Ilse Munnikhof ist Head of Investment Advice bei ING Deutschland in Frankfurt. In ihrer Verantwortung liegt die Einführung der digitalen Anlageberatung, ebenso wie die Weiterentwicklung der Kooperation mit dem Vermögensverwalter Scalable Capital. Sie ist neu im Beirat der Fondsfrauen. Wir sprechen mit Ilse über Frauen im Job und Frauen und Wertpapiere.

Ilse, was bedeutet es für Dich, in den Beirat der Fondsfrauen zu kommen?
Ich habe Anne vor zwei Jahren auf dem Börsentag kennengelernt, bei einem Podium „Rendite ist weiblich“. Besucher solcher Börsentage sind zu 90 % Männer. Das möchte ich schon lange ändern. Auch bei der ING Deutschland sind nur etwa 30 % der Wertpapier-Kunden weiblich. Als ich das vor einigen Jahren angesprochen habe, hieß es nur: „Frauen sind halt nicht so wertpapier-affin.“ Dem wollte ich nachgehen. Ja, Frauen verdienen meist weniger und ziehen sich auch eher mal auf einen Teilzeit-Job zurück als Männer. Aber dennoch können sie in Wertpapiere investieren. Um Frauen für Wertpapiere zu begeistern, habe ich schon vor fünf Jahren begonnen, sie gesondert anzusprechen. Damals war das noch was Neues. Ich will Frauen zielgerichteter informieren, mit einer einfacheren, schnelleren Ansprache.

Nanu, muss man Frauen alles ein bisschen einfacher erklären?
Nein, aber Frauen bevorzugen es, wenn man ihnen die Dinge strukturiert und von Anfang an erklärt, nichts dabei voraussetzt. Jede hat ja einen anderen Wissensstand. Unsere Kundinnen und Kunden sollen nicht denken „auf dem Level bin ich noch gar nicht“. Dazu bitte ich schon mal unsere neuen Kolleginnen und Kollegen, die ich für unseren für Ende 2020 geplanten neuen Service in der Wertpapier-Beratung einstelle, mir einen ETF zu erklären. Ein Kollege hat gleich mit dem DAX angefangen, also vorausgesetzt, dass jeder weiß, was der DAX ist. Viele unserer Kundinnen und Kunden jedoch wünschen sich eine Erklärung der Begriffe „DAX“ oder „Anleihe“. Frauen sind kritischer, auch mit sich selbst. Wenn zu viel vorausgesetzt wird, schalten sie schneller ab, während Männer eher so tun, als würden sie alles verstehen. Eine Frau denkt: „Da bin ich raus!“. Wir wollen, dass die Beratung am Anfang beginnt und logisch und vor allem strukturiert aufgebaut ist.

Warum ist es wichtig, dass Frauen Wertpapier-Vermögen aufbauen?
Da es für Spareinlagen keine oder nur sehr wenig Zinsen gibt, die nicht mal die Inflation ausgleichen, ist eine Investition in Wertpapiere sinnvoll. Frauen legen – im Gegensatz zu Männern – eher mal eine Job-Pause ein oder arbeiten in Teilzeit. Um diese Einkommenslücken auszugleichen, sollten gerade Frauen überlegen, den Schritt in die Wertpapier-Anlage zu wagen. Hinzu kommt, dass statistisch gesehen Frauen im Schnitt vier Jahre länger leben, d.h. sie brauchen sogar eher mehr Geld als Männer.

Wie willst Du es bewerkstelligen, dass die Beratung bei der ING mehr auf Frauen zugeschnitten wird?
Wir wollen ja den Vertrieb für Wertpapiere bei der ING ganz neu aufbauen. Ich möchte dazu ein kompetentes, gemischtes Team aufbauen. Das ist aber nicht ganz leicht. Ich hätte gerne eine weibliche Führungskraft, doch unter den Bewerbungen, die uns erreichten, waren leider nur wenige Frauen. Der Headhunter, den wir eingesetzt hatten, hat uns keine einzige Frau vorgeschlagen. In der Beraterschaft sieht es schon besser aus, da ist das Verhältnis etwa 60:40. Insgesamt hätte ich gerne noch mehr Frauen im Team.

Woran liegt es, dass sich für das Vertriebs-Team nur so wenige Frauen bewerben?
Um sich im Vertriebs-Team bewerben zu können, muss man selbst mal in der Beratung gewesen sein, und außerdem braucht es Führungserfahrung; die haben aber vergleichsweise weniger Frauen. Also nehmen wir das selbst in die Hand. Wir entwickeln unsere Anlageberaterinnen weiter, um sie zu zukünftigen Führungskräften zu machen.

Was bietet denn die ING derzeit bei der Wertpapierberatung?
Wir führen die Anlageberatung jetzt erst ein, denn bisher bieten wir bei der ING nur unser Direktdepot und die Vermögensverwaltung mit dem Robo-Advisor Scalable Capital als unseren Partner an. Unter unserer eigenen Marke haben wir bislang noch keine Wertpapierberatung gemacht. Dazu baue ich jetzt eine digitale Beratungsstrecke auf. Am Ende wollen wir eine konkrete Empfehlung für einen bestimmten ETF-Dachfonds geben, der unter der Marke ING steht. Mit diesem Angebot planen wir, Ende des Jahres live zu gehen. Damit wollen wir unsere Sparkunden ermutigen, den Schritt in die Wertpapier-Welt zu wagen.

Du warst ja bei der Einführung der Kooperation mit Scalable Capital dabei, was war Dein Eindruck dort?
Bei Scalable Capital gibt es auch mehr männliche als weibliche Investoren. Womöglich liegt das daran, weil dort die Wertpapier-Anlage sehr technisch kommuniziert wird. Dort wird auch ganz selbstverständlich von ETFs gesprochen, und der Screen sieht fast aus wie ein Bloomberg-Screen, also sehr tech-lastig. Als erstes haben bei Scalable Capital auch überwiegend Bank-Mitarbeiter oder Menschen aus der IT-Branche investiert – dort gibt es nun mal weniger Frauen. Scalable Capital arbeitet aber stetig an mehr Ausgewogenheit, so hat man z.B. spezielle Formate für Frauen eingeführt.

Was könnte Frauen hier helfen?
Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, weibliche Vorbilder zu zeigen, die veranschaulichen, wie es eben auch geht. Mir macht es großen Spaß, meine Erfahrungen in Sachen Wertpapieranlage mit anderen Frauen zu teilen und sie zu ermutigen und zu unterstützen, ihr Ding zu machen. Das gilt auch für die ING. Wie auch immer die Menschen weiterkommen wollen, welche Ziele sie auch immer haben und was ihrem Leben Sinn verleiht: Wir glauben, dass jeder eine Bank verdient, die ihn oder sie dabei einfach und unkompliziert unterstützt.

Darüber hinaus bemerke ich in Deutschland zum Teil einen gewissen sozialen Druck, das Leben auf eine bestimmte Art und Weise zu gestalten. Mein Eindruck: Wenn eine Frau ein Jahr Elternzeit nimmt, ist das akzeptiert, aber alles was davon abweicht, ist oft erklärungsbedürftig. Ich komme aus den Niederlanden, da geht es eher nach dem Motto „Leben und leben lassen“. Jeder sollte sein Leben so einrichten, wie er oder sie es sich gestalten will. Mir ist es ein persönliches Anliegen, diese Haltung einerseits intern zu leben, und andererseits nach außen zu tragen.

Vielen Dank für das Gespräch, und wir freuen uns, dass Du in den Beirat der Fondsfrauen kommst!

Ilse Munnikhof, Head of Investment Advice, Frankfurt, ING Deutschland
In Ilse Munnikhofs Verantwortung liegt die Einführung der digitalen Anlageberatung bei ING Deutschland, ebenso wie die Weiterentwicklung der Kooperation mit dem Vermögensverwalter Scalable Capital.
Ilse hat ihre Karriere im Finance-Bereich begonnen. Nachdem sie CFA Charterholder wurde, wechselte sie in ein globales Wertpapier Team der ING, wo sie sich um die Implementierung der FinTech-Kooperation mit dem Robo-Advisor Scalable Capital kümmerte.
In dieser globalen Rolle bemerkte sie immer mehr, dass Frauen in der Regel seltener investieren als Männer. Dies ist mit einer der Gründe, warum Frauen im Schnitt weniger Vermögen aufbauen als Männer. Seitdem ist es ihre persönliche Mission und Leidenschaft, Frauen dabei zu unterstützen, den ersten Schritt in die Welt der Wertpapiere zu wagen.
Kurz nach dem Start der Vermögensverwaltung gemeinsam mit Scalable Capital wechselte Ilse als Business Managerin zu Nick Jue, Deutschlandchef der ING sowie Head of Germany Region. Für die nächsten gut zwei Jahre begleitete sie so die Transformation zur ersten agilen Bank Deutschlands mit.
Ilse hält einen Master in Versicherungsmathematik der Katholieke Universiteit Leuven und ist stolzes Mitglied und Lead Sängerin der Swinging Lions, der Firmenband der ING.

Foto: ING

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

Förderer