Gemischte Führungsteams erbringen bessere Leistungen, sind innovativer und profitabler. Doch der Schweizer Wirtschaft gehen noch immer zu viele hoch qualifizierte Frauen auf dem Weg nach oben verloren. Dies zeigt der im Herbst 2018 veröffentlichte «Advance & HSG Gender Intelligence Report». Vor allem bei Beförderungen haben Frauen das Nachsehen. Daneben macht die Studie auch positive Signale aus und bietet Lösungsansätze. Die Studie wurde erstellt von Prof. Dr. Gudrun Sander von der Hochschule St. Gallen (HSG) und Advance, dem Schweizer Unternehmensverband für Geschlechtergleichstellung am Arbeitsplatz.

Der «Advance & HSG Gender Intelligence Report» präsentiert Zahlen und Fakten zur Geschlechterverteilung in Schweizer Unternehmen. Die Studie untersucht insbesondere die Entwicklung in den Bereichen Rekrutierung, Fluktuation und Beförderung auf allen Führungsebenen. Die Ergebnisse basieren auf Rohdaten von 238’700 Mitarbeitenden aus 50 Unternehmen und sind mit konkreten Empfehlungen sowie Best Practices hinterlegt.

Kluft bereits im ersten Beförderungsschritt
Während Frauen und Männer im Nicht-Management nahezu ausgeglichen verteilt sind, liegt der Frauenanteil im Top-Management gerade noch bei 15%. Bereits bei der Beförderung von Nicht-Kader auf die unterste Kaderstufe werden Frauen signifikant weniger berücksichtigt als Männer. Über alle Managementstufen hinweg sind lediglich 36% der Beförderten weiblich und 64% männlich. Das hat einerseits mit der ungleichen Verteilung von Teilzeitarbeit zu tun und andererseits mit stereotypen Rollenerwartungen, welche die Beförderungsentscheide beeinflussen.

30%-Marke im unteren Management geknackt
Als positives Signal darf der Frauenanteil von 30% in den unteren Führungsstufen gewertet werden. Im mittleren Management liegt der Wert noch bei 22%. Mit Blick auf die Altersstruktur bestehender Führungsgremien ist die sich mit Frauen füllende Pipeline eine Chance. Denn in den nächsten 10-15 Jahren treten in einigen Unternehmen rund 40% der männlichen Führungskräfte in den Ruhestand. Es gilt also, angehende weibliche Führungskräfte jetzt zu fördern.

Positiver Trend in der Rekrutierung setzt sich fort
Firmen stellen prozentual mehr weibliche Führungskräfte ein als sie bereits beschäftigen. Auch das wirkt sich positiv auf die Pipeline aus. Insbesondere gilt dies für Advance-Mitgliederfirmen, die für qualifizierte Frauen offenbar attraktiv sind. Dieser Trend lässt den Schluss zu, dass sich genügend weibliche Talente bewerben.

Weibliche Talente können zunehmend gehalten werden
Die Fluktuationsrate ist bei beiden Geschlechtern nahezu gleich, sowohl hinsichtlich der Gesamtbelegschaft als auch im Management (10%). Das heißt, den Unternehmen gelingt es zusehends, weibliche Talente zu halten. Besonders zu erwähnen ist der mit 87% hohe Anteil an Frauen, die nach dem Mutterschaftsurlaub zurückkehren (CH-Durchschnitt gemäß Schweizer Bundesamt für Statistik 65%). Im besten Viertel der Advance-Mitgliedsunternehmen kehren sogar 100% an ihren Arbeitsplatz zurück.

Prof. Dr. Gudrun Sander vom Competence Centre for Diversity and Inlusion von der Universität St. Gallen (HSG) gibt drei konkrete Handlungsempfehlungen für Geschlechtervielfalt in der Führung:

  1. Um die Vielfalt im Management zu fördern, sollten sich Unternehmen primär auf einen objektiven, geschlechterneutralen Beförderungsprozess konzentrieren und die berufliche Entwicklung von Frauen aktiv unterstützen. Bewährte Methoden sind: Kriterien transparent machen, mehrere Entscheidungsträger einbeziehen und männliche Leader in inklusiver Führung stärken. Mit Blick auf das Thema Vereinbarkeit müssen auch flexibles Arbeiten, Teilzeitarbeit und Top-Job-Sharing zu einer echten Alternative für beide Geschlechter werden. Hierfür hilft der Wandel zu einer Ergebnis- statt Präsenz-Kultur. Derzeit erscheint Teilzeit in Führungspositionen meist illusorisch, wenn auch in vereinzelten Unternehmen Vorzeigebeispiele vorhanden sind.
  2. Frauenförderung ist Aufgabe des Top-Managements: Die oberste Führung muss sich zu klaren Zielen bekennen und KPIs definieren. Diese gilt es, auch in der Incentivierung zu verankern, sonst sind sie zahnlos. «Wir empfehlen das Ziel von 30% Frauenanteil auf jeder Führungsstufe. Untersuchungen zeigen, dass Minderheiten ab einer Ein-Drittel-Vertretung nicht mehr als solche wahrgenommen werden und die Kultur verändern können», erklärt Prof. Sander.
  3. Advance-Mitglieder sind attraktivere Arbeitgeber für weibliche Führungskräfte. Sie schneiden in der Studie besser ab und werden so zum «Arbeitgeber der Wahl» für weibliche Talente. «Genau das muss das Ziel aller Unternehmen sein, welche ernsthaft mehr Frauen in ihren Führungsriegen wollen», sagt Alkistis Petropaki, General Manager von Advance. «Das beginnt mit einer geschlechtsneutralen Sprache in Stellenanzeigen und konsequenter 80-100%-Ausschreibung und geht bis hin zur Unterstützung bei Vereinbarkeitsthemen für beide Geschlechter.»

Die wichtigsten Resultate sowie den vollständigen Report mit Best-in-Class Praktiken finden Sie hier:

Zur Studie
Der Advance & HSG Gender Intelligence Report erscheint 2018 zum zweiten Mal und ist integraler Bestandteil des Advance Programms zur Unterstützung der Mitgliedsunternehmen auf dem Weg zu Diversität im Management. Die Studie analysierte anonymisierte Rohdaten von 238’700 Mitarbeitenden, davon 71’600 in Führungspositionen. Das Sample umfasst 50 in der Schweiz ansässige Unternehmen aller Branchen. 38 davon sind Advance-Mitglieder. Über das St. Galler Diversity Benchmarking nahmen 24 Firmen teil, davon waren 12 auch Advance-Mitglieder. Die Firmengröße variiert zwischen über 100 und 30’000 Mitarbeitenden. Die Ergebnisse beziehen sich auf 2017.

Über Advance
Advance ist der führende Schweizer Unternehmensverband für Geschlechtergleichstellung am Arbeitsplatz und setzt sich aktiv ein für mehr Frauen im Management. Gemischte Teams treffen bessere Entscheidungen, sind innovativer, produktiver und profitabler. Geschlechterdiversität ist ein Wettbewerbsvorteil und Win-Win für Männer und Frauen. Advance unterstützt Mitgliedsfirmen mit einem integrierten Programm, Chancengleichheit im Unternehmen gezielt zu fördern. Heute – fünf Jahre nach der Gründung – zählt Advance bereits rund 90 Mitgliedsunternehmen. Als Verein organisiert, ist Advance gemeinnützig und allein durch Mitgliederbeiträge finanziert.
advance-women.ch

Über das Competence Centre for Diversity and Inclusion CCDI, Universität St.Gallen
Das Competence Centre for Diversity and Inclusion CCDI ist eines der führenden Forschungsinstitute im Bereich Diversity & Inclusion (D&I) in der Schweiz. Es bietet Organisationen gezielte Unterstützung, Beratung sowie Training, um D&I organisationsintern zu stärken und zu managen. Das CCDI-Team kann dabei auf über 20 Jahre Erfahrung in diesem Gebiet zurückgreifen.

Prof. Dr. Gudrun Sander
Competence Centre for Diversity and Inclusion (CCDI-FIM)
University of St.Gallen (HSG)
gudrun.sander@unisg.ch | www.ccdi-unisg.ch

Foto: CCDI-FIM, HSG

Übrigens hält Prof. Dr. Gudrun Sander auf dem Regionalmeeting der Fondsfrauen am 9. April 2019 einen Vortrag zum Thema Diversity Benchmarking in der Schweiz.

 

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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