Auf der 18. Internationalen Konferenz zu Finanzdienstleistungen in Hamburg fand am 22. Juni 2023 das Panel mit folgendem Titel statt: „Private Altersvorsorge: Was lernen wir aus Riester und von der Fokusgruppe private Altersvorsorge?“

Das Panel war ausgewogen besetzt mit Stakeholdern, die das Thema private Altersvorsorge aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten:

  • Peter Schwark, Stellv. Hauptgeschäftsführer des GDV (Gesamtverband der Versicherer)
  • Holger Sedlmaier, BVI, Leiter Steuern und Altersvorsorge beim BVI (deutscher Fondsverband)
  • Arne Hertel, Rechtsanwalt. Leitet beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) den Bereich Kapitalmarktrecht
  • Rainer Schwenn, Aktuar DAV bei der MLP Finanzberatung SE
  • Dorothea Mohn, vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband), Leiterin Team Finanzmarkt
  • Britta Langenberg, Leitung Verbraucherschutz, Finanzwende e.V.

Die Moderation hatte Finanzjournalistin und Fondsfrau Anke Dembowski.

Herausforderung Altersvorsorge
Hintergrund der Diskussion ist, dass drei D’s aktuell zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen gehören:

  • Digitalisierung
  • Dekarbonisierung
  • Demografischer Wandel

In der kommenden Dekade werden die „Baby-Boomer“ peu à peu in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig treten immer weniger junge Leute in den Arbeitsmarkt ein und wollen häufig auch keine 100%-Arbeitsplätze einnehmen (laut IAB lag die Teilzeitquote in Q2 2022 bei 38,8%). Die Frage ist: wie lässt sich die länger werdende Ruhestands-Phase finanzieren?

Die Riester-Rente war zunächst ein gutes Konzept, doch auf Grund der niedrigen Zinsen und der Komplexität besteht mittlerweile dringender Reformbedarf. Außerdem wirft die geringe Größenordnung der Renten Fragen auf. Laut Rentenversicherungsbericht lag die monatliche Riester-Zahlung 2020 bei 113,- Euro.

Immerhin muss man der Riester-Rente aber zugestehen: Sie hat als freiwillige Lösung eine hohe Verbreitung erreicht und wird mit rund 16 Mio. Verträgen von vielen als eins der erfolgreichsten geförderten Modellen in Europa angesehen.

Insgesamt erfuhr die Riester-Rente zuletzt eine ziemliche Vollbremsung: 2022 kam es zu einem Verlust von zwei Dritteln der Anbieter und bis zu 90 Prozent weniger Neuabschlüssen, und auch die Bestandszahlen brechen weg. Der Zug der zulagengeförderten privaten Altersvorsorge in Deutschland ist gestoppt.

Fokusgruppe private Altersvorsorge des BMF
Daher gehört die Riester-Rente auf den Prüfstand, und die Zeit drängt. Diese Legislaturperiode muss eine Lösung her, denn für einen Fehlschuss ist angesichts der demografischen Entwicklung keine Zeit. Daran mithelfen sollten alle Stakeholder: Produktanbieter, Verbraucherschützer, Finanzwissenschaftler, Politiker.

Die Bundesregierung hat dazu im November 2022 die Fokusgruppe private Altersvorsorge ins Leben gerufen, um eine Lösung für die geförderte private Altersvorsorge zu finden. Diese wird geleitet von Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär vom BMF. Noch im Sommer 2023 soll ein Abschlussbericht vorgelegt werden.

Treffen der Fokusgruppe Altersvorsorge im BMF in Berlin, 24.01.2023.

Trotz unterschiedlicher Interessenlage geht es letzten Endes um die Bürger, die eine auskömmliche Rente haben wollen. Die Frage ist: Wie können wir die Riester-Vorsorge attraktiv und im aktuellen Umfeld vital halten?

Kontroverse Diskussion über viele Aspekte von Riester 2.0
Einigkeit herrschte in der Diskussionsrunde darüber, dass die Riester-Rente reformiert gehört. Die einzelnen Aspekte, wie eine eventuelle Riester-Rente 2.0 konzipiert werden soll, wurden hingegen äußerst kontrovers diskutiert. Folgende Aspekte wurden dabei beleuchtet:

  • Gretchenfrage: Wie hältst Du’s mit der Garantie? Wie können wir den Bürgern auch ein gefördertes Altersvorsorgeprodukt mit mehr Rendite ermöglichen? Immerhin geht es um langfristige Sparvorgänge, die womöglich einen gewissen Teil an Kapitalmarktrisiken zulassen.
  • Wer sollte anspruchsberechtigt sein? Auch Beamte? Auch Selbständige? Alle Bürger?
  • Wie sieht es aus mit der Größenordnung für die private Zusatzvorsorge? Natürlich hängt das ab von der Einzahlungsdauer, der Höhe der Einzahlungen und der Rendite. Aber laut Rentenversicherungsbericht lag die tatsachliche Riesterrente 2020 im Schnitt nur bei monatlich 113,- Euro. Helfen solche „überschaubaren“ Rentenhöhen wirklich, das Rentenproblem zu lösen? In anderen Ländern sind die Summen deutlich höher.
  • Müssen es vorgefertigte Produkte sein, oder kann man dem Bürger die Auswahl der von ihm bevorzugten Instrumente weitgehend frei überlassen? (Fonds, auch ETFs, Versicherungen, Aktien, Gold…). Theoretisch könnten diese alle in ein für die Rente vorgesehenes (ansonsten gesperrtes) Depot eingebracht werden.
  • Private Anbieter oder der Staat als Anbieter? Oder sollte der Staat nur organisieren und ausschreiben? Die Hoffnung ist, dass ein staatlich organisiertes Modell geringere Kosten hat aufweist.
  • Überhaupt: Wie bekommt man die Kosten in den Griff? Sollte man z.B. auch ETFs berücksichtigen? Was sagen die Vertriebe dazu? Schließlich ist die Riester-Förderung komplex, und um Komplexität zu erklären, brauchen die Vertriebe Zeit und müssen damit Geld verdienen.
  • Und am Ende… Sollte eine Verrentung zur Pflicht gemacht werden, oder auch Einmal-Auszahlung möglich sein?

Diese vielen noch offenen Fragen auf der Pannel-Diskussion zeigen, dass vieles noch offen ist und ein Kompromiss noch nicht morgen oder übermorgen erzielt werden kann. Aber wir müssen dran bleiben, denn das Thema Altersvorsorge wird angesichts der demografischen Entwicklung künftig nicht leichter.

 

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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