Dr. Kim Heyden ist Senior Sales Managerin bei Fidelity International. Zuvor war sie im wissenschaftlichen Bereich tätig. Wir sprechen mit ihr darüber, wie es ist, als junge Frau im Finanzvertrieb zu arbeiten, und welche Aspekte bei ihrer Job-Wahl die größte Rolle gespielt haben.

Kim, wir haben uns 2022 kennengelernt bei der Tagung der Wirtschafts-Nobelpreisträger in Lindau. Wie bist Du auf diese prestigeträchtige Veranstaltung gekommen?
Dass ich 2022 an der Veranstaltung teilgenommen habe, verdanke ich eine Verkettung verschiedener Umstände. Als ich 2019 promoviert habe, wurde ich von meiner Professorin für eine Teilnahme an der Tagung vorgeschlagen. Leider musste das Event aufgrund der Pandemie dann zwei Mal verschoben werden, sodass ich erst 2022 teilnehmen konnte. Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr akademisch aktiv war, war die Teilnahme eine spannende Erfahrung für mich. Ich fand den Austausch in internationaler Atmosphäre sehr inspirierend.

Du hast also zunächst eine wissenschaftliche Karriere angestrebt. Wie kam es, dass Du Dich dann für einen Job in der Finanzbranche interessiert hast?
Während meines dualen Studiums war ich bei einer Regionalbank tätig. Erst danach bin ich in die Wissenschaft gegangen, um zu promovieren. Den Fokus meiner Doktor-Arbeit habe ich auf das Thema Investmentfonds gelegt und deren Performance und Mittelzuflüsse untersucht sowie die Nachhaltigkeit und Aktivität von Fondsmanagern. Anschließend habe ich mich entschlossen, einen Job im Vertrieb bei einem Asset Manager zu suchen.
Einige Dinge, die ich während meiner Promotion gelernt habe, kann ich auch heute im Vertrieb einsetzen. So ist es in der Wissenschaft beispielsweise wichtig, dass man seine Zuhörer überzeugen kann, wenn man sein Forschungspapier auf einer Konferenz präsentiert. Gleiches gilt im Vertrieb. Außerdem habe ich durch das wissenschaftliche Arbeiten ein hohes Durchhaltevermögen entwickelt. Bei einer Promotion kann es nämlich auch mal sehr zäh werden; ich musste dafür 3,5 Jahre am Ball bleiben. Dieses Durchhaltevermögen kommt mir nun auch im Vertrieb zugute.

Du bist Senior Sales Managerin bei Fidelity International. Erzählst Du uns, was Du typischerweise machst und ob mit diesem Job tatsächlich so viel Reisetätigkeit verbunden ist, wie viele annehmen?
Ich bin im Wholesale-Geschäft tätig und betreue dort Privat- und Regionalbanken. Es gehört zu meinen täglichen Aufgaben mich mit den Verantwortlichen in den Banken über das aktuelle Marktumfeld auszutauschen und potenzielle Lösungen vorzustellen. Die Banken nehmen unsere Fonds dann entweder in ihre Vermögensverwaltung auf oder werden Vertriebspartner. Darüber hinaus bin ich auch für verschiedene ESG-Aktivitäten zuständig und organisiere beispielsweise Web-Seminare oder Kunden-Workshops zum Thema ESG. Vor der Einführung der Nachhaltigkeitspräferenz-Abfrage, die ja seit letztem Jahr in der Anlageberatung gemacht werden muss, haben wir beispielsweise einen Leitfaden erarbeitet. Dieser sollte unsere Vertriebspartner bei der Umsetzung der Vorgaben unterstützen und wir haben dafür viele positive Rückmeldung erhalten. Zusammenfassend kann ich sagen, dass mein Vertriebsjob unglaublich abwechslungsreich ist und ich mir eigentlich keine interessantere Tätigkeit vorstellen kann.

Musst bzw. darfst Du viel reisen?
Generell muss man schon bereit sein zu reisen, wenn man einem Job im Vertrieb nachgeht. Allerdings kommt es sehr darauf an, in welchen Regionen die eigenen Kundinnen und Kunden sitzen. Ebenso finden heutzutage auch immer mehr Meetings digital statt. Ich würde schätzen, dass circa jedes vierte meiner Meetings derzeit virtuell stattfindet. Virtuelle Meetings sind eine gute Zeitersparnis und reduzieren zugleich den CO2-Fußabdruck. Das unterstützt uns auch bei unserem Ziel bis 2030 im operativen Geschäft Net Zero zu erreichen.

Hast Du eine Idee, warum im Bereich Sales eher weniger Frauen zu finden sind, zumindest viel weniger als in Marketing?
Bei Fidelity arbeiten einige Frauen im Sales. Bei uns im Wholesale-Team ist das Verhältnis sogar ziemlich ausgewogen. Aber du hast natürlich recht, dass es in der Finanzbranche insgesamt mehr Männer im Vertrieb gibt. Ein Grund hierfür sind sicherlich die vielen nach wie vor vorherrschenden Vorurteile. Viele Frauen gehen wahrscheinlich davon aus, dass man im Sales die gesamte Woche über auf Reisen ist, und das eine Vertriebstätigkeit folglich nur schwer mit einer Familienplanung in Einklang gebracht werden kann. Wie vorhin bereits erwähnt, ist es heutzutage aber durchaus möglich einige Meeting virtuell abzuhalten. Ebenso bieten viele Unternehmen Maßnahmen an, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Work-Life-Balance im Allgemeinen zu verbessern. Wir bei Fidelity International bieten beispielsweise flexibles und hybrides Arbeiten an. Das heißt, dass alle Angestellten sich ihre Zeiten flexibel einteilen können und Home-Office möglich ist. Ebenso erhalten alle Mitarbeitenden bei Bedarf fünf Tage Family Care Leave. Dies sind zusätzliche Urlaubstage, die für die Betreuung der Familie genutzt werden können. Und dies sind nur zwei der vielzähligen Maßnahmen, die wir bei Fidelity International umsetzen.
Gerne möchte ich Frauen dazu motivieren eine Vertriebstätigkeit als mögliche Karriereoption zu betrachten. Denn viele von uns Frauen bringen wichtige Eigenschaften, wie Kommunikationsstärke, Empathie und Organisationstalent mit, die im Sales sehr wichtig sind.

Hattest Du in Deiner Sales Tätigkeit jemals eine eigenartige Situation aufgrund der Tatsache, dass Du eine Frau bist?
Insgesamt finde ich, dass die Branche das Thema Diversität mittlerweile ziemlich ernst nimmt. Im akademischen Bereich sehe ich beispielsweise deutlich mehr Aufholpotenzial. Folglich habe ich auch keine allzu eigenartigen Situationen erlebt. An eine Situation kann ich mich aber dennoch erinnern: Damals war ich die zuständige Ansprechpartnerin für eine Bank. Der Vertreter der Bank fragte mich immer wieder, ob er mit meinem Kollegen sprechen könne. Hier habe ich deutlich gemerkt, dass dieser lieber eine männliche Kontaktperson gehabt hätte.
Ich möchte jedoch auch noch von einem positiven Erlebnis berichten: Kürzlich habe ich bei einer Bank eine Präsentation gehalten und der gesamte Teilnehmerkreis war männlich. Das kommt schon gelegentlich vor. Der Leiter sagte dann, dass ich die einzige Frau im Raum bin, da sie bisher leider keine Frau für die Abteilung gewinnen konnten und machte mir dann im Spaß ein Jobangebot. Die Tatsache, dass ich die einzige Frau war, wurde hier direkt als „Problem“ wahrgenommen. Das Bewusstsein ist also schon vorhanden.

Was waren die zwei wichtigsten ausschlaggebenden Kriterien, dass Du Dich bei Fidelity International beworben hast?
Fidelity International war mir als einer der großen Fondsanbieter ein Name und mich hat die internationale Präsenz und das breite Produktangebot gereizt. Fast noch wichtiger waren mir aber die weichen Faktoren. Denn Fidelity setzt sich stark für Diversität und die dazugehörige Geschlechtervielfalt ein und fördert Frauen aktiv. Das war mir bereits aufgefallen, bevor ich meine Tätigkeit bei Fidelity startete. So hat Fidelity beispielsweise die Charta Women in Finance unterzeichnet und als eines der expliziten Unternehmensziele festgesetzt, mehr Frauen in die gesamte Belegschaft und in Führungspositionen zu bringen. Dem Ziel Ende 2023 circa 35 Prozent weibliche Führungskräfte zu haben sind wir diesen Sommer bereits sehr nahegekommen (34,1 Prozent, Stand Juni 2023). Ebenso bietet Fidelity auch attraktive soziale Komponenten an, wie die integrative Elternzeit für Männer und Frauen. Ebenso führt Fidelity regelmäßige Genderpaygap-Analysen durch, um die Gehälter geschlechtergerecht aufzustellen.

Und in der Berufspraxis, was sind die wichtigsten Pluspunkte, die das Arbeiten bei Fidelity International interessant und angenehm machen?
In meinen früheren Tätigkeiten gab es eher hierarchischen Strukturen. Bei Fidelity sind die Hierarchien hingegen flach. Ich mag diese flexible und moderne Unternehmenskultur, die wir hier wirklich alle leben. Alle Kolleginnen und Kollegen sind ansprechbar; das Ergebnis steht im Vordergrund. Mir gefällt die internationale Atmosphäre besonders und ich darf über verschiedene Projekte mit Kollegen aus aller Welt zusammenarbeiten.
Es werden auch regelmäßig anonyme Umfragen durchgeführt, bei denen unter anderem Verbesserungspotenziale und das Befinden der Mitarbeitenden abgefragt wird.
Zusätzlich fördern natürlich auch Veranstaltungen wie Sommerfeste oder Get-togethers die Arbeitsatmosphäre.

Firmen und Veranstalter bemängeln oft, dass sich nur wenige Frauen für Jobs oder für Panels finden lassen. Du hast Dich in der Finanz-Branche beworben und sprichst auch oft auf Panels. Was rätst Du, wie spricht man Frauen am besten an, dass sie auf einem Panel reden? Was könnte bei der Ansprache anders sein als bei Männern?
Im ersten Schritt sollte unsere gesamte Branche dazu beitragen, die Finanzbranche für Berufseinsteigerinnen und – einsteiger greifbarer zu machen. Speziell in der jüngeren Generation hat die Finanzbranche keinen allzu positiven Ruf. Gastvorträge an Hochschulen können dazu beitragen, dass sich mehr junge Leute für die Finanzbranche begeistern. Auch auf Karrieremessen könnte sich die Branche besser präsentieren und zeigen, wie vielfältig sie ist. Dort könnte man auch stärker die Vereinbarkeit von Beruf und Familie herausstellen.
Was die Ansprache von Frauen betrifft, glaube ich nicht, dass diese sich inhaltlich unterscheiden muss. Worauf Veranstalter jedoch achten sollten ist, dass sie nur Expertinnen ansprechen, die gut zum diskutierten Fachgebiet passen. Sie sollten einer Expertin nämlich nie das Gefühl vermitteln, sie nur anzusprechen, weil sie weiblich ist.

Wie wichtig ist es für Dich, vernetzt zu sein?
Ich persönlich finde das sehr wichtig. Ich bin froh, dass die Pandemie abgeklungen ist und ich wieder Menschen auf Veranstaltungen und Messen treffen kann. Gerade für einen Job im Vertrieb ist dieser persönliche Austausch wichtig.

Vielen Dank Kim, für dieses inspirierende Gespräch!

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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