Im Bereich “Nachhaltiges Investieren” sind besonders viele Frauen anzutreffen. Daher spricht Fondsfrau Anke Dembowski mit einer von ihnen: Nina Roth, Director – Responsible Investment bei BMO Global Asset Management. In dem Gespräch geht es über diesen speziellen Zweig des Asset Management, was dort die Aufgaben sind, und warum er offenbar für Frauen besonders attraktiv ist.

Frau Roth, Sie sind Director für Responsible Investment bei BMO. Was sind dabei Ihre Aufgaben?
Eine der Arten, wie wir bei BMO Responsible Investment interpretieren, ist durch „Engagement“, und das ist auch eine meiner Hauptaufgaben. Wir wollen, dass sich Unternehmen verbessern in den Bereichen „E“ (environment), „S“ (social) und „G“ (governance), und führen mitunter mehrere Dialoge pro Tag. Im Vorfeld recherchiere ich viel zu den Firmen. Dabei liegt mein Fokus auf Finanzinstitutionen und thematisch – über alle Sektoren hinweg – Menschen- und Arbeitsrechte. Außerdem arbeite ich bei Produkten mit, um bei uns im Hause die Integration von ESG-Themen voranzutreiben. Im deutschsprachigen Raum berichte ich auch an unsere Kunden, z.B. welche Meilensteine durch unser Engagement erreicht wurden.

Was finden Sie an Ihrem Job besonders spannend, d.h. was motiviert Sie, jeden Tag zur Arbeit zu gehen?
Das sind zwei Dinge: Einerseits ist meine Arbeit thematisch sehr abwechslungsreich. Ich habe viele verschiedene Ansprechgruppen: Intern unsere Fondsmanager und Produktteams, extern die Experten in den Firmen, mit NGOs und anderen Investoren. Andererseits habe ich den Wunsch, mit meiner Arbeit etwas bewegen zu können, und das geht in meinem Job gut. Das ist für mich ein Haupt-Motivator. Bei manchen Dialogen, mit denen wir in den Unternehmen etwas verbessern wollen, bekommen wir gesagt, dass dieses Thema überhaupt das erste Mal von Investoren-Seite angesprochen wird. Übrigens gerade im Bereich Diversität. Da sagen mindestens 50 % der Unternehmen, dass sie auf dieses Thema in diesem Detailgrad von uns als erstes angesprochen werden.

Was sind die Voraussetzungen, um im Bereich Responsible Investments für einen Asset Manager zu arbeiten?
Wichtig ist, glaube ich, eine Mischung aus Soft- und Hard-Skills. Natürlich hilft auch Finanzwissen, allerdings gepaart mit der thematischen ESG-Perspektive. Außerdem braucht man auch Neugierde und den Willen, etwas verändern zu wollen. Durchhaltevermögen benötige ich ebenfalls, weil die Veränderungen im Dialog mit den Unternehmen auch mal länger dauern können. Im ESG-Bereich ist kaum jemand direkt im Asset Management eingestiegen. Viele waren vorher bei Beratungsfirmen oder Nachhaltigkeits-Ratingagenturen. Ich war vorher in verschiedenen Banken tätig. Gerade hier hilft ein diverser Hintergrund der Mitarbeiter und Analysefähigkeit. Außerdem braucht es diplomatisches Geschick. Aber irgendwann muss die Diplomatie auch aufhören, sonst dauert die Umsetzung einfach zu lange. Dann sind Überzeugungsfähigkeit und Faktenwissen gefragt.

Man sieht, dass die Gender-Diversity im Bereich nachhaltige Investments besonders hoch ist, während ansonsten eher wenige Frauen in Führungspositionen in der Fondsbranche sind. Warum gelingt es Frauen, besonders im ESG-Bereich beruflich aufzusteigen?
Einerseits ist das ein neuer Bereich, der eine Weile als Nische und für den klassischen Fondsmanager als nicht so prestigeträchtig galt, so dass Frauen hier gut Fuß fassen konnten und dann auch in Führungsposition aufgestiegen sind. Meine Erfahrung ist außerdem, dass in unserem Bereich die Teams besonders flexibel im Umgang mit Arbeitszeit- und Arbeitsort-Modellen sind. Das ermöglicht es auch Personen, die diese Art Flexibilität brauchen, dort zu arbeiten. Ich sehe das auch hier bei BMO, unsere Abteilung leistet da Pionier-Arbeit: geteilte Führungsposition durch zwei Chefinnen, flexibles Arbeiten und Teilzeitmodelle. Das macht alles einen positiven Unterschied für die Unternehmenskultur und die Team-Stimmung.

Sehen Sie, dass Frauen ein größeres Interesse am Thema nachhaltige Investments haben als Männer?
Bei den Investoren interessieren sich insbesondere Frauen und Millenials dafür, ihr Geld entlang ihrer Werte anzulegen.

Ist das Nachhaltigkeits-Thema eine Mode-Erscheinung, die vorübergeht? Oder eine dauerhafte Entwicklung?
Das ist keine vorübergehende Erscheinung. Nachhaltigkeit ist seit 30 bis 40 Jahren ein Thema für Firmen, aber auch für Fonds und Asset Manager. Das bleibt ein Thema und muss ein Thema bleiben, wenn wir uns ansehen, wie die Umwelt- und die sozialen Bedingungen sind. Sonst würde die Gesellschaft nicht mehr funktionieren. Daher bleibt uns das mit Sicherheit als Thema erhalten. Wahrscheinlich geht der Trend aber weg von singulären Produkten und hin zu einer generellen, breiten Nachhaltigkeitsstrategie.

Wenn Sie Engagement betreiben, tun Sie das auch in Bezug auf Frauenförderung in Unternehmen?
Ja, allerdings! Mittlerweile behandeln wir bei BMO seit vielen Jahren das Thema Diversität im Aufsichtsrat. Inzwischen haben wir dieses Engagement auch auf die breite Unternehmenspolitik ausgedehnt. Hier leite ich unser Engagement bei den DAX 30 Unternehmen und meine KollegInnen schauen sich Firmen in den USA, Kanada, Japan und Großbritannien an. Hintergrund ist, dass diverse Teams bessere Lösungen und mehr Innovation ermöglichen, was natürlich aus finanzieller und Investorenperspektive relevant ist.

Wie weit sind die Unternehmen in Sachen Gender-Equality?
2019 haben mittlerweile alle deutschen Großunternehmen das Aufsichtsrats-Ziel von 30 % erreicht. Für den Vorstand gibt es solche Ziele nicht. Zwei Unternehmen haben hier sogar ein Null-Prozent-Ziel, wobei eins dieses Null-Prozent-Ziel sogar noch verteidigt.

Wie ist das bei den anderen deutschen Großunternehmen?
Sagen wir so: Keins der DAX-30-Unternehmen hat ein 50-Prozent-Ziel. Wer zumindest auf dem Papier ganz gut ist, das sind Covestro, Lufthansa und Telekom. Inhaltlich geht die Entwicklung in Richtung breitere Diversitäts-Ziele, also neben Gender auch verschiedene Herkünfte und Hintergründe. Wir sehen auch deutlich, dass sich die Anstellungsverfahren verändern und flexiblere Arbeitszeiten, -Orte und –Formate angeboten werden, wie z.B. Job-Sharing, auch auf Führungsebene. Außerdem bieten viele Unternehmen Unterstützung bei der Elternzeit, ein Thema, das zunehmend auch für Männer relevant wird und werden muss.

Wenn sich so viel bewegt, warum sind dann immer noch so wenige Frauen in den Vorständen?
Das ist eine Mischung von Gründen. Teilweise mögen Frauen in dem Bereich nicht arbeiten. Insbesondere im technischen Bereich bleibt es schwierig mit weiterhin relativ geringen Abschlusszahlen von Frauen in den MINT-Fächern. Außerdem muss die Unternehmenskultur offen und anpassungsfähig sein, damit Frauen bleiben wollen. Wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter-Fluktuation runterbrechen, verlassen – in Firmen mit geringer Diversität – Frauen viel häufiger die Unternehmen als Männer. Aber es ist ja bekannt, dass eine erhöhte Diversität mit erhöhter Unternehmens-Performance in Verbindung steht. Die HR-Leute wissen das, daher plädieren sie dafür, Diversitäts-Ziele in die Unternehmensziele einzubeziehen. Manche Firmen schreiben nämlich einen schönen Nachhaltigkeits-Bericht, aber die entsprechenden Ziele werden nicht gesetzt, nicht umgesetzt oder auch nicht geprüft.

Gibt es hinsichtlich der Diversität auch regionale Unterschiede?
Von den Ländern, die wir ausgewählt haben, hat Großbritannien z.B. keine Quote für den Aufsichtsrat. Dort gibt es allerdings eine freiwillige Initiative, den 30-Prozent-Club. Damit haben viel mehr Unternehmen die 30-Prozent-Quote erreicht als in Deutschland – lange bevor es gesetzlich verankert wurde in Deutschland. In Japan gibt es hingegen viel weniger Initiativen… Frauen in Führungspositionen sind dort eine Seltenheit.

Können Sie ein oder zwei aktuelle Beispiele für Unternehmen nennen, die sich besonders für Frauen-Förderung einsetzen?
Wenn wir uns Unternehmen ansehen, wird manchmal klar, dass sie in einzelnen Bereichen führend sind. Beispielsweise hat ein großer deutscher Reifenhersteller die Texte seiner Stellenausschreibungen geändert und darin unter anderem auch die Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens erwähnt. Daraufhin hat das Unternehmen doppelt so viele Bewerbungen von Frauen erhalten als vorher. Sie haben auch ihre Interview-Verfahren stärker strukturiert und Standard-Tests entwickelt, die jetzt alle Bewerber und Bewerberinnen gleichermaßen durchlaufen müssen. Außerdem wurde das Bewertungspanel divers strukturiert. Damit hat man erreicht, dass mehr Frauen angestellt und gefördert werden.

Können Sie weitere, positive Beispiele nennen?
Ja, ein Energieunternehmen hat uns berichtet, dass sie regelmäßige Gender-Pay-Gap-Untersuchungen anstellen. Einmal jährlich werden die Ergebnisse mit dem CEO besprochen. Ein anderes Unternehmen hat die Verantwortung der Diversity-Ziele allen Geschäftseinheiten gegeben. Diversity-Ziele werden dort jetzt behandelt wie klassische Geschäftsziele. Und siehe da: Die Ziele wurden erreicht, jetzt wo die Ziele nachverfolgt und gegenüber den anderen Geschäftsbereichen transparent gemacht werden! Diversity-Ziele als echte, harte Ziele zu vereinbaren hat also Erfolg gezeigt. Das ist so einfach, aber es wird trotzdem oft nicht gemacht.

Und wie reagieren die Unternehmen, wenn Sie sie auf Gender-Themen ansprechen?
Das ist eine Mischung: Teilweise sind sie froh, dass wir nicht nur mit harten Finanzfragen kommen. Die meisten sind überzeugt, dass sie in diesem Bereich sehr gut sind und die Diskussion offenbart dann doch noch Verbesserungsmöglichkeiten.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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