Wir begrüßen unser neues Förder-Mitglied, die MEAG. Da wollen wir gleich wissen, was dort in Sachen Diversity getan wird und sprechen mit Katja Lammert. Sie ist dort Chief Administration Officer und verantwortet die Bereiche Legal, Regulatory & Compliance, Operations, Portfolio Administration, IT, Outsourcing-Controlling und ESG.

Katja, Du bist von Hause aus Rechtsanwältin, daher erst mal eine rechtliche Frage: Was können wir in Bezug auf das Thema Diversity von der EU-Sozialtaxonomie erwarten?
Von der EU-Sozialtaxonomie können wir erwarten, dass sie konkrete Vorgaben auf politischer Ebene bringt. Wir rechnen damit, dass etwas zum Thema Gender-Pay-Gap kommt, und auf alle Fälle wird es Transparenz-Vorgaben geben, beispielsweise was die Arbeitsbedingungen in Betreuungssituationen oder in der Elternzeit betrifft.

Wann wird die Sozialtaxonomie in Kraft treten?
Ich persönlich glaube nicht, dass sie vor 2024 kommt. Dann mit Berichtspflichten im Jahr 2025 über das Jahr 2024.

Du bist seit 1. Oktober 2021 bei der MEAG in der Geschäftsführung. Vorher warst Du selbständig als Rechtsanwältin, die auf das Fondsgeschäft spezialisiert ist. Wie ist es, für ein so großes Haus zu arbeiten?
Vor meiner Selbständigkeit war ich im Vorstand bei einem mittelgroßen Haus. Warum ich jetzt bei einem Großkonzern bin? Mich hat einfach das Modell MEAG überzeugt. Dort hat man die Potenziale und die Internationalität eines Großkonzerns. Aktuell sind wir in der MEAG im strategischen Umbruch und treiben eine umfassende Weiterentwicklung voran: Vom Konzern-Asset Manager zu einem Asset Manager, der den Ausbau des Geschäfts mit externen institutionellen Kunden konsequent ausbaut und auch aktiv am Markt auftritt. Aufgrund dessen herrscht hier ein echter Startup-Spirit; es wird jeder Stein umgedreht, Prozesse hinterfragt, neu aufgestellt, neue Produkte konzipiert: Für jemanden, der wie ich gerne gestaltet, also ein sehr optimales Umfeld.

Was mir dabei besonders Spaß macht ist, die tägliche Interkommunikation; das ist vermutlich die größte Veränderung von meiner Selbständigkeit als Einzelkämpferin in den letzten zwei Jahren. Da ich aber Führung und Interaktion nicht als anstrengend sondern bereichernd empfinde, ist dieser Change leicht zu verkraften.

Auch die Breite des Geschäftsmodells über alle Asset-Klassen – liquide & alternative Assets sowie Real Estate – finde ich spannend.

Gibt es auch eine Kehrseite der Medaille?
Die gibt es natürlich auch. Themen wie „das haben wir schon immer schon so gemacht und wollen das auch nicht hinterfragen“ findet man – wie in anderen Häusern – auch hier. Aber auch das verändert sich gerade mit der strategischen Neuausrichtung, und die Aufbruchsstimmung im Haus dominiert.

In der Geschäftsführung der MEAG seid Ihr 2 Frauen, von 9 Mitgliedern. Das ist vorbildlich, wenn man bedenkt, dass der Schnitt in der Geschäftsführung deutscher Fondsgesellschaften nur bei 13,7% liegt. Was tut die MEAG, um ein gutes Klima für Karrierefrauen zu bieten?
Wenn man es genauer betrachtet, sogar noch besser: Die MEAG unterteilt sich in zwei Gesellschaften; die MEAG Asset Management – hier sind wir vier Herren und eine Dame – und die MEAG KAG – dort sind wir vier Herren und zwei Damen. Mein Kollege Prashant Sharma und ich haben Doppelfunktionen und sind für beide Gesellschaften tätig.

(Gender-) Diversity ist hier kein bloßes Lippenbekenntnis, sondern wird ernst genommen und es wird viel dafür getan, Frauen zu fördern und in Führungspositionen zu bringen. Das ist auch deutlich sichtbar: Im letzten Jahr haben sich bei uns wirklich viele Frauen auf Führungspositionen entwickelt. Von allen im Jahr 2021 besetzten (intern + extern) Führungspositionen waren 35% weiblich. Damit stehen wir schon gut da.

Diversity wird natürlich auch von der Geschäftsführungs-Ebene unterstützt, beispielsweise ist der Schirmherr unseres internen Frauen-Netzwerks ein Mann – mein Kollege Prashant Sharma!

Welche festen Diversity-Ziele habt Ihr Euch bei der MEAG gegeben?
Wir haben uns als Gruppe feste Ziele gesetzt, so wollen wir Gruppenweit bis 2025 40% aller Führungspositionen mit Frauen besetzen. Um sicherzustellen, dass Diversity bei der Besetzung von Führungspositionen berücksichtigt wird, schreibt unser Auswahlprozess vor, dass eine weibliche Führungskraft im Entscheidungsgremium ist, um sicherzustellen, dass Frauen die gleichen Chancen haben. Es wird aber auch darauf geachtet, dass die männlichen Kollegen von dem Umdenken profitieren und dass es beispielsweise für sie normal ist, auch in Elternzeit zu gehen.

Was macht Ihr noch in Bezug auf Frauenförderung?
Wir achten darauf, Diversity in der gesamten Bandbreite des Employee Life Cycle zu verankern. Angefangen bei einem starken Außenauftritt:  So arbeiten wir kontinuierlich an unserem Employer Branding und der Art und Weise der Ansprache unserer neuen Kandidatinnen und Kandidaten. Das zahlt sich im Recruiting aus; wir merken, dass bei der Wahl des Arbeitgebers nicht mehr nur Aufgaben und Gehalt eine Rolle spielen, sondern auch kulturelle und soziale Aspekte. So ist es Bewerbern beispielsweise auch wichtig, wie sich ein Unternehmen in Bezug auf ESG positioniert und ob bzw. welche sozialen Projekte unterstützt oder initiiert werden.

Insbesondere setzen wir auch in unserem Trainee-Programm eine hälftige Verteilung zwischen männlichen und weiblichen Kandidaten als Ziel; im letzten Jahr hatten wir sogar 56% Frauen im Trainee-Programm. Wir sehen aber auch, dass eine stärkere Repräsentanz von weiblichen Kandidaten im Portfoliomanagement schwierig ist. Der Beruf scheint bei weiblichen Absolventinnen und Bewerberinnen nicht so beliebt oder vielleicht auch nicht so präsent zu sein.

Darüber hinaus haben wir beispielsweise bei unserem Gehaltssystem das subjektive Moment herausgenommen, um geschlechtsspezifische Benachteiligung zu vermeiden.

Und um die Vereinbarkeit von Familie & Beruf zu erleichtern und zu fördern, bieten wir über einen exklusiv für die MEAG tätigen Anbieter Krippenplätze an. Wir kooperieren auch gerne mit dem internen Frauennetzwerk, und nutzen darüber hinaus verschiedene Austauschformate, um die Sichtbarkeit unserer weiblichen Talente zu erhöhen. Natürlich nutzen wir auch unsere Mutter, und es gibt verschiedene Initiativen gemeinsam mit Munich Re.

Um die Spanne an weiblichen Führungskräften in der Finanzbranche zu erweitern, muss man bereits in der Ausbildung – deutlich vor dem Berufseinstieg – anfangen, da die Finanzbranche, wie Ihr auch in der Fearless Girls-Studie zeigt, leider bei weiblichen Studierenden und Absolventinnen als nicht sehr attraktiv wahrgenommen wird. D.h. hier muss man sich als Arbeitgeber an Universitäten zeigen, um den (weiblichen) Studierenden die Finanzbranche vorzustellen. Wir wollen und müssen zeigen, dass die Finanzbranche kreativ ist und eine unglaubliche Vielfalt an Möglichkeiten bietet.

Bloomberg hat in diesem Jahr eine Initiative dazu gestartet, deren Ambassador ich bin – die EU Women in Finance Initiative. Diese wurde im März dieses Jahres gelauncht und soll auch dazu beitragen, mehr Frauen für die Finanzbranche zu begeistern. Die Initiative ist in der EU ausgerollt und wird durch weibliche Ambassadors – weibliche Vorstände/ Führungskräfte von großen Unternehmen und/ oder der öffentlichen Hand aus den verschiedenen Mitgliedstaaten. Die Ambassadors haben die Rollen, Unternehmen und der Finanzbranche starke weibliche Stimmen zu geben und gerade junge Frauen zu ermutigen, sich entweder erstmalig für eine Karriere in der Finanzbranche zu entscheiden oder auch den Mut zu haben, den Hut für eine Führungsposition oder eine andere spannende Herausforderung in den Ring zu werfen, auch wenn es auf den ersten Blick ein Risiko sein mag.

Diesen Effekt versuche ich auch durch die Teilnahme an entsprechenden Panels zu verstärken, um auch hier der MEAG eine starke weibliche Stimme zu geben.

Auf welche Diversity-Kriterien achtet Ihr bei Euren Portfoliounternehmen?
Auf eine Kombination aus allem. Der offensichtlichste Faktor ist natürlich Frauen in der Führung, da ist auch größter Handlungsbedarf; aber wir achten insgesamt auf Ausgewogenheit.

Wie geht Ihr da vor?
Wir nehmen dazu verschiedene ESG-Ratings zu Hilfe, die beispielsweise die Themen Board-Diversity, Arbeitsbedingungen, Vergütungssysteme einfangen. Andere Themen rein über die Ratings abzufragen, ist schwierig; harte Fakten beispielsweise über Pay Gap bekommt man eigentlich nur über Engagement raus.

Im illiquiden Bereich, wo wir sehr aktiv sind, ist es leichter als im liquiden Bereich. Dort können wir über direktes Engagement mit den relevanten Personen sprechen und ihnen die notwendigen Fragen stellen.

Wer liefert Euch im liquiden Bereich die notwendigen Diversity-Daten?
Weil wir international investieren, verwenden wir überwiegend MSCI und Bloomberg. Bloomberg hat auch einen Gender-Index.

Wie Du vorhin gesagt hast, hat die Finanzbranche nicht den besten Ruf bei Uni-Absolventinnen. Was können wir als Branche gegen dieses schlechte Image tun?
Wie gesagt – unsere Branche ist viel spannender und vielseitiger als man von außen glaubt! Und da helfen Initiativen wie die oben genannte. Aus eigener Erfahrung kann ich aus meinen Anfängen in der Finanzbranche – damals im Rechtsbereich – berichten, dass mein Aufgabengebiet immer sehr vielseitig war und durch eine hohe Nähe zum Business geprägt war. Ganz anders als bei manchen Studienfreunden, die in die vermeintlich spannendere Medienbranche gegangen sind und dort eigentlich ausschließlich Lizenzverträge geprüft haben. Mit ESG und Sustainable Finance ist ein weiterer spannender Bereich dazu gekommen, der noch in den Anfängen seiner Entwicklungsphase steck und dadurch viel an Gestaltungspotential bietet.

Und genau dafür müssen wir an den Unis werben oder auf Job-Messen gehen und junge Leute aus dem Unternehmen zwecks Erfahrungsbericht hinschicken, damit sie dort berichten und „Lust auf die Branche machen“.

Wie siehst Du das: Ist ein verantwortungsvoller Job in der Finanzbranche für Frauen geeignet, oder muss man dazu schon sehr robust sein, nach dem Motto „nur die Harten kommen in den Garten“?
Ich halte Jobs in der Finanzbranche für sehr geeignet für Frauen. Die Jobs sind, wie dargelegt, vielseitig und spannend und haben eine Menge Potenzial.

Ja, die Branche ist sehr männlich dominiert. Das ist für Frauen am Anfang sicher gewöhnungsbedürftig und vielleicht hat man auch mal die Situation, sich den einen oder anderen flapsigen Spruch anhören zu müssen. Da hilft, auf Durchzug zu schalten oder Dinge zu versachlichen, wenn es geboten ist. Situationen wie diese sind aber kein Alleinstellungsmerkmal der Finanzbranche, das kann einem überall begegnen und da muss man lernen, Dinge nicht zu persönlich zu nehmen.

Alles in allem ist die Finanzbranche sehr gut für Frauen geeignet und es gibt viele spannende Bereiche – sicher mehr als man von außen meint.

Bevor man sich bei einer Gesellschaft bewirbt, kann man ja nicht wirklich hineinschauen. Was rätst Du Frauen, auf was sie vor einer Bewerbung schauen sollten, um ein gutes Unternehmen für sich zu finden?
Ich schau mir die Website und das Board einer Firma an, die mich interessiert, und auch den LinkedIn-Auftritt. Was zeigt das Unternehmen von sich? Welche Menschen kommentieren? Und was? Da bekommt man bereits einen guten ersten Eindruck dafür, wie ein Unternehmen aufgestellt ist.

Mit Frauen aus der Branche bzw. den jeweiligen Unternehmen zu sprechen ist für einen ersten Eindruck oft schwierig… vielleicht auf Netzwerk-Veranstaltungen wie die von den Fondsfrauen. Aber da erhält man natürlich ein subjektives Bild – in Abhängigkeit seiner jeweiligen Gesprächspartnerinnen.

Kannst Du Beispiele für gute Websites nennen, die Dir aufgefallen sind?
Die der MEAG natürlich! Schau sie Dir mal an.  Die ist spannend, und auch unser Board ist divers. Gelungen finde ich auch die Seite von Glaxo Smithkline.

Danke Katja, für das gute Interview, und für die Praxis-Beispiele!

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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