Der Flaschenhals der boomenden Wirtschaft ist derzeit nicht die Nachfrage oder die Produktion, sondern der Arbeitsmarkt. Schon jetzt ist es schwierig für Unternehmen, genügend Fachkräfte zu finden, und die Tendenz zeigt, dass es eher schwieriger als leichter wird. Umso mehr müssen sich Unternehmen bemühen, als Arbeitgeber attraktiv zu sein.

Eine von den Fondsfrauen und der Universität Mannheim gemeinsam entwickelte Studie zeigt, dass unter Studierenden die Finanzbranche ein alarmierend schlechtes Ansehen hat. Die Studien-Ergebnisse wurden am 23. Januar 2018 auf dem Fondsfrauen-Gipfel vorgestellt.

Anteil weiblicher Fondsmanager liegt unter 10 Prozent
Insbesondere ist die Fondsbranche seit Jahren durch niedrige Anteile weiblicher Fondsmanagerinnen gekennzeichnet. So zeigt eine der früheren Studien von Prof. Dr. Alexandra Niessen-Ruenzi (Foto), die sich mit geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Fondsindustrie befasst, dass der Anteil weiblicher Fondsmanagerinnen von aktiv gemanagten Aktienfonds in den USA bei ca. 10% liegt und über die Zeit konstant auf diesem Level bleibt. Prof. Dr. Alexandra Niessen-Ruenzi ist Professorin am Finance Department Universität Mannheim.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Statistik der Fondsfrauen GmbH, nach der im Jahr 2016 der Anteil weiblicher Fondsmanagerinnen bei in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Fonds bei 9,26% liegt.

„Die Arbeitgeber der Asset Management Industrie beklagen, dass sie wenige Bewerbungen von weiblichen Kandidaten erhalten und auch bisherige Rekrutierungsmaßnahmen wie z.B. Events zur Ansprache speziell weiblicher Bewerber oft nicht den erwünschten Erfolg hatten“, beobachtet Anke Dembowski, Geschäftsführerin der Fondsfrauen. Studentinnen sehen Firmen aus der Finanzbranche nicht als attraktiven künftigen Arbeitgeber.

„In dieser umfragebasierten Studie untersuchen wir, was mögliche Gründe dafür sein können, dass Studentinnen sich nicht in dem gewünschten Umfang für Stellen im Finanzbereich im Allgemeinen bzw. bei Vermögensverwaltern im Speziellen interessieren“, erklärt die wissenschaftliche Leiterin der Studie, Prof. Dr. Alexandra Niessen-Ruenzi. Die Umfrage wurde unter mehr als 1.100 Studenten aus wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen aller Ausbildungsstufen (Bachelor, Master und MBA) an der Universität Mannheim, der Goethe Universität Frankfurt und der Hochschule St. Gallen durchgeführt, wobei fast die Hälfte der befragten Studierenden weiblich waren. Das Durchschnittsalter der befragten Personen betrug 23 Jahre.

Befragt, wie sie die öffentliche Wahrnehmung verschiedener Industrien einschätzen, stellen sowohl weibliche als auch männliche Studierende der Finanzbranche ein verheerendes Zeugnis aus: die Finanzindustrie landet hier insgesamt auf dem zweitletzten Platz, knapp vor der Energiebranche. Dennoch finden insbesondere männliche Studierende, dass die Finanzindustrie ein attraktiver Arbeitgeber ist (Rang 3 von 13 Branchen), während weibliche Studierende hier eine deutlich negativere Einstellung haben (Rang 7 von 13 Branchen).

Freundliche Arbeitsatmosphäre, faire ‚work-life balance‘ und hohes Gehalt wichtige Kriterien unter männlichen und weiblichen Studierenden
Grundsätzlich sind für die Teilnehmer der Umfrage eine freundliche Arbeitsatmosphäre, eine faire ‚work-life balance‘ und ein hohes Gehalt die wichtigsten Jobcharakteristika. Die Möglichkeit von Auslandsaufenthalten wird von der Mehrheit der Befragten ebenfalls als positiv und wünschenswert genannt. Betrachtet man Unterschiede in den Einstellungen zwischen den Geschlechtern, so stellt man fest, dass eine faire work-life balance, die Vereinbarkeit des Berufs mit den eigenen Moralvorstellungen, sowie die Familienfreundlichkeit von weiblichen Studierenden als signifikant wichtiger eingestuft werden als von männlichen Studierenden.

Basierend auf den Antworten der Umfrage konnten verschiedene spezifische Gründe identifiziert werden, warum die Finanzindustrie im Allgemeinen und Vermögensverwalter im Speziellen für weibliche Studierende oftmals weniger attraktiv erscheinen: Sie gilt 1. als wenig familienfreundlich und männerdominiert, 2. als im Job schwer vereinbar mit den eigenen Moralvorstellungen, 3. als hochgradig wettbewerbsintensiv und 4. als mathematisch geprägt. Unabhängig von der tatsächlichen Kompetenz glauben aber weibliche Studierende weniger als männliche Studierende, dass sie in diesem Bereich besonders gut sind.

Frauen bevorzugen die Bereiche Marketing und Human Resources
Nach der Attraktivität verschiedener Bereiche innerhalb eines Unternehmens befragt, geben weibliche Studierende am häufigsten an, dass sie gerne im Bereich Marketing arbeiten würden, während männliche Studierende den Finanzbereich signifikant häufiger bevorzugen. Es gibt auch interessante Unterschiede in Bezug auf die bevorzugten Tätigkeiten innerhalb von Vermögensverwaltungsgesellschaften: Während männliche Studierende eine stärkere Präferenz für einen Job im Kernbereich Portfoliomanagement haben als weibliche Studierende, ist dieses Muster für Jobs in Marketing oder im Personalbereich genau umgekehrt.

Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer Umfrage der Fondsfrauen gemeinsam mit KPMG aus dem Jahr 2016 unter den in Deutschland tätigen Investmentgesellschaften. Dort kam heraus, dass in der Fondsbranche generell viele Frauen in sogenannten „pink ghettos“ wie Marketing (75% Frauenanteil), Personal (91% Frauenanteil) und Backoffice (62% Frauenanteil) arbeiten, dass aber selbst in diesen Bereichen mit hohem Frauenanteil es deutlich weniger Frauen als Männer schaffen, in Führungspositionen zu kommen.

Frauen mit geringeren Gehaltsvorstellungen als Männer
Die aktuelle Umfrage der Fondsfrauen gemeinsam mit der Universität Mannheim fragt die Studierenden auch nach ihren Gehaltsvorstellungen, die sie nach Abschluss des Studiums auf Basis ihrer erworbenen Kenntnisse zu erhalten hoffen. Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Studierenden. Weibliche Studierende schätzen ihr zukünftiges Gehalt signifikant geringer ein, als männliche Studierende. „Dieser Unterschied könnte zur Erklärung des sogenannten ‚Gender Pay Gaps‘ beitragen und zudem erklären, warum Frauen in Gehaltsverhandlungen häufig schlechter abschneiden, als Männer“, meint Anne Connelly, Geschäftsführerin der Fondsfrauen.

„Unsere Ergebnisse bieten verschiedene Ansatzpunkte, wie Vermögensverwaltungsgesellschaften bzw. Finanzinstitutionen im Allgemeinen für potentielle Bewerberinnen attraktiver werden könnten“, ist Prof. Dr. Stefan Ruenzi, einer der Koautoren der Studie, überzeugt. „Um weibliche Studierende gezielt anzusprechen ist eine völlig andere Botschaft nötig als bisher oft kommuniziert: Es ist keine gute Idee, sich hauptsächlich als auf Profitmaximierung und Wettbewerb ausgerichtetes Unternehmen zu präsentieren und ein „Wolves of Wall-Street“-Image zu transportieren.“ Arbeitgeber der Finanzindustrie sollten hier besser glaubhaft darlegen und kommunizieren, dass Teamgeist, Diversität und die Einhaltung moralischer Standards zentrale Bestandteile der Arbeit in der Branche sind. Mit den Worten des Nobelpreisträgers Bob Shiller ausgedrückt: „Finance should be defined not merely as the manipulation of money or the management of risk but as the stewardship of society’s assets.“

Wie die Branche dies bewerkstelligen kann, darüber haben die Fondsfrauen am 23. Januar auf dem Fondsfrauen Gipfel in Mannheim, bei dem es u.a. ein CEO-panel gab, diskutiert.

Die Studie wurde von den folgenden Gesellschaften finanziell unterstützt: Allianz Global Investors, Amundi Asset Management, Bayern Invest, Deka Investments, DWS Investments, Fidelity International, UBS, Union Investment. Hier erhalten Sie die Studie in einer Kurzversion.

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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