• Autorin: Marita A. Panzer
  • Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
  • Reihe: Kleine bayerische Bibliografien
  • ISBN 978-3-7917-3435-4
  • Print: €16,95 / Kindle: €13,99
  • Taschenbuch, 124 Seiten
  • Erschienen: Sept. 2023

 

Letztlich war sie die Gründerin des 1. Schneeball-Systems in Deutschland und brachte bei dessen Zusammenbruch 1873 über 30.000 Menschen um ihre Ersparnisse. Daher ist Adele Spitzeder eine Betrügerin. Autorin Marita Panzer erklärt in ihrem Buch aber auch anschaulich, wie Adele Spitzeder in die Sache quasi hineingeschliddert ist. Dabei bedient sie sich keiner platten Schwarz-Weiß-Malerei, sondern macht in ihrem Buch auch die vielen Grautöne zwischendrin sichtbar – das tut gut!

Eigentlich war Spitzeder Schauspielerin. Vielleicht hätte sie eine erfolgreiche sein können, aber verschiedene Gründe führten dazu, dass sie leider nicht nahtlos an Engagements der großen Bühnen kam. Sie wurde arbeitslos, und wie das so ist: Ihre Ausgaben für Wohnung, Essen, Kleidung und so weiter liefen weiter, so dass sie nach kurzer Zeit in Geldnot geriet. In dieser angespannten Finanz-Situation lieh ihr die Ehefrau eines Zimmermanns etwas Geld, und Adele versprach nicht nur, den Betrag zurückzuzahlen, sondern ihn auch mit 10% zu verzinsen – pro Monat!

Von der Schauspielerin zur Bankgründerin
Das war der Beginn eines schwunghaften Geldhandels, denn Adele Spitzeder zahlte die versprochenen Zinsen, so dass ihr die Leute rasch weiteres Geld liehen, womit sie dann jeweils Kapital nebst Zinsen zahlen konnte. Sie führte auch ein Belohnungssystem ein: Wer neue Kunden brachte, konnte sich 5 % der Anlagesumme hinzuverdienen – im Prinzip funktionieren moderne Vertriebssysteme immer noch so: Kunden werben Kunden und erhalten dafür eine Prämie.

Spitzeder gründete nicht nur eine Bank, sondern engagierte sich in allerhand Geschäften. War sie warmherzig, durchtrieben, naiv oder zielstrebig? Vermutlich ein wenig von allem. Man kann sich gut vorstellen, wie ihr die Sparkassen-Direktoren im Umkreis das Leben schwer machten, denn dort zogen die Kunden ihre Gelder ab, um es Adele zu bringen. Und zu Zeiten König Ludwigs II wollten sich die männlichen Sparkassen-Herrscher natürlich nicht von einer Frau abhängen lassen!

Aber jedes Schneeballsystem findet ein jähes Ende, wenn erst der Run aufs System losgeht. Dem Run auf ihre Einlagen konnte Spitzeder 1877/73 nicht mehr standhalten. Ihr Geldgeschäft brach zusammen, und sie wurde verurteilt und inhaftiert – 41-jährig.

Fazit:
Ein spannender Geschichts-Roman! Die Autorin gibt an vielen Stellen den notwendigen Background, um die Situation einer unverheirateten Frau in der damaligen Zeit besser verstehen zu können. Sie beschreibt gut, wie die Wechselwirkung zwischen Vernunft, Gier und Leichtgläubigkeit sind, und es ist spannend zu lesen, wie sich eine in die Enge getriebene Frau immer wieder neue Tricks einfallen lässt, um in der damaligen Zeit überleben zu können. Von Sonderkonditionen für Polizisten bis zu Beeinflussung der Presse ist alles dabei, und das, obwohl Adele Spitzeder keinerlei Fachausbildung in Finanzgeschäften oder Psychologie besaß. Ein spannendes kleines Büchlein!

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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