Wenn man unweit des Eurotower und der Commerzbank-Zentrale in die Büroräume der Frankfurter Personal-Agentur Indigo Headhunters im 17. Stock fährt, spürt man sofort ein frisches, helles Ambiente: Die leicht wirkende Einrichtung, die gefrosteten Glastüren, die angenehme Begrüßung. Vier der sechs Partner von Indigo Headhunters sind weiblich, und das macht sich irgendwie bemerkbar, ohne dass man konkret sagen kann, woran das liegt. Dr. Karin Schambach ist eine der Partnerinnen und auch Geschäftsführerin der Personal-Agentur, die sich auf die Branchen Asset Management, Banking, Versicherungen, Alternative Investment und Automotive & Mobility Services spezialisiert. Im letzten Ranking der Wirtschaftswoche fiel Indigo unter die beliebtesten vier Personalberater für die Finanz-Branche. Fondsfrau Anke Dembowski spricht mit Dr. Karin Schambach über die Chancen von Frauen, eine Führungsposition zu erlangen.

Frau Dr. Schambach, können Sie einen Trend ausmachen, dass es von Unternehmen aus der Finanzbranche derzeit mehr Nachfrage nach weiblichen Mitarbeitern gibt?
Ja, insgesamt ist das Thema Diversity größer geworden. Bei ausländischen Gesellschaften gibt es keine Personalsuche mehr ohne die Anforderung, dass Frauen auf der Liste sein müssen. Auch wenn auf der Shortlist keine Frauen sind, kommt dort aus dem Headquarter die Frage, warum die Frauen im Rahmen des Recruiting-Verfahrens herausgefallen sind, und wir müssen das dann sehr genau begründen. Im Rahmen der Diversity-Überlegungen von internationalen Firmen spielen sowohl Gender als auch die ethnische Herkunft eine große Rolle. Bei den deutschen Gesellschaften sehe ich das weniger bis gar nicht.

Warum, meinen Sie, ist das so?
Ich vermute, dass das Thema den deutschen Firmen noch nicht so wichtig ist. Und außerdem kennen sie natürlich den Markt.

Wie lauten dann die typischen Aufträge, die Sie erhalten, wenn es speziell um weibliche Mitarbeiter geht?
Das wird durchaus konkret formuliert, beispielsweise „Wir hätten auch gerne eine Frau dabei“ oder „Wir würden uns sehr über einen Frauenanteil freuen“. Deutsche Unternehmen sind hier zurückhaltender; hier liegt die Betonung darauf, dass Frauen erwünscht sind. Besonders ausgeprägt ist der Druck bei amerikanischen Unternehmen.

Es wird oft behauptet, es sei viel schwieriger, weibliche Führungskräfte zu finden als männliche, weil es davon deutlich weniger gebe. Ist das tatsächlich noch der Fall, oder wächst mehr weibliches Potenzial nach?
Es ist schon so, dass von unten gute Frauen heranwachsen. Aber Fakt ist auch: In der gesamten Finanzbranche ist das weibliche Potenzial gegenüber den Männern immer noch marginal. In der Medizinbranche ist das umgekehrt. Da machen die Mädchen das gute Abitur, schaffen den Numerus Clausus und studieren Medizin.

Wo gehen dann die Frauen hin, die vielleicht einmal BWL oder VWL studiert haben? In den Studiengängen sind ja Frauen und Männer mehr oder minder gleichstark vertreten.
Die Frage ist wirklich, wo die vielen Frauen landen. Es gibt im Finanzbereich schon einige starke Frauen, die Karriere machen. Die haben auch das gleiche Alter wie ihre männlichen Peers. Und ich muss sagen: Für eine gute Frau sind heute die Chancen, an die Spitze zu kommen, größer als für Männer. Das sollte den Frauen ein Incentive sein.

Was raten Sie Frauen, die in der Finanzbranche Karriere machen wollen?
Sie sollen die richtigen Signale senden, nämlich dass sie ehrgeizig sind. Natürlich müssen die Frauen, die das wollen, dann auch die nötige Konsequenz zeigen.

Gibt es Tipps, die Sie Frauen für ein Bewerbungsgespräch geben können? Oder was fällt Ihnen in den Gesprächen, die Sie führen, auf?
Wenn ich aus der Longlist die Shortlist mache, berücksichtige ich, dass Frauen ihre Schwächen anders zugeben als Männer. Männer geben Lücken in Englisch oder sonst wo eher selten zu, während Frauen Schwächen ansprechen. Mir ist das ganz lieb, denn an zugegebenen Schwächen kann man besser arbeiten. Daher sehe ich das eher als einen Vorzug, den Frauen gegenüber Männern haben.

Wir hatten gerade den Equal Pay Day, und das Thema Pay Gap wird oft diskutiert. Ist es tatsächlich so, dass Unternehmen Frauen für denselben Job weniger bezahlen als Männern? Oder woher kommt die Vermutung, dass ein Pay Gap auch in unserer Branche besteht?
Ich sehe den Pay Gap nicht. Wenn eine Position extern ausgeschrieben wird, dann gehe ich nicht davon aus, dass eine Frau günstiger wird als ein Mann. Da gibt es eine beeindruckende Übereinstimmung. Was ich allerdings beobachte: Wenn man sich nicht extern weiterentwickelt, sind Männer oft stärker darin, intern zu verhandeln und Gehaltserhöhungen zu erreichen. Intern verhandeln Frauen oft schlecht für sich, extern nicht. Ich erkläre mir das so: Wenn eine Frau das Risiko eingeht, das Unternehmen zu wechseln, dann ist sie auch bereit, ihren Preis zu ermitteln und durchzusetzen.

Was raten Sie dann Frauen?
Wenn eine Frau das Gefühl im eigenen Unternehmen hat, nicht wertgeschätzt und befördert zu werden, dann sollte sie gehen und sich in einem anderen Unternehmen die Wertschätzung holen. Frauen müssen hier einfach mehr für sich einstehen.

Sie haben selbst Kinder. Sollte man das vielleicht mit seinen Töchtern üben?
Vermutlich ja! Meine studierende Tochter erhält beispielsweise einen Zuschuss, wenn sie sich bestimmte Dinge kaufen möchte. Wenn ich sie dann frage, an welchen Zuschuss sie so denkt, antwortet sie gern: „Mama, sag Du!“ Ich ermutige sie dann, für sich zu verhandeln. Man muss das ja üben!

Gibt es aus Ihrer Erfahrung heraus Firmen, in denen eine „frauenfreundliche“ Kultur herrscht, und welche, in denen das weniger der Fall ist? Und lässt sich das von außen abschätzen?
Das hat tatsächlich viel mit der Firmenkultur zu tun. Es hilft, wenn sichtbar ist, dass ein Unternehmen Frauen in den Führungsebenen zulässt. Besser ist natürlich, wenn eine Vermischung auf allen Ebenen sichtbar ist. Übrigens orientieren sich Frauen sehr an weiblichen Führungskräften – Unternehmen tun gut daran, hier auch Frauen vorweisen zu können. Darüber hinaus schätzen Frauen auch jede Form von Flexibilität. Das können flexible Arbeitszeiten oder auch Home-Office-Angebote sein. Auch wenn nicht jede Frau die Flexibilität sofort nutzt, ist es eine gute Perspektive zu wissen, dass man flexibel arbeiten kann, wenn man einmal in einer anderen Lebenssituation ist.

Punkten hier eigentlich die FinTech-Unternehmen besonders?
Auch FinTechs haben einen riesigen Gender Gap. FinTechs sind ja eine Kombination aus Finanz- und Technologie-Unternehmen, und sind noch dazu oft Startups. Das klingt schon nach gierig, dynamisch, rücksichtslos und so weiter. Im Prinzip herrscht hier die gleiche Atmosphäre wie in der Hochphase im Investmentbanking.

Was raten Sie als Headhunter Frauen, die eine Führungsposition anstreben, generell?
Ein gutes Skillset ist viel Wert, d.h. eine tolle Ausbildung ist die Grundlage für alles. Danach geht es stark um weichere Themen: Durchsetzungsstärke, Visibilität schaffen, Netzwerke aufbauen. Frauen können sich hier auch ruhig an Männern orientieren: Wie machen die das? Wichtig sind z.B. eine aktive Positionierung und die Entwicklung eines gewissen Alphatriebs. Das geht auch über einen charmanten Weg, so dass Frauen ruhig Frau bleiben können. Sie können hier hervorragend ihre empathischen Fähigkeiten nutzen, um ihren eigenen Case im Unternehmen zu machen. Wichtig ist die Bereitschaft, sich durchzusetzen; nicht immer nur angenehm sein wollen; die Stimme erheben. Frauen sollten sich auch an Punkten schulen lassen, wo noch ein Defizit besteht, z.B. ein Coaching in Anspruch nehmen, damit man sich nicht so in die eigenen Schwächen fügt.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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