Die Platform „frauen&finanzen“ in Zollikon am Zürichsee setzt sich dafür ein, dass Frauen gute Finanzinformationen erhalten und diese dann auch für ihre eigene Vermögensanlage umsetzen können. Dr. Fleur Platow ist die Gründerin von frauen&finanzen, und sie engagiert sich auch im Beirat der Fondsfrauen vom 1. Tag an. Fleur hat kürzlich einen Marktbericht für das zweite Halbjahr 2024 herausgegeben, den wir hier in Teilen widergeben.

Deutschland trägt weiterhin die Rote Laterne
Kapitalanleger*innen aufgepasst – im Wonnemonat Mai versprühten die Prognostiker der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) trotz des lethargischen globalen Konjunkturumfelds Optimismus: Es gebe Zeichen für eine beginnende Aufhellung, obwohl das Wachstum generell bescheiden bleibe. Dies, obwohl der schlechte Einfluss der restriktiven geldpolitischen Konditionen – nämlich das relativ teure Zinsniveau – insbesondere in den Immobilien- und Kreditmärkten anhalten werde. Die Weltwirtschaft zeige sich trotzdem ziemlich widerstandsfähig. So falle die Inflation schneller als ursprünglich vorausgesehen und das Vertrauen in der Privatwirtschaft verbessere sich. Darüber hinaus würden sich der Arbeitsmarkt und die Realeinkommen (Einkommen nach Abzug der Inflationsrate) verbessern.

Meine Meinung: Dass die Entwicklung von Land zu Land unterschiedlich sein wird, versteht sich von selbst. So wird Deutschland im Gegensatz zum robusten Wachstum der USA und vieler Schwellenländer weiterhin die Rote Laterne tragen.

Schweizer Leitzinsen auf einem 15-Jahreshoch
In der Schweiz zeugt das KOF-Konjunkturbarometer der ETH-Zürich zwar von einer besseren Verfassung, aber ebenfalls von wenig Elan. Im Mai performten vor allem die Indikatoren aus dem verarbeitenden Gewerbe, den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen und dem Auslandsgeschäft negativ. Der «kranke Mann», unser Nachbar und Hauptexportpartner Deutschland, lässt grüssen! Vor allem im Maschinenbau, der Chemie- und Pharmaindustrie ist die Abkühlung zu spüren, während die Schweizer Leitzinsen sich auf einem 15-Jahreshoch befinden.

Konsens über globales Gewinnwachstum von etwas über 3 Prozent
Generell präsentiert sich das konjunkturelle Globalszenario vor dem Hintergrund der Belastung durch restriktivere Finanzbedingungen (höhere Kreditkosten) und andere Faktoren wie zum Beispiel dem Ukraine- und Nahost-Konflikt aber relativ stabil. Das bezeugt unter anderen Prognostikern auch die OECD mit ihrer Wachstumsprognose des globalen Bruttoinlandsprodukts für 2024/25 von +3.1 Prozent und +3.2 Prozent im Vergleich zum Jahr 2023.

Fazit: Damit verliert die Weltwirtschaft in diesem und im nächsten Jahr im Vergleich zur Dekade vor der Finanzkrise von 2008/09 an Tempo, doch das Wachstum kommt nahe an die geschätzten potenziellen Raten heran. Für Risikoanlagen wie Aktien ist dies eine gute Nachricht, denn eine angenehme sogenannte „Sanfte Landung“ der Wirtschaft erleichtert es den Notenbanken, die Zinswende durchzuführen. Dies würde, wie UBS-Schweiz-Chefökonom Daniel Kalt kürzlich in einer Medienkonferenz betonte, zugleich robuste Unternehmensgewinne unterstützen.

Solide Bewertung der Aktienmärkte
Der Konsens für das globale Gewinnwachstum bestätigt diese These. So sprechen die Indikatoren gemäss der Österreichischen Erste Group für eine Gewinnsteigerung um durchschnittlich +6.6 Prozent für das laufende bzw. um +10.7 Prozent für das kommende Jahr.

Fazit: Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis des globalen Aktienindex beträgt 18.5x und die globale Dividendenrendite 2.0 Prozent. Diese Daten lassen auf einen weiteren moderaten Anstieg der globale Aktienmarktindizes bis Jahresende schließen.

EZB senkte erstmals seit fast fünf Jahren die Zinsen
Zudem senkte die Europäische Zentralbank EZB am 6. Juni erstmals seit fast fünf Jahren die Zinsen. Die Währungshüter um Notenbankpräsidentin Christine Lagarde setzten den Leitzins um 0.25 Prozentpunkte auf 4.25 Prozent nach unten. Den am Euro-Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Banken für das Parkieren von Cashpositionen bei der Zentralbank erhalten, senkte sie auf 3.75 Prozent von bisher 4.00 Prozent.

Zuletzt hatte die EZB im September 2019 die Zinsen gesenkt. Mit ihrem Schritt nach unten folgt sie den Zentralbanken Kanadas, der Schweiz und Schwedens, die bereits die kommenden Zinssenkungsrunden eingeleitet haben. Die einflussreiche US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hält bislang noch still, obwohl sich die Inflation in den Vereinigten Staaten auch von den Spitzenwerten entfernt hat. Doch das Wirtschaftswachstum der europäischen Länder ist weniger robust als in Amerika. Als Folge davon ging die Konsumentenpreisinflation im Zuge der straffen Geldpolitik und der Verbilligung der Energiepreise sowie des abnehmenden Drucks durch Lieferkettenprobleme unter Schwankungen etwas deutlicher zurück als in den USA.

Die OECD betont dazu, dass die Nahrungsmittel-Inflation in den meisten Ländern drastisch gefallen sei, auch weil die Kornpreise nach den zu Beginn des Ukraine-Kriegs erreichten Höchstniveaus signifikant sanken. Dagegen verharrte die Inflation im Dienstleistungssektor insbesondere bei den Löhnen in den meisten Ländern hartnäckig über dem Durchschnitt der Phase vor der Pandemie.

KI als Beschleuniger der Produktivität und der Innovationen
Ein sogenannter «Sweet Spot» im aktuellen Umfeld ist die Künstliche Intelligenz (KI). Denn sie verschafft den Teilnehmern heute schon massive Vorteile:

  • Die Förderung guter Kundenverbindungen
  • Die Reduktion ihres CO2-Fussabdrucks
  • Die Absicherung ihrer Lieferkapazitäten
  • Die Steigerung ihrer Produktivität (Arbeitsleistung in einer bestimmten Periode).

Viele Unternehmen stufen die KI damit als ein Instrument zur Erreichung dieser Ziele ein. Dennoch gilt deren Anerkennung anderen heute noch als eine schwierige Herausforderung. Experten sind überzeugt davon, dass die KI das Zeug zur Belebung des Produktivitätswachstums und zur Beschleunigung der Innovationen hat. Trotzdem wird die Einschätzung ihres Einflusses auf die Produktivität als ein mit beachtlichen Unsicherheiten belastetes Thema interpretiert.

Festzustellen ist, dass der Anteil der Firmen, die KI einsetzen, insbesondere bei den großen Konzernen drastisch angestiegen ist. Nach Ansicht der OECD dürfte der Netto-Effekt der KI auf die Produktivität von vielen Faktoren abhängen: Unter anderem von der Intensität, zu dem die neuen Technologien konzentriert oder aber weit verstreut innerhalb der einzelnen Firmen genutzt würden; auch das Ausmaß, zu dem KI Arbeitsplätze vermehrt anstatt vermindert, sei ein wichtiger Aspekt.

Meine Meinung: Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass KI einen Megatrend repräsentiert, der die Welt auch in den kommenden Dekaden beeinflussen wird. Eine Hauptrolle dürfte unter anderem die Produktivitätssteigerung spielen, zu der die KI innerhalb des Aktienuniversums beitragen kann. Deshalb ist dieses Thema auch für Anleger*Innen attraktiv. Anlagetipp: iShares ETF Automation & Robotics, ein ETF mit USD 3.046 Milliarden Fondsvolumen und globalen Aktien aus dem Tech-Sektor, Gesamtkostenquote 0.40%.

Warnung vor explodierender Staatsverschuldung
Die erwähnte OECD-Prognose enthält neben positiven und negativen Aspekten auch konkrete Warnungen: Die Fiskalpolitik müsse, so die Auguren, den steigenden Druck der Schulden nachhaltig adressieren. Denn der Anteil der Staatsverschuldung steige in vielen Ländern weiter. Die Regierungen seien zunehmenden fiskalischen Herausforderungen durch anziehende Verschuldungs- und Ausgabenquoten ausgesetzt, zum Beispiel aus Gründen der wachsenden Alterung der Bevölkerung, des Klimawandels sowie der steigenden Verteidigungsbudgets. Darüber hinaus warnt die OECD vor der Verteuerung neu zu bewältigender signifikant steigender Staatsverschuldungen. Sie ruft die Länder deshalb zur baldigen Einleitung effizienter Reformen des Ausgabenwachstums und zur Etablierung glaubwürdiger Steuerpläne auf.

Die OECD regt deshalb stärkere politische Aktionen zur Förderung von Innovationen und Talenten an, die dem technologischen Fortschritt, der Produktivitätssteigerung und der Arbeitsplatzsicherung dienen. Nicht zuletzt sei Innovation von Bedeutung für eine erfolgreiche und kosteneffektive Bewältigung des Klimawandels. In diesem Sinne lautet der Rat der OECD-Auguren: «Während der grösste Teil der Forschungsarbeit im Privatsektor erfolgen wird, könnten und sollten staatliche Strategien die Innovationen langfristig unterstützen.»

Meine Meinung: Der zunehmende Einsatz der KI dürfte mit Wachstums- und Beschleunigungseffekten verbunden sein und damit langfristig positiv auf die Bewältigung der besorgniserregenden Verschuldungsstrukturen wirken.

Wer die komplette Finanzmarktprognose von Dr. Fleur Platow lesen möchte, findet diese auf der Website von Frauen&Finanzen.

Über Dr. Fleur Platow

  • Die Finanzjournalistin Fleur Platow war über ein Jahrzehnt Zürcher Auslandskorrespondentin für International Reports on Finance and Currencies, einer Tochter der Financial Times in New York.
  • Sie hat ihre Erfahrungen der Geldvermehrung in ihr Seminar Frauen&Finanzen eingebracht.
  • Sie war von 1997 bis Sommer 2013 Consultant und Geschäftsleitungsmitglied des Smart Ladies‘ Investmentclubs SLIC.
  • Sie hat das Schweizer Frauen-Fondsforum in Kooperation mit dem SLIC gegründet.
  • Die Anlageexpertin Fleur Platow ist Autorin diverser Bücher und Mitglied verschiedener Beiratsgremien, unter anderem bei den Fondsfrauen.

Foto: Gaby Schmidt

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