Als COO (Chief Operating Officer) leitet Marion Spielmann den Bereich Bankgeschäftsfelder und Verwahrstelle bei der DekaBank in Frankfurt. Wir sprechen mit ihr über das spannende Feld der Kryptowertpapiere.

Frau Spielmann, bei der DEKA beschäftigt man sich intensiv mit dem Thema Kryptowertpapiere. Was genau hat die Deka da gemacht?
Wir haben 2018 begonnen, Produkte auf der Blockchain abzubilden und haben als erste Bank in Deutschland digitale Wertpapiere begeben. Das waren zunächst Inhaberschuldverschreibungen. Seit letztem Jahr ist es gesetzlich möglich, Fonds zu digitalisieren. Logischer Schluss für uns die Ausgabe eines Kryptofondsanteils im Dezember 2023. Der A-Deka-BlockchainEINS ist ein klassischer Spezialfonds, das heißt, die Portfolio-Zusammensetzung sind klassische Wertpapiere, keine Kryptowerte. Aber anstelle einer klassischen Urkunde haben wir den Fonds bzw. die Anteilsscheine des Fonds auf der Blockchain hinterlegt.

Der A-Deka-BlockchainEINS war ein Spezialfonds. Gibt es eigentlich schon Kryptofonds, die als Publikumsfonds aufgelegt sind?
Unseres Wissens hat neben uns bisher nur das Bankhaus Metzler einen Kryptofonds aufgelegt bzw. Fondsanteile eines bestehenden Fonds tokenisiert. Hierbei hat es sich um einen Publikumsfonds gehandelt.

Können Sie uns einen kurzen Überblick über die Produktwelt der digitalen Assets geben? Welche verschiedenen Kategorien gibt es hier, und wie sind sie reguliert?
Mittlerweile hat die Regulierung ziemlich zugelegt, und die Gesetzgebung unterscheidet zwei Blöcke von digitalen Assets, die auch unterschiedlich reguliert werden: Da gibt es zum einen das deutsche Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG). Es lässt zu, dass es Schuldverschreibungen, Namensaktien und Fondsanteile als elektronische Wertpapiere geben darf, eben solche Kryptofondsanteile, die unser Haus letzten Dezember aufgelegt hat. Solche Wertpapiere unterscheiden sich inhaltlich nicht von traditionellen Wertpapieren, außer dass sie digital ausgegeben werden, und nicht in Papierform. Für die Anleger ändert sich dabei wenig, weder in ihren Rechten noch im Handling.

Zum anderen gibt es die europäische MiCAR-Verordnung. Darin werden die eigentlichen Kryptowerte reguliert. Das umfasst nicht nur die E-Geld-Token, sondern auch Utility Token, mit denen Dienstleistungen und Services möglich sind. Die MiCAR schafft dafür den Handlungsrahmen, so dass wir diesbezüglich ab 1.1.2025 einen europäischen Binnenmarkt für diese Kryptowerte haben und die Dinge einheitlich reguliert werden.

Und was ist mit NFTs? Was genau ist das eigentlich?
NFTs sind nicht reguliert. Es handelt sich dabei beispielsweise um Sammelgegenstände, bei denen die Investoren auf eine Wertsteigerung setzen. Das können beispielsweise Panini-Bildchen sein, oder man erwirbt damit einen Teil eines besonderen Porsche.

Und das deutsche Zukunftsfinanzierungsgesetz, welche Änderungen hat das gebracht?
Hier hat der deutsche Gesetzgeber den Rahmen so gelegt, dass sich auch in der rechtlichen Sicht nichts ändert, wenn Wertpapiere über eine Blockchain, und nicht mehr papierhaft begeben werden. Gleichzeitig soll das Gesetz auch die Digitalisierung der Kapitalmärkte fördern.

Teile der MiCAR werden ja bereits im Juli 2024 wirksam. Sie sagten vorhin, dass diese Verordnung einen harmonisierten Regulierungsrahmen für bestimmte Kryptowerte schaffen soll. Glauben Sie, dass das ein Gamechanger für den europäischen Markt wird?
Nur ein Teil der MiCAR wird schon im Juli 2024 wirksam, die gesamte Verordnung tritt erst 2025 in Kraft. Ich erwarte schon, dass das für eine gewisse Dynamik sorgen wird, denn die MiCAR regelt unter anderem, wer Kryptowerte handeln darf und wie es mit dem Verbraucherschutz aussieht. Die Anbieter von Kryptowerten müssen auf dem EU-Markt reguliert sein. Das ist insbesondere für institutionelle Investoren wichtig, weil es ihnen Sicherheit gibt. Die Pleite der FTX-Börse hätte mit einer Regulierung vermieden werden können

Was ist denn institutionellen Investoren noch wichtig bei Kryptowerten – außer rechtlicher Sicherheit?
Institutionelle Investoren wollen bei Wertpapieren jederzeit liquide sein. Mit dem DLT-Pilotregime erhalten wir die Chance, einen regulierten Marktplatz für digitale Wertpapiere aufzubauen und zu verprobend. Das ist ein enorm wichtiger Schritt. Ich glaube, dass für institutionelle Investoren der Handel mit digitalisierten Wertpapieren wichtiger sein wird als der Handel mit echten Krypto-Werten.

Welchen Kategorien von Kryptoassets widmet sich die Deka? Geht es um die Assets an sich, oder eher um die Technologie, die Distributed Ledger-Technologie?
Wir sind das Wertpapierhaus der Sparkassen und engagieren uns stark in der Thematik der digitalen Wertpapiere. Uns ist wichtig, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette in digitaler Form haben. Wir möchten Wertpapiere Blockchain-basiert begeben, handeln, abwickeln und verwahren können – das haben wir bereits in Teilen in der Praxis getan. Das bietet enormes Potenzial für unsere Kunden. Mit der Blockchain können Prozesse schneller, transparenter und sicherer werden. Für die Begebung von digitalen Wertpapieren ist eine Registerführungs-Lizenz notwendig; die haben wir.

Welche Art Wertpapiere hat die DEKA schon Blockchain-basiert begeben?
Wir waren 2021 die erste Bank in Deutschland, die ein digitales Wertpapier begeben hat. Das war damals eine Schuldverschreibung. Letztes Jahr im Dezember haben wir dann unseren ersten digitalen Kryptofondsanteile begeben. Theoretisch könnten wir auch Namensaktien elektronisch begeben, aber das haben wir bisher noch nicht gemacht.

Wie geht es dann weiter?
Wir arbeiten derzeit an der Komplettierung der gesamten Wertschöpfungskette. Nachdem wir digitale Wertpapiere begeben haben, möchten wir diese auch handeln. Bisher läuft der Handel von digitalen Bonds nur im OTC-Geschäft, also bilateral. Wir wollen den Handel demnächst auch an die regulierten Marktplätze anschließen. Der dritte Schritt wäre, dass wir digitale Wertpapiere auch verwahren können. Dafür bauen wir aktuell die Infrastruktur auf – die Verwahrung digitaler Wertpapiere erfordert den Einsatz neuer Technologien, um ein höchstes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Wir werden noch in diesem Jahr in der Lage sein, digitale Wertpapiere für unsere Depotkunden zu verwahren.

Ich habe gehört, dass die DEKA mit der LBBW an einer Gesellschaft beteiligt ist, die sich mit der Blockchain beschäftigt.
Ja, das ist die Swiat-GmbH. Die Deka hat SWIAT gegründet, um einen Systementwickler und Netzwerk-Betreiber für Blockchain-Anwendungen zu etablieren. Die entwickeln beispielsweise Software-Anwendungen, die für Wertpapiertransaktionenbenötigt werden. Mittlerweile ist SWIAT ein Joint Venture – u.a. mit der LBBW als Partner – um möglichst viele Institute für DLT-Anwendungen zu gewinnen. Standards schafft man nur gemeinsam.

Wie geht es jetzt weiter im Markt mit den Kryptowerten nach MiCAR, und den Kryptowertpapieren nach dem elektronischen Wertpapiergesetz (eWpG)?
Mit Kryptowertpapieren beschäftigt sich derzeit vermutlich jede größere Bank, weil viele Banken ja auch Emissionshäuser sind oder ihre Kunden im Wertpapiergeschäft auch künftig unterstützen wollen. Sie müssen dazu jetzt Vorbereitungen treffen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein. Die Häuser, die heute ihren Kunden die Verwahrung von Vermögenswerten anbieten, bereiten sich auf die Verwahrung von Kryptowerten vor.

Bei den Kryptowerten nach MiCAR sieht es anders aus: Hier geht es um die echten Kryptowerte, um Stable Coins und andere Krypto-Produkte. In der Vergangenheit haben sich auf der Krypto-Währungsseite die FinTechs gut positioniert. Als erstes haben dann die Börsen nachgezogen, beispielsweise die Börse Stuttgart mit Bison. Oder die Eurex, die die Schweizer Crypto Finance gekauft hat, und bereits eine Lizenz hat, um Kryptowerte zu handeln oder zu verwahren.

Das ist also die natürliche Reihenfolge?
Im Prinzip ja! Erst die FinTechs, dann die Markt-Infrastruktur – also die Börsen und so weiter, und dann die Banken.

Welche Zielgruppe will die Deka mit ihren Krypto-Aktivitäten ansprechen? Wer kann davon profitieren?
Wir sind der Produktlieferant für die Sparkassengruppe. Unsere Zielgruppe sind sowohl Institutionelle als auch Retail-Kunden. Wir bauen die Technologie jetzt auf, denn sie benötigt einen bestimmten Standard, um für das Massengeschäft tauglich zu sein. Das entwickelt sich jetzt gerade. Institutionelle Kunden waren und sind die ersten, die sich darauf einstellen. Das findet schon seit ein oder zwei Jahren statt. Im Emissionsgeschäft hat Siemens letztes Jahr eine Anleihe in digitaler Form begeben. Die KfW wird dieses Jahr eine größere Emission tätigen. Institutionelle bereiten sich auf der Emissionsseite vor, und es werden auch Institutionelle sein, die dann als erstes in solche digitalen Wertpapiere investieren.

Welche Vorteile bringt die Emission von digitalen Wertpapieren für den Markt und für die DEKA als Haus?
Die Digitalisierung des Wertpapiers ist unaufhaltsam. Je früher man dabei ist, desto besser ist es, denn immer mehr Emittenten geben ihre Papiere digital aus. Wer nicht mitzieht, für den wird das Anlageuniversum künftig kleiner.

Der Vorteil der Digitalisierung im Wertpapier-Bereich ist, dass die Prozessketten und die gesamte Systemlandschaft der Banken einfacher werden. Dadurch beschleunigt sich das Settlement und die Kosten für Wertpapier-Transaktionen werden sinken. Dass das wichtig ist, sehen wir beispielsweise daran, dass die SEC für den US-Markt im Mai 2024 die Settlement-Zyklen beschleunigt, von t+2 auf t+1. Dadurch verringern sich die Abwicklungsrisiken, die sich innerhalb der Zeitspanne vom Kauf bis zur Übertragung der Stücke gegen Geld (Delivery vs. Payment) ergeben.

Hier wird man zwar schneller, aber im traditionellen Wertpapier-Geschäft wird man nie auf die gleiche Geschwindigkeit kommen wie im digitalen. Mit der Blockchain ist eine Übertragung von A nach B innerhalb weniger Sekunden möglich, während heute in Europa noch ein Settlement-Zyklus von zwei Tagen gilt, nämlich t+2. In der Mitte zwischen den beiden Handelspartnern sitzt bei uns heute noch Clearstream – dort findet die eigentliche Übertragung statt.

Braucht es noch solche zentralen Clearingstellen wie Clearstream, wenn Wertpapiere digital ausgegeben werden?
Nein, die Funktion des Zentralen Clearers wird entfallen, denn sie wird dann über die Blockchain ausgeübt. Die Clearer werden natürlich schauen, welche Aufgaben sie künftig in einer digitalen Wertpapierwelt einnehmen können.

Können Sie für uns bitte mal in die Zukunft schauen?
Meine These ist, dass sich die Digitalisierung nicht aufhalten lässt. Regulatorisch ist vieles schon geregelt, und die Marktinfrastruktur wird momentan aufgebaut. Das Ganze nimmt jetzt Fahrt auf, weil alle Voraussetzungen erfüllt sind. Ich kann mir vorstellen, dass wir bereits 2030 auf der Neuemissionsseite bemerkenswerte Anteile digital haben werden… vielleicht 5 bis 10% des Neuemissionsvolumens. Wenn es dynamischer geht, dann hat sich der Markt für diejenigen, die nicht mitmachen, schon spürbar verengt. Und wenn sich die Digitalisierung im Wertpapiergeschäft erst einmal etabliert hat, dann geht es nicht mehr sukzessive, sondern es macht einfach poff!

Sind davon dann alle Marktteilnehmer betroffen?
Zumindest alle, die die Marktinfrastruktur ausmachen. Die Banken müssen jetzt ihre Infrastruktur anpassen. Der Aufbau der notwendigen Infrastruktur braucht Zeit. Schließlich müssen Know-How aufgebaut und die Mitarbeiter geschult werden. Die Prozesse und Systeme sind entsprechend anzupassen, was einiges an Komplexität birgt.

Und die Investoren?
Die haben noch etwas Zeit, denn sie können abwarten, bis die Infrastruktur aufgebaut ist und sauber funktioniert. Die Investoren brauchen ja nicht so viel zu machen. Sie müssen allenfalls ihre Depotverträge anpassen, weil künftig der Schlüssel für die Wallet verwahrt wird. Eventuell müssen sie noch ihre Anlagerichtlinien anpassen.

Vielen Dank für diese spannenden Insights!

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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