2015 wurde mit dem „Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG)” in Deutschland die „Quote“ eingeführt: Das Gesetz fordert eine verbindliche Geschlechterquote in Höhe von 30% für die Aufsichtsräte von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Im August 2021 trat das Zweite Führungspositionengesetz in Kraft. Es beinhaltet verbindliche Vorgaben für die Wirtschaft und den öffentlichen Dienst, unter anderem auch für Vorstände. Obwohl viel über die Quote diskutiert und geschimpft wird: Sie scheint etwas gebracht zu haben.

Frauenanteil in Deutschlands Vorständen liegt bei 15,5%
Schließlich saßen noch nie so viele Frauen wie aktuell in den Vorständen von Deutschlands Spitzenkonzernen: Der Anteil von Managerinnen in den Vorstandsetagen der DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen und liegt derzeit bei 15,5% – und damit 2,3 Prozentpunkte höher als vor einem Jahr, und sogar gut doppelt so hoch wie vor vier Jahren (7,9%). In absoluten Zahlen: 109 der insgesamt 705 Vorstandsmitglieder sind weiblich. Zum Stichtag 1. Januar 2023 sind das 17 mehr als noch ein Jahr zuvor.

Kleine Unternehmen haben weniger Frauen im Vorstand
Allerdings stehen damit einer Top-Managerin immer noch fünf männliche Kollegen gegenüber. Betrachtet man die CEO-Ebene, wird die Diskrepanz im Verhältnis noch deutlicher: Von den 160 Führungsposten sind neun von Managerinnen besetzt. Viele Vorstände deutscher Konzerne sind weiter mehrheitlich eine reine Männerdomäne.

Besonders bemerkenswert ist, dass die Unternehmen des DAX eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn es um Diversität geht. Der Frauenanteil liegt hier mit 21,2% deutlich höher als bei Konzernen des SDAX (12,4%) und des MDAX (12%). Das liegt auch daran, dass bei der Neubesetzung freiwerdender Vorstandsposten gerade im DAX immer häufiger Frauen zum Zuge kommen: Im vergangenen Jahr wurden im DAX 22 neue Vorstände berufen – elf davon waren Frauen.

Diese Zahlen sind die Ergebnisse einer Analyse der Struktur der Vorstände der 160 im DAX, MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zweimal jährlich durchführt.

Der Fortschritt könnte schneller gehen
Markus Heinen, Leiter des Bereichs People Advisory Services bei EY erklärt dazu: „Es tut sich etwas in den Vorständen, immer mehr Top-Managerinnen schaffen es in die Spitzengremien der börsennotierten Unternehmen Deutschlands. Das ist enorm wichtig für die Vielfalt und damit letztlich auch für die erfolgreiche Arbeit der Konzerne. Doch die Entwicklung ist weiter sehr langsam, es bleibt bei allem Positiven der Eindruck, dass der Fortschritt schneller gehen könnte und müsste. Aktuell sieht sich in den Vorständen eine Frau sieben Männern gegenüber. Dabei gibt es genug Managerinnen, die sich in Führungspositionen behaupten können.“

DAX-Konzerne treiben Wandel am stärksten voran
Erkannt wird dies am häufigsten in DAX-Unternehmen: Die Konzerne in Deutschlands Top-Index achten bei der Neubesetzung von Vorstandsposten offenbar stärker auf Ausgewogenheit der Geschlechter als dies Konzerne der anderen beiden Indizes tun. So waren 50% der neuberufenen Mitglieder des Vorstands im DAX weiblich. Im MDAX lag der Frauenanteil bei den Neubesetzungen bei 35%, im SDAX nur bei 30%.

Inzwischen hat indexübergreifend jedes zweite Unternehmen (51,9%) mindestens eine Frau im Vorstand – vor einem Jahr waren es noch 46,5%. Auch hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Indizes: Im DAX haben fast neun von zehn Konzernen (85%) mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied, in SDAX (43%) und MDAX (38%) sind es dagegen knapp vier von zehn Unternehmen.

Eine Herausforderung, mit der Managerinnen auf dem Weg an die Spitze oft konfrontiert werden: Klassische Rollenbilder, die nicht mehr zeitgemäß sind. „Hier müssen wir uns als Gesellschaft als Ganzes hinterfragen“, so Heinen, „denn es geht nicht nur darum, Frauen bessere Karrieremöglichkeiten zu eröffnen. Es geht auch darum, dass Männer verstärkt bereit sind, sich um Haushalt und Familie zu kümmern und eventuell sogar zugunsten der Frau die eigene Karriere hintanzustellen. Das passiert immer noch sehr selten.“

In den Branchen Konsumgüter, Telekommunikation und Immobilien ist der Frauenanteil am höchsten
Überdurchschnittlich stark sind weibliche Vorstände in der Konsumgüterindustrie vertreten: Hier ist fast jedes vierte Vorstandsmitglied (24%) eine Frau. Ebenfalls hoch ist der Anteil von Managerinnen in dem Gremium bei Unternehmen, die in den Bereichen Telekommunikation (21%) und Immobilen (21%) Geschäfte machen. Medienunternehmen (8%), Energieversorger (9%) und IT-Konzerne (11%) haben dagegen die niedrigsten Anteile weiblicher Vorstandsmitglieder. Fast jede dritte Vorständin (32%) nimmt operative Funktionen war, jede vierte Managerin (25%) verantwortet das Personalressort. Die Rolle des CFO bekleidet jede fünfte Frau (20%).

Ob es Managerinnen in Führungspositionen schaffen und in die Vorstände der Konzerne berufen werden, sei sehr oft noch eine Kulturfrage, so Heinen. Von Firma zu Firma unterscheide sich, wie schwer der Weg nach ganz oben sei: „Die Vereinbarkeit von Familie beziehungsweise dem Privatleben auf der einen und der berufliche Aufstieg auf der anderen Seite, dieser Mix ist für Frauen auch heute noch oft schwieriger zu erreichen als für Männer. Und auch wenn sich klassisch ausgeprägte Rollenverständnisse in den vergangenen Jahren durchaus stark verändert haben, sind weibliche Mitarbeiterinnen heute noch immer stärker etwa auf flexible Arbeitszeitangebote angewiesen als ihre Kollegen.“

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

Förderer