Dinara Wagner ist 1999 in Elista, Kalmückien, geboren. Als Mädchen gewann sie unter ihrem damaligen Namen Dinara Dordzhieva mehrere hochrangige Mädchen-Schachmeisterschaften und spielte bis 2022 für den russischen Schachverband. Seit 2020 trägt sie den Titel einer Schach-Großmeisterin der Frauen.

Neben ihrer Schach-Karriere ist Wagner auch Wirtschaftswissenschaftlerin: Sie studierte Weltwirtschaft an der Wirtschafts-Hochschule in Moskau und schloss ihr Studium 2020 mit einem Bachelor ab. Danach zog sie nach Deutschland und absolvierte an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg den Masterstudiengang Economics. Im Dezember 2021 heiratete sie den deutschen Schachspieler Dennis Wagner.

Nach dem Beginn der Invasion Russlands in die Ukraine 2022 verließ Wagner den russischen Schachverband und wechselte im Mai 2022 zum Deutschen Schachbund. Im gleichen Jahr gewann sie das German Masters der Frauen. Sie war eine der 12 Profi-Schachspielerinnen, die sich im Mai 2023 beim Grand-Prix der Damen auf Zypern für die Schach-Weltmeisterschaft qualifizieren wollten – und gewann!

Wir sprechen mit Dinara über die Gemeinsamkeiten von Schach und Wirtschaftswissenschaften, und warum in beiden Fächern Frauen deutlich seltener anzutreffen sind als Männer.

Dinara, Du bist professionelle Schachspielerin und gleichzeitig Wirtschaftswissenschaftlerin. Welche Gemeinsamkeiten siehst Du zwischen Schach und Wirtschaft?
Ich denke, dass in beiden Disziplinen ähnliche Fähigkeiten wichtig sind, um Erfolg zu haben. Als Schachspielerin bin ich es gewöhnt, nicht nur mehrere Schritte im Voraus zu berechnen, sondern auch die dabei entstehende Stellung richtig zu bewerten. Außerdem muss man im Schach häufig unter Zeitdruck und hoher Anspannung genau die richtige Entscheidung treffen. Es gibt definitiv mehr Parallelen zwischen Schach und Wirtschaft als man auf den ersten Blick meinen könnte.

Verschiedene Untersuchungen der Fondsfrauen und andere Studien zeigen, dass deutlich weniger Frauen als Portfoliomanagerin und in anderen Führungspositionen in der Finanzbranche tätig sind als Männer. Im Schach ist das nicht anders. Woran glaubst Du, liegt es, dass Frauen weniger steile Karrieren machen als Männer?
Es ist wahr, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, sowohl in der Wirtschaft als auch im Schach. Die Gründe dafür sind vielfältig und können von Fall zu Fall variieren. Auch wenn sich die Gesellschaft wandelt, so denke ich, dass Frauen im Schnitt nach wie vor mehr familiäre Verpflichtungen übernehmen und im Zweifelsfall die Familie dem beruflichen Aufstieg vorziehen. Des Weiteren haben Frauen auch heute noch mit Stereotypen und Vorurteilen zu kämpfen, insbesondere wenn es um Führungspositionen geht.

Unter den Top 100 Schachspielern ist keine Frau anzutreffen. Hast Du eine Erklärung für dieses Phänomen?
Abgesehen von den oben genannten Punkten ist im Schach auch eine große Lücke zwischen der Anzahl männlicher und weiblicher Schachspieler festzustellen. Leider wird Schach immer noch vorwiegend als Männersport angesehen und nur wenige Frauen entscheiden sich für eine professionelle Schachkarriere. Damit sich dies in der Zukunft ändert, ist es unerlässlich, dass die Förderung der Frauen im Schach weiter verbessert wird. Zum einen müssen mehr hochkarätige Turniere für Frauen angeboten werden und zum anderen müssen diese auch finanziell attraktiver werden.

Du bist in Russland sozialisiert. Oft ist zu beobachten, dass sich Frauen in ehemals sozialistischen Ländern mehr zutrauen und sie erfolgreichere berufliche Karrieren haben. Was können westlich geprägte Frauen davon lernen? Welche Tipps hast Du für uns?
Ich bin überzeugt davon, dass jeder Mensch, unabhängig von Geschlecht und Herkunft, das Potenzial hat, Großes zu vollbringen. Es ist wichtig, dass man an sich glaubt und seiner Leidenschaft folgt. Natürlich ist es auch von Bedeutung, in den eigenen Stärken gefördert zu werden. Ich hatte das Glück, dass mich meine Familie von Beginn an sowohl finanziell als auch organisatorisch unterstützt hat.

Was sind Deine Karrierepläne im Schach, und was in den Wirtschaftswissenschaften?
Aktuell bin ich in der Frauenweltrangliste auf Platz 31 und in Deutschland auf Platz 2. Mein Ziel ist es, mich weiter nach oben vorzuarbeiten und in der Weltspitze fest zu etablieren. Außerdem strebe ich den Großmeistertitel an. Ich bin aktuell auf einem guten Weg und möchte erst einmal voll ausreizen, was ich in der Schachwelt erreichen kann. Danach könnte ich mir einen Job in den Wirtschaftswissenschaften gut vorstellen. Ich interessiere mich sehr dafür und bin froh, mir mit meinem Studium ein solches zweites Standbein geschaffen zu haben.

Könntest Du Dir einen Berufseinstieg in die Finanz- und Investmentbranche vorstellen? Warum ja /warum nein?
Die Finanz- und Investmentbranche ist definitiv ein spannendes Arbeitsfeld. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich noch keine klare Vorstellung davon, in welchem Beruf ich später mal landen werde, ich halte mir alle Möglichkeiten offen und bin gespannt auf die Zukunft.

Vielen Dank, Dinara, wir drücken die Daumen Deine weitere Schach-Karriere, und hoffen, Dich vielleicht auch bald in der Finanzbranche wiederzutreffen!

 

Fotos: Mark Livshitz

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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