Zusammen mit Fabian Terner gründete Malte Rau im Mai 2020 die FinTech-Firma Pliant. Das junge Unternehmen bietet digitale Firmenkreditkarten an, die sehr flexibel sind. In der Vergangenheit hat sich Malte Rau gelegentlich über Frauen im Tech-Bereich geäußert, daher fragen wir mal nach.

Herr Rau, Sie haben ein FinTech gegründet. Was bieten Sie mit Ihrer Firma an?
Wir erleichtern es Unternehmen, für deren MitarbeiterInnen unterschiedliche Dinge des Arbeitsalltags käuflich zu erwerben. Der traditionelle Anwendungsfall für Geschäftskreditkarten, zum Beispiel für Reisen, macht nur einen kleinen Teil der Ausgaben unserer KundInnen aus. Mit unserer App können Firmen die Ausgaben ihrer MitarbeiterInnen kontrollieren – mit minimalem Aufwand oder Papierkram. Pliant ist für Firmenkreditkarten sozusagen das, was Smartphones für Klapphandys sind.

Was können die etablierten Firmen von FinTechs lernen?
Innovation bedeutet, dass man selbst die etabliertesten Geschäftsvorgänge hinterfragt. FinTechs erfinden beispielsweise das Geschäftskonto oder Kreditkarten neu, obwohl sich diese seit 20 Jahren nicht mehr geändert haben.

Derzeit wird sich allerorten über den Fachkräftemangel beklagt. Was tun Sie dafür, damit sich Talente bei Ihnen bewerben, speziell weibliche Talente?
Die Marktlage – insbesondere in Berlin – sieht aktuell so aus, dass es sogar einen Überhang an Talenten gibt. So gesehen können wir uns nicht beschweren, aber Frauen sind leider nur sehr wenige dabei. Der Anteil weiblicher Mitarbeiterinnen außerhalb unserer IT ist bereits sehr hoch, innerhalb der IT allerdings immer noch dürftig. Es ist fast unmöglich eine hohe Quote zu erreichen, deshalb sind wir als Pliant froh darüber, in diesem Rahmen sprechen zu dürfen und uns klar zu positionieren. Unsere Türen standen und stehen für alle talentierten Menschen offen, Frauen gerne vor.

Wieso möchten Sie gern diverse Teams haben? Was bringt Ihnen das aus geschäftlicher Sicht?
Durch die Arbeit mit diversen Teams werden deutlich mehr Perspektiven vertreten. So ist gewährleistet, dass der Input möglichst gut gemischt ist und auf Dauer nicht stagniert. Insbesondere strategische Entscheidungen profitieren davon. Zudem ist die Zusammenarbeit durch die unterschiedlichen Einflüsse sehr viel angenehmer. Vielfalt am Arbeitsplatz hat in unserem Unternehmen eine hohe Priorität.

Startups machen vieles anders als etablierte Firmen. Was machen Sie in Bezug auf Diversity in Ihrer Firma anders?
Startups haben es insofern einfacher, als dass sie schon sehr viel früher Prozesse und Ähnliches aufsetzen können. Ähnlich wie bei der Digitalisierung ist es viel schwerer, etwas nachträglich einzuführen, als von Anfang an diese zu berücksichtigen. Zusätzlich sind ESG-Themen mittlerweile auch durch InvestorInnen sehr stark getrieben. Wir machen hierzu regelmäßig Bestandsaufnahmen. Eine zusätzliche Herausforderung eines Startups ist, dass man viele Themen priorisieren muss, wie beispielsweise Wachstum, um zu überleben. Dadurch drohen solche wichtigen Themen auch schneller nach hinten zu rücken, als in einem Unternehmen, das bereits profitabel ist. Allerdings achten wir darauf, dass wir konstant an diesem Thema bleiben und es nicht aus den Augen verlieren.

Können Sie ein paar Zahlen nennen, z.B. wie viele Frauen bei Ihnen in Führungspositionen sind oder wie viele Berufseinsteigerinnen sich bei Ihnen bewerben?
Ich glaube, dass Berufseinsteigerinnen bereits an den Unis aktiver angeworben werden müssen, damit langfristig faire Änderungen möglich sind. In unserer Führungsebene sind mein Mitgründer und ich als Geschäftsführer, und unsere Prokuristin ist Führungskraft der Rechtsabteilung (Chief Legal Officer). In unserer Datenabteilung freuen wir uns darüber, dass Frauen die Mehrheit darstellen. Auch in der IT streben wir ein ausgewogenes Verhältnis an, haben es aber noch nicht.

In den MINT-Fächern sind junge Frauen seltener zu sehen als junge Männer. Logisch, dass sich dann weniger Frauen in Tech-Firmen bewerben. Sind Frauen von Natur aus weniger technik-begabt als Männer?
Ich würde das klar verneinen. Ich glaube eher, dass das Interesse nicht stark ausgeprägt ist. Schon sehr früh sieht man, dass viel mehr Jungen am PC spielen als Mädchen. Durch solche Hobbies entwickelt sich ein anderes Grundinteresse. Ich bin der festen Überzeugung, dass es da draußen ganz viele Tech-begabte Frauen gibt, dass bei ihnen aber anders gelagerte Interessen zu anderen Berufswahlen führen.

Was kann man Ihrer Meinung nach tun, damit sich mehr Frauen für MINT-Berufe interessieren?
Ich glaube, dass dies mit den schon sehr früh entwickelten Interessen zusammenhängt. Das beginnt bereits bei der Auswahl der Hobbies für die Kinder. Vermutlich wird hier vieles auch von den Eltern vorbestimmt.

Frauen wird oft vorgeworfen, weniger Risiken einzugehen. Sich bei einem jungen FinTech zu bewerben, stellt ein gewisses Risiko dar. Wie sehen Sie das?
Es ist korrekt, dass es in jungen Startups eher das Risiko gibt, dass man den Job verliert, beispielsweise aufgrund einer Insolvenz. Dass Frauen deshalb weniger bereit sind, Risiken einzugehen, sehe ich nicht so. Wie bereits gesagt, haben wir einen hohen Frauenanteil in unserer Firma – der Gegenbeweis für diese Behauptung.

Gründerinnen beklagen sich gelegentlich, dass sie bei Kapitalgebern seltener Berücksichtigung finden. Ist da was dran?
Gerne würde ich das mit „nein“ beantworten, aber bisher ist es leider noch so. Es treten zwar mittlerweile immer mehr erfolgreiche Gründerinnen als Vorbilder für junge Frauen auf, doch an den Zahlen ändert das aktuell noch wenig. Wenn man gründet, kommt man nicht an Finanzierungsrunden vorbei, und das Investitionsverhältnis ist sehr unausgeglichen. Gleichzeitig merken wir auch, dass die Investoren immer mehr Wert auf ESG legen.

Welche Tipps können Sie jungen Frauen in Bezug auf ihren Beruf mit auf den Weg geben?
Das übergeordnete Thema ist Diversität. Dies bedeutet nicht unbedingt einfach Geschlecht, sondern es geht dabei auch um unterschiedliche Fähigkeiten. Beispielsweise ist die Fähigkeit einfühlsam zu sein bei Frauen stärker ausgeprägt und extrem wichtig in Führungsrollen. Sollte man nicht eher die Fähigkeiten fördern, anstatt Menschen bestimmte Interessen vorzuschreiben?

Vielen Dank für das Interview, Herr Rau!

Foto: Malte Rau (zur Verfügung gestellt von Pliant)

 

 

 

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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