Wer sagt eigentlich, dass Frauen viel reden? Wenn dem so wäre, dann müssten sie ja eigentlich viel vom Reden und von Rhetorik verstehen. Schaut man sich aber die Rhetorik-Bücher an, die es am Markt gibt, sind die meisten von männlichen Autoren geschrieben. Julia Reichert ist eine der wenigen Rhetorik-Buch-Autorinnen, und wir haben gleich ein Gespräch mit ihr geführt… natürlich darüber, wie wir gut präsentieren und reden können! Denn früher oder später muss das jede von uns im Job!

Julia Reichert, Sie schreiben und reden übers öffentliche Reden, also über’s Präsentieren vor Publikum. Warum ist es so wichtig, dass wir vor Menschen gut und interessant reden können?
Damit eine Message rüberkommt, ist es essenziell, dass man gut reden kann. Dabei ist das WIE beinahe wichtiger als das WAS. Ohne gutes Präsentieren ist der Inhalt für die Katz!

  • Autorin: Julia Reichert
  • Verlag: KDP, ISBN: 979-8397498708
  • Preis: € 19,99 (D)
  • Taschenbuch, 146 Seiten
  • Erschienen: Juni 2023

 

 

Sie haben das Buch „Wie erfolgreiche Menschen reden“ geschrieben. Für wen haben Sie es geschrieben, und warum ist Ihnen das ein Anliegen?
Auslöser war mein Studium. Die Studierenden haben wirklich oft super-spannende Themen und halten darüber Referate oder haben Prüfungen. Weil die meisten aber Lampenfieber haben, lesen viele ihre Texte einfach nur runter. Ich habe mich gefragt: „Wieso kann man das nicht so hinbekommen, dass man sich für das Referat auch interessiert?“

Ich habe Neurowissenschaft der Sprache studiert, und wollte natürlich nicht ein weiteres trockenes Rhetorik Tool erstellen. Bei Rhetorik-Seminaren sind meistens Leute zwischen 15 und 65, und viele von ihnen wollen ihr Lampenfieber ablegen. Für mein Buch gibt es keine Altersbeschränkung. Ich erkläre die psychologischen Aspekte der Rede, und auch wie die Psyche der Zuhörer funktioniert.

Bevor man lernt, erfolgreich zu reden, muss man sich ja erst mal trauen. Wie sollen wir denn mit Lampenfieber umgehen?
Es ist wichtig zu verstehen, dass Lampenfieber normal ist; jeder hat es! Wir Menschen haben das noch von früher. Wenn uns früher eine Horde fremder Menschen gegenüberstand, mussten wir davon ausgehen, dass sie uns feindlich gesonnen war. Daher waren wir gestresst. Dasselbe passiert, wenn man eine Rede hält. Man kennt seine Zuhörerschaft ja meistens nicht. Wenn man dann aber Applaus bekommt oder wenn einen jemand anlächelt, dann geht das Lampenfieber sehr schnell weg.

Kann man Lampenfieber sozusagen „wegtrainieren“?
Nicht ganz. Die beste Technik gegen Lampenfieber ist, dass man das, was man sagen möchte, vor Freunden oder vor Familienmitgliedern übt. Es hilft auch, wenn man sich vorab mit der Vortrags-Umgebung vertraut macht. Einfach mal in den Seminarraum gehen, und probieren, wie laut muss ich sprechen? Und die Technik prüfen. Wenn man das gemacht hat, senkt das das Lampenfieber, weil dann ein Teil der Ungewissheit weg ist.

Sie schreiben, dass wir Lampenfieber sogar in Vorfreude umwandeln sollen. Wie kriegen wir es hin, dass wir beim Reden nicht nur keine Angst, sondern sogar Spaß haben können?
Das eine ist das Vorbereiten und Üben. Das andere ist, dass ich nicht im Kopf habe „Oh nein, morgen muss ich vortragen“. Lieber sollten wir denken: „Ich mach da was richtig Cooles draus! Ich werde mein Publikum überraschen und überzeugen“. Dann kann eine Präsentation oder ein Vortrag richtig Freude machen. Lampenfieber hat man trotzdem noch, aber ein gewisses Stress-Niveau hilft uns auch, uns besser zu konzentrieren.

Kann man öffentliches Reden üben, und sollten wir das tun und aktiv nach Gelegenheiten suchen?
Definitiv! Man kann das zum Beispiel ganz spontan ausprobieren auf der nächsten Familienfeier. Alternativ kann man auch in einen Debattier-Club gehen. Hier in München gibt es zum Beispiel einen, der sich einmal wöchentlich trifft.

Vor einem Zweier- oder Dreier-Gespräch hat man kein Lampenfieber. Ab wieviel Personen stellt sich das eigentlich ein?
Das ist ganz unterschiedlich. Lampenfieber kann bei 3 bis 5 Personen so groß sein wie bei 500. Es ist extreme Übungssache. TV-Moderatoren haben sich an öffentliches Sprechen gewöhnt, die haben eher wenig Lampenfieber.

Wie kann ich meine Zuhörer von einem Thema begeistern, wenn das Thema für sie anfangs eigentlich gar nicht interessant ist?
Begeistern kann man jeden von jedem Thema, wenn man seine Zuhörer auf der emotionalen Schiene abholt. Wenn ich z.B. weiß, dass die meisten meiner Zuhörer ambitionierte Golfer sind, dann schaue ich, dass ich mein Thema irgendwie in einen Zusammenhang mit Golf bringe. Eine Geschichte muss emotional berühren. Das geht natürlich auch mit Bildern, Bezug zum aktuellen Geschehen und Interaktion mit dem Publikum.

Jeder von uns kennt das: Auf Konferenzen schauen viele in ihr Smartphone und beantworten ihre Mails… Wie bringe ich meine Zuhörer dazu, ihr Smartphone aus der Hand zu legen und mir für 15 Minuten ihre Aufmerksamkeit zu schenken?
Ein ganz wichtiger Aspekt sind Überraschungen. Wir Menschen befinden uns die meiste Zeit im Default-Modus; wir laufen also auf Autopilot. Auf diese Weise spart unser Gehirn Energie. Bei einem Vortrag müsste man sich konzentrieren, und auf eine längere Aufmerksamkeitsspanne haben die wenigsten Menschen Lust. Um sie aus ihrem Abschalt-Modus rauszuholen, muss ich mein Publikum laufend überraschen.

Wie mache ich das?
Ich rate, niemals mit einer Gliederung zu beginnen. Wenn man einen roten Faden in seinem Vortrag hat, ist eine Gliederung gar nicht nötig. Letztlich geht es ja um Unterhaltung. Politiker legen für ihre Reden auch keine Gliederung vor, und vor dem Kinobesuch will ich auch keine. Lieber eine interessanten Eingangsfrage stellen, die zum Thema passt, und dann sagen: „Ich verspreche, dass wir die Frage während des Vortrags beantworten.“ Ich kann auch ein Video zeigen oder auf der Bühne anfangen zu tanzen. Es darf halt nie langweilig werden. Die Filmindustrie beherzigt das auch, und nutzt immer schnellere Szenen-Wechsel. Daher ist es wichtig, nicht zu lange eine Sache zu erklären, sondern lieber mehrere spannende Dinge zu bringen. Briten fangen ihre Präsentation gern mit einem Witz an. Das ist gut, denn Witz schafft Interaktion und Sympathie. Wer eine Präsentation mit einem Witz anfängt, braucht wirklich keine Gliederung!

Wie sollte ich meine Stimme bewusst einsetzen?
Es gibt explizite Stimm-Trainings, meistens von Schauspiel-Trainern. Dort lernt man, wann man welche Worte betont, wann man Pausen machen soll, damit die Zuhörer nachdenken können. Es spielt auch eine Rolle, dass man mal leiser und mal lauter spricht, um Monotonie zu vermeiden.

Wie soll ich mich für einen Vortrag geben, also wie setze ich Körpersprache ein? Wie soll ich mich anziehen und zurecht machen, damit ich gut und sympathisch rüberkomme?
Sie sprechen es an: Sympathie ist ein ganz wichtiger Faktor, damit einem überhaupt zugehört wird. Kleiden sollte man sich für einen Vortrag am besten unauffällig, aber hochwertig. Wir können den ersten Eindruck nicht ausblenden. Wenn der Vortragende dann billig aussieht, könnte das Publikum denken, dass der Inhalt ebenfalls vernachlässigt wurde. Das gesamte Erscheinungsbild sollte dezent und professionell sein.

Rhetorik lernte man schon bei den alten Griechen und Römern. Sind die Methoden guter Rhetorik eigentlich immer gleich, oder unterliegt gute Rhetorik dem Zeitgeist?
Die Methoden von damals sind heute noch aktuell, aber unser Umfeld hat sich geändert. Heute haben wir durch die Informationsflut viel mehr Ablenkung. Daher sollten wir heute noch stärker den Aspekt der Überraschung einsetzen. Auch Interaktion mit dem Publikum oder das Zeigen eines Videos bieten sich an. Wir müssen schließlich das Publikum bei Laune halten, und dazu haben wir heute viel mehr Mittel als die alten Griechen. Aber deren Rhetorik-Regeln haben immer noch Gültigkeit.

Vielen Dank! Wir hoffen, dass wir den einen oder anderen Tipp bei unserer nächsten Präsentation bald umsetzen können!

Julia Reichert
Kommunikationstrainerin für Neuro Rhetorik, Buch-Autorin
Copyright Foto: Vogelwild und Andres
Webseite: www.juliareichert.de

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Anke Dembowski

Anke Dembowski is a financial journalist and author of various investment fund-related and other financial books. She is also a co-founder of the "Fondsfrauen" network.

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