Charlotte Bänninger, ist Head Fixed Income und President of UBS Asset Management Switzerland AG. Fondsfrau Anke Dembowski spricht mit ihr über ihre Karriere und warum sie gern mit Frauen zusammen arbeitet.
Charlotte, Du kannst auf eine tolle Karriere im Asset Management zurückblicken. Welche Entwicklung speziell bei den Chancen für Frauen konntest Du in dieser Zeit beobachten?
Ich startete 1987 als Trainee bei der UBS (damalige SBG) meine Berufskarriere, rund zwei Monate vor dem Black Monday 1987. Ich kam damals frisch von der Universität und hatte kaum Praxiserfahrung, war jedoch froh, dass in diesem Ausbildungsprogramm auch andere Frauen waren. Mein erster Stage war an der Börse, gefolgt vom Research, und schließlich kam ich ins Portfolio Management. Nach meinem Trainee-Programm wollte ich gerne im Portfolio Management bleiben, da es mir dort am besten gefallen hat. Aber mein damaliger Vorgesetzter bei der SBG hatte Bedenken, eine Frau als Portfolio Managerin einzustellen. Das war 1989, zu dieser Zeit gab es bei der SBG keine Frauen im Portfolio Management. Als jedoch sein Vorgesetzter ihn aufforderte, „Fräulein Bänninger“ einzustellen, klappte es schliesslich dennoch. Das Bankenumfeld war damals noch viel stärker männlich geprägt als heute, aber das hat mich eigentlich nie gestört. Ich hatte eine gute Freundin und Arbeitskollegin im Range eines Directors, die den Emerging-Markets-Desk leitete. Als sie Mutter wurde, wollte sie gerne 80 % arbeiten. Das ging damals absolut nicht und so machte sie sich selbstständig.
Und wie ging es bei Dir weiter?
Ich hatte Freude an meinem Job und als ich später in eine Führungsposition für die Schweiz kam, haben die ersten Frauen mit mir zusammengearbeitet. Das fand ich toll. Mit einer Arbeitskollegin arbeite ich nun schon seit 25 Jahren zusammen. Über die Zeit kamen immer mehr Frauen zu uns, und in meinem Team in Zürich waren wir teilweise bis zu 50 Prozent Frauen. Auch heute noch sind die Head of Fixed Income Research, Head Investment Specialist, Head Euro Corporate Strategie sowie Head PM Quantitative alles Frauen und sitzen in Zürich. Ich glaube, dass es in der Schweiz nicht viele Investment-Teams mit einem so guten Frauenanteil gibt. Ebenso haben wir insgesamt bei UBS schon einige Frauen in Senior-Positionen, was von der Geschäftsleitung gefördert wird.
Wie wirkt das auf andere Frauen? Zum Beispiel auf solche, die sich bei der UBS bewerben wollen?
Es ermutigt Frauen ganz klar, sich bei uns zu bewerben. Sie sehen, dass an der Spitze eine Frau ist und auch sonst das Team sehr divers ist. Das ist eine deutlich geringere Hürde, sich wohl zu fühlen als in einem Team, das ausschliesslich aus ‚middle aged white men‘ besteht. Und auch für mich ist es sehr angenehm, mit einem gemischten Team zusammen zu arbeiten.
Inwiefern das?
Portfolio Management ist ja eine sehr analytische, zahlenlastige Geschichte. Wenn mehr Frauen im Team sind, gibt es mehr Kommunikation und die Stimmung ist einfach besser, weil sie aufgelockerter ist. Dann kann man auch mal leichter Kritik anbringen oder einen Teamkollegen bitten, etwas anders zu machen.
Hat es sich zufällig ergeben, dass in Deinem Team so viele Frauen sind, oder hast Du gezielt darauf hingearbeitet?
Das ist kein Zufall. Es ist ja allgemein bekannt, dass gemischte Teams bessere Performances abliefern, einfach weil sie unterschiedliche Vorgehensweisen haben, mit denen sie die Märkte betrachten. Ich finde es toll, wenn wir diversifiziert und aus vielen verschiedenen Blickwinkeln diskutieren.
Das Bewusstsein gibt es aber nicht nur bei mir im Team. Seit Ende 2019 ist Suni Harford President UBS Asset Management und auch für sie ist „Diversity & Inclusion“ ein wichtiges Thema. Und Aleksandar Ivanovic, Head Client Coverage und Chef Region Schweiz&EMEA UBS Asset Management, fördert dasselbe in einer Arbeitsgruppe für UBS Region Schweiz.
Natürlich ist es nicht immer einfach, für einen vakanten Posten eine Frau zu finden. Die Fondsfrauen haben ja die Studie „Fearless Girls“ gemacht, wo wir auch Sponsor waren. Die Studie hat gezeigt, dass Frauen im deutschsprachigen Raum noch nicht so offen sind für ein Studium im Finanzbereich. Ich habe hingegen gehört, dass es beispielsweise in Spanien ganz selbstverständlich ist, dass Frauen Mathematik studieren.
Wie sieht es sonst international aus?
Wir diskutieren das oft mit meinen Peers in den USA, London und Asien. Es geht ja nicht nur um Gender-Diversifikation, auch der kulturelle Hintergrund spielt eine wichtige Rolle. Wir sind im Zürich-Team 25 Leute aus neun unterschiedlichen Nationen. Unterschiedliche berufliche Hintergründe sind ebenfalls wichtig, wir brauchen nicht nur Mathematiker, Finanzwissenschaftler und Quants. Die Erfahrung zeigt, dass Mitarbeitende, die in der Schweiz sehr erfolgreich eine vierjährige Banklehre abgeschlossen haben, extrem leistungsorientiert und erfolgreich sind. Außerdem wird die Generationen-Diversity wieder wichtiger, insbesondere wenn weniger Arbeitskräfte auf den Markt kommen. Die Erfahrung von älteren Mitarbeitenden ist wichtig und davon kann ein Unternehmen profitieren.
Wie ist das, wenn Mitarbeiterinnen Kinder bekommen? Können sie dann ihre Karriere weiter verfolgen?
Ja, bei uns im Team haben vier Kolleginnen Kinder und das geht sehr gut. Mittlerweile, muss ich sagen, denn früher wäre das schwierig gewesen. Es zeigt sich aber, dass Frauen/Mütter im Teilzeitpensum sehr effizient arbeiten. Sofern die Stellvertretung geregelt und die Mitarbeiterin flexibel und zu Hause gut organisiert ist, kann man auch in einer Portfolio-Management-Funktion Teilzeit arbeiten. Bei meiner ersten Mitarbeiterin in einem 80 %-Pensum hat das am Anfang gar niemand bemerkt. Es scheint auch, dass die Damen froh sind, wenn sie an ein paar Tagen der Woche einen Tapetenwechsel haben und von zu Hause wegkommen. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Mitarbeiterinnen gemacht, die Kinder haben.
Du leitest bei UBS Asset Management den Fixed-Income-Bereich und verantwortest in dieser Funktion 270 Milliarden Schweizer Franken verwaltetes Vermögen. Wie gehst Du mit dieser Verantwortung um? Kannst Du nachts ruhig schlafen?
Ja, ich habe einen gesunden Schlaf. Die einzigen schlaflosen Nächte hatte ich während der Finanzkrise, als die Finanzmärkte verrücktspielten und UBS in einer angespannten Lage war. Inzwischen sind unsere Prozesse und IT-Systeme zusätzlich verbessert worden. Ausserdem ist es hilfreich und wichtig, dass ich selber 20 Jahre lang Portfolios gemanagt habe. Ich weiss also, um was es geht. Zudem bin ich sehr gut organisiert. Ich habe dedizierte Regional Heads – in Amerika, Großbritannien, Asien und in der Schweiz. Mit diesen Kollegen arbeite ich teilweise schon über zehn Jahre zusammen. Unsere Zusammenarbeit basiert auf klaren Verantwortlichkeiten, Erfahrung, gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Des Weiteren haben wir gut ausgebaute Compliance, Legal & Risk Teams bei der UBS, wodurch sichergestellt ist, dass laufend unabhängige Checks & Balances stattfinden.
Wie lenkst Du so ein internationales Team?
Wie gesagt habe ich regionale Verantwortungsträger sowie eine Head Research und eine Head Investment Specialists (beide übrigens Damen). Das ist mein Management-Team. Hier besprechen wir die Geschäftstätigkeit, Headcounts, IT, Strukturen, etc. Daneben leite ich das Fixed Income Investment Forum. Hier besprechen die zehn erfahrensten Fixed Income Investment-Strategen die Großwetterlage an den Märkten und setzen die Strategie fest. Mit dem Setup von Regional Heads und einem Anlagekomitee sind die Verantwortlichkeiten klar definiert. Ein gut zusammengesetztes Team ist viel erfolgreicher. Ausserdem ist gegenseitiges Vertrauen und Respekt wichtig, insbesondere auch, um Kritik als Herausforderung anzunehmen und nicht als Beschwerde. Ich bin froh, wenn mir meine Leute sagen, „dies oder das ist nicht so gut!“ Man sitzt ja nicht im Glashaus und macht seine Sache ganz allein. Deshalb kann ich gut schlafen, auch jetzt im März und April, als die Märkte verrücktspielten.
Wie erholst Du Dich von der Arbeit?
Im Moment arbeite ich ja überwiegend von zu Hause aus. Da ist natürlich die Versuchung groß, dass ich mich morgens um 8 Uhr an den Schreibtisch setze und bis abends um 7 Uhr arbeite. Was ich jetzt konsequent mache, wenn es geht: Ich gehe für eine Stunde raus zu einem schnellen Walk und lüfte den Kopf. Das tut gut! Am Wochenende kann ich mich auch sehr gut erholen, beispielsweise spiele ich gerne Golf. Da bin ich draußen in einer schönen Umgebung und konzentriere mich vier Stunden nur auf den Ball – das tut auch gut!
Du führst ein Team von über 130 Investment-Spezialisten. Lassen sich Frauen anders lenken als Männer? Oder haben Männer ein Problem damit, wenn sie mit Dir eine Frau als Chefin haben?
Nein, ich habe vor 20 Jahren zum ersten Mal eine Führungsposition bekommen. Damals gab es noch keine so guten Führungs-Trainings wie jetzt. Ich habe selbst gelernt, was geht und was nicht geht. Man kann fair sein und hart, das schließt sich nicht aus. Man muss natürlich auch als Frau durchgreifen und unangenehme Entscheidungen fällen können. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber vermutlich kann ich dann solche Entscheidungen besser rüberbringen als vielleicht ein Mann, weil ich es auf eine andere Art mache – empathischer. Man muss sich auch in das Gegenüber hineinversetzen können. Das habe ich mit der Zeit gelernt.
Was tut Dein Arbeitgeber, UBS Asset Management, in Sachen Diversity?
Da gibt es viel. Wir haben beispielsweise unser Graduate-Talent-Programm. Hier ist unser Ziel, dass wir einen gleichen Anteil an weiblichen und männlichen Absolventen hineinbringen, einfach um den Pool an jungen Nachwuchskräften gut gefüllt zu haben. Aber klar ist auch: Meritokratie steht an oberster Stelle, da wir nicht einfach Frauen anstellen können, weil sie Frauen sind. Etwas anderes würde ich auch nicht unterschreiben. Wenn ich zwei Bewerber hätte und sie wären wirklich beide gleich gut qualifiziert, dann würde ich die Frau nehmen. Wenn aber der Mann besser wäre, würde ich ihn nehmen. Wir haben auch ein Programm das sich „Career Comeback“ nennt. Das Programm ist für Fachfrauen, welche nach einer Pause wieder in die Arbeitswelt einsteigen wollen.
Unter meinen Peers diskutieren wir das Thema „Diversity & Inclusion“ gründlich, und wir haben auch verschiedene Projekt-Teams, je nach Thema. Wir diskutieren hier beispielsweise, was wir tun können, um das Interesse junger Frauen am Finanzwesen zu wecken. Wenn sie an der Uni sind, ist es zu spät. Wir kamen zum Schluss, dass bereits Aufklärungsarbeit an den Kantonsschulen wichtig ist, also kurz vor der Matura oder dem Abitur, bevor entschieden wird, welches Studium man antreten will. Wir müssen die Schreckgespenster, die solche Filme wie „Wolf of Wallstreet“ produzieren, wegbekommen. So ist es ja heute überhaupt nicht mehr, und ich glaube, ganz so war es nicht mal in den 80er Jahren!
Wie sieht es international bei UBS Asset Management aus?
Interessant ist: Wenn ich in das Büro meines Teams in Hong Kong komme, sehe ich fast keine Männer, sondern überwiegend Frauen. Oder auch in unserem Training-Programm für Hochschulabsolventen. Da haben wir zwei Damen in Singapur und Shanghai, und die haben wir jetzt als Junior Portfolio Manager respektive Junior Analyst angestellt. In Amerika haben wir bis jetzt leider nicht so viele Frauen in Portfolio-Management-Funktionen. Was auch interessant ist: Im Sustainability-Team haben wir hingegen viele Frauen.
Du bist auch Vizepräsidentin der AMAS (Asset Management Association Switzerland). Wie ist es in diesem Verband um Frauen bestellt?
Es freut mich sehr, dass die Chefin von BlackRock Schweiz, Mirjam Staub-Bisang, auch im Vorstand ist. Hier sind wir also zwei Damen im Vorstand und auch auf Geschäftsführungsebene des Verbands sind einige Frauen. Da sind wir in der Schweiz weiter als in Deutschland, wo der BVI ja einen rein männlichen Vorstand hat.
Du bist im Beirat der Fondsfrauen Schweiz. Was bedeutet diese Tätigkeit für Dich?
UBS und auch ich persönlich unterstützen die Fondsfrauen, weil wir wollen, dass Frauen auf die Finanzbranche und deren interessante Karrieremöglichkeiten aufmerksam werden. Wir wollen hier das Bewusstsein wecken und deutlich machen, dass Frauen auch in der Schweizer Finanzbranche wichtig sind. Frauen sollten zusammenfinden und Ideen austauschen. Ich finde es immer toll, dass bei den Anlässen der Fondsfrauen hier in Zürich rund 100 Damen zusammen kommen.
Kannst Du Frauen, die sich für eine Karriere in der Asset-Management-Branche interessieren, ein paar Tipps mit auf den Weg geben?
Sie sollten nie die Männer kopieren, sondern sie selbst bleiben. Neugierde, Bereitschaft, die Extrameile zu gehen und Durchhaltevermögen sind wichtig. Ausserdem hilft eine gesunde Portion Selbstbewusstsein. Mein Credo ist: „work hard, work smart, and deliver!“ – also nicht nur Ansprüche stellen, sondern auch liefern. Es geht nicht immer nur rauf, sondern zwischendurch auch mal runter. Gerade die jüngeren Mitarbeitenden, egal ob Damen oder Herren, sind es oft gewohnt, dass es immer rauf geht, aber man muss mit Rückschlägen umgehen lernen, um erfolgreich zu sein.
Vielen Dank für dieses tolle Gespräch, Charlotte!
Zu Charlotte Bänninger
Charlotte Bänninger ist Global Head Fixed Income bei UBS Asset Management. In dieser Funktion verantwortet sie CHF 270 Milliarden verwaltetes Vermögen in globalen festverzinslichen Anlagen und Geldmarkt-Strategien. Sie führt ein Team von über 130 Investment Spezialisten. Sie ist zudem Vorsitzende des Fixed Income Investment Forums und Fixed Income Management Teams.
Charlotte wurde 2020 zur Präsidentin von UBS Asset Management Switzerland AG ernannt. In dieser Position leitet sie das Swiss Executive Board und die Geschäfte von UBS Asset Management Switzerland AG. Ihre Rolle als Head of Investments, UBS Switzerland AG behält sie bei. Ferner ist Charlotte Vizepräsidentin von SFAMA (Swiss Fund and Asset Management Association).
Vor Ihrer Tätigkeit als Global Head Fixed Income hatte Charlotte ab 2001 die Position als Head Fixed Income Schweiz bei UBS Asset Management inne. Während dieser Zeit war sie maßgeblich am Aufbau des Schweizer Franken Anleihenportfolios mit einem verwalteten Vermögen von über CHF 40 Milliarden beteiligt.
Charlotte begann ihre berufliche Laufbahn 1987 bei der ehemaligen Schweizerischen Bankgesellschaft (UBS) als Graduate Trainee und war bis 2001 Portfoliomanager und Abteilungsleiter.