Die Unternehmen müssen bereit sein, Chancengleichheit zu gewährleisten, um sich nicht einem großen Teil von qualifizierten Newcomern zu verschließen und damit auch die eigene wirtschaftliche Entwicklung langfristig zu gefährden.

Vielen Dank für diese wertvollen Hinweise!

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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