Katarina Melvan ist Niederlassungsleiterin bei BNY Mellon Deutschland und gleichzeitig Head of Asset Servicing Deutschland. Sie spricht mit uns darüber, was die Finanzbranche tun kann, um insbesondere junge Frauen stärker für Finanzen zu begeistern. In einem anderen Interview erklärt sie die Hintergründe des Custody- und Asset-Servicing-Geschäfts.

Frau Melvan, wir hatten uns ja bereits über das Asset-Servicing-Geschäft von BNY Mellon unterhalten, heute soll es um Diversity gehen. Welche Diversity- und Inklusions- (D&I)-Themen gehen Sie bei BNY Mellon an?
Wir haben mannigfaltige D&I-Programme, z.B. unser Women Initiative Network (WIN). Das ist ein Netzwerk innerhalb unserer Bank und hat weltweit ca. 7.700 Mitglieder. Es wurde 2009 in New York von unserer ehemaligen Präsidentin Karen Peetz gegründet. In Deutschland feiern wir dieses Jahr unser 10-jähriges Bestehen unseres WIN-Chapters. Hier geht es um Mentoring, Coaching, Weiterbildung, Kampagnen im Rahmen des Weltfrauentages, und so weiter.

Wir haben auch globale Mindeststandards implementiert, beispielsweise Elternurlaub von 16 Wochen bei vollem Gehalt. Oder eine globale Richtlinie für Pflegezeit: Pro Jahr 10 Tage für Pflege innerhalb der Familie. Und das als Bank mit 53.200 Mitarbeitern!

Gibt es konkrete Zielvorgaben für die einzelnen Bereiche, was D&I betrifft?
Ja, wir haben verschiedene Prozesse implementiert, um Equal Pay zu gewährleisten, mit regelmäßigen Überprüfungen. Wir engagieren uns auch extern, um die Erhöhung der Frauenquote voranzutreiben. Wir sind beispielsweise Unterzeichner der HM Treasury Women in Finance Charter. Damit verpflichten wir uns, den Frauenanteil im EMEA Senior Management bis Ende 2025 auf 33% zu erhöhen. Aktuell liegen wir mit 32.5% knapp unter diesen Zielvorgaben.

Außerdem haben wir bestimmte Business-Guidelines: Beispielsweise nehmen viele unserer Geschäftsbereiche nicht mehr an einer Podiumsdiskussion teil, wenn dort nur Männer vertreten sind.

Ist die Erreichung der Zielvorgaben Bonus- oder Vergütungsrelevant?
Ja, das sind sie!

BNY Mellon hatte auch eine Studie zum Thema Frauen und Investieren veröffentlicht. Welche Kernaussagen finden sich in dieser Studie?
Dass Frauen viel weniger investieren als Männer. Dafür gibt es Gründe: a) Die Ansprache. In der Fonds- und Asset-Management-Branche ist die Ansprache sehr auf männliche Kunden ausgerichtet. 90% der Befragten geben zu, einen männlichen Kunden vor Augen gehabt zu haben. Es wird auch eine sehr männliche Sprache genutzt: Begriffe aus Extremsportarten oder dem Hochleistungssport, wo sich eher Männer wiederfinden. Und dann das Thema Finanzjargon: Frauen stößt das eher ab, während es Männern das Gefühl gibt, einem exklusiven Club anzugehören. Die Marketing-Ansprache muss sich also ändern, wenn wir Frauen besser erreichen wollen.

Die Studie hat auch herausgefunden, dass Frauen glauben, dass sie viel verdienen müssen, bevor sie investieren können. Das war unterschiedlich von Land zu Land. Wir haben für die Studie 8.000 Frauen und Männer aus 16 Ländern interviewt, sowie 100 Asset Manager.

Was glauben denn Frauen, wieviel Geld sie benötigen, um investieren zu können?
Frauen glauben, dass sie 50.000 Dollar p.a. Gehalt brauchen, bevor sie investieren können. Das ist natürlich ein Mythos. Fakt ist: Hätte man in den letzten 10 Jahren monatlich 30 Euro in den S&P-Index investiert, dann hätte man heute ein Portfolio von 8.000 Euro, wobei man nur 3.600 Euro eingezahlt hat

Viele Frauen glauben, dass die Anlage am Aktienmarkt zu riskant ist. Fakt ist, dass es auch defensive Aktien gibt und dass sich das Risiko über Fonds diversifizieren lässt. Es muss also mehr Aufklärung stattfinden, damit die Menschen die Risiken richtig einordnen können.

Die Quintessenz der Studie ist: Wenn man Frauen dazu bringen könnte, in derselben Rate zu investieren wie Männer, würden weltweit 3,2 Billionen USD an zusätzlichem Vermögen zur Verfügung stehen.

Interessant ist auch: Frauen wollen wie Männer Rendite generieren. Aber zusätzlich will die Mehrheit der Frauen mit ihrem Geld Gutes tun – für den Planeten, die Gesellschaft, die Familie. Frauen sind also besonders an verantwortungsvollem Investieren interessiert. Mehr Frauen als Investorinnen – und überhaupt in der Finanzbranche – könnten also helfen, die moralischen Ansprüche in unserer Branche anzuheben.

Was erhofft man sich in Ihrem Haus daraus, wenn es im D&I-Bereich Fortschritte gibt?
Wir sind davon überzeugt, dass diverse Teams bessere Ergebnisse für die Bank bringen.

An was machen Sie das fest?
Indem wir bei den Einstellungen D&I verfolgen, können wir andere Talente finden. Beispielsweise haben wir eine tolle Kollegin, die seit über 5 Jahren bei uns ist. Sie ist damals aus dem Ausland nach Deutschland gezogen, und ein Headhunter hatte ihr damals gesagt, dass die Kandidatin drei Nachteile hätte: a) sie sei eine Frau, b) sie sei keine Deutsche, c) sie sei eine alleinerziehende Mutter. Wir haben sie eingestellt. Mittlerweile hat sie viele andere überflügelt, leitet jetzt einen wichtigen Bereich bei uns. Wir sind sehr froh, dass sie sich damals bei uns beworben hat und nicht auf die inadäquaten Kommentare des Headhunters gehört hat.

Das zeigt: Wenn man bei der Einstellung keine blinden Flecken hat, kann man noch mehr tolle Talente finden. In unserer Branche gibt es eigentlich auch keine Sprachbarrieren, solange man Englisch kann.

Was ist derzeit der größte Hemmschuh für Frauen in der Finanzbranche? An der Ausbildung wird es ja nicht liegen…
Wir erreichen nicht genug junge Frauen. Man muss sie schon in der Ausbildung oder im Studium erreichen. Wenn die sich schon mal festgelegt haben, ist es schwieriger, sie zurück zu gewinnen. Je größer der Pool an jungen Frauen ist, die Karriere in unserer Branche machen wollen, umso mehr Frauen können auch in Führungsetagen landen. Hier wollen wir aktiv bleiben und gern noch aktiver werden.

Was kann die Branche tun?
Diejenigen Frauen, die schon in Führungspositionen sind, sollten jungen Frauen als Role Model dienen. Wir müssen junge Frauen begeistern von unserer Branche und den Möglichkeiten, denn die sind einfach toll: Man kann gut verdienen, die Branche ist international, man kann wunderbar Karriere machen, wenn man das möchte.

Dazu sollten wir auch sehr junge Frauen ansprechen. Beispielsweise betreiben wir in Deutschland seit 2021 ein Coaching-Programm, zusammen mit der Organisation „Junior“: Student female coaching. Daran nehmen Schülerinnen der 11. Klasse teil, die durch unsere weiblichen Führungskräfte Coaching erhalten und sich austauschen können.  So zeigen wir bereits früh in der Entwicklung dieser jungen Damen berufliche Zukunftsperspektiven auf und begeistern sie für unsere Branche.

Was sollte die Branche insgesamt tun, damit mehr Frauen in die Führungsetagen der Finanzunternehmen kommen?
Wir sollten unser gesamtes Marketing stärker auf Frauen ausrichten. Die Ansprache sollte für Frauen geeignet sein. Insbesondere sollten wir ganz früh junge Talente für die Branche begeistern. Das hört sich einfach an: Ansprache und Marketing stärker auf Frauen ausrichten. Aber erst mal muss ja die Einsicht da sein!

Wir versuchen hier die ganze Branche mitzunehmen. Beispielsweise hatten wir am 25. September 2023 dazu ein Event in Frankfurt, gemeinsam mit DWS, Fidelity International, Deka, HansaInvest sowie Fondsfrauen. Da fand eine Panel-Diskussion und ein Networking Dinner statt, um das Bewusstsein für die Bedürfnisse der Frauen in der Branche zu schärfen.

Vielen Dank für die tollen Einsichten und das Engagement!

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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