Katrina Dudley wohnt in New York City. Sie ist Portfoliomanagerin bei Franklin Templeton und gleichzeitig Research Analystin für den Industriesektor. Fondsfrau Anke Dembowski spricht mit Katrina Dudley über ihre Karriere und wie sie mit einem Ehemann und vier Kindern ihr Familienleben sowie ihren Beruf organisiert.

Frau Dudley, in welchem Alter kamen Sie auf die Idee, in der Finanzbranche zu arbeiten? Und was war der Auslöser dafür?
Als ich in der neunten Klasse war, fragte mein Vater, ob ich Musikerin werden oder eine andere berufliche Karriere machen wollte. Nachdem ich die Zahlen durchgegangen war, überlegte ich, dass meine Chancen auf eine echte Karriere als Geigerin gering waren, also entschied ich mich für die Alternative. Wenn ich zurückblicke, habe ich wahrscheinlich einen guten Instinkt dafür, die Balance zwischen Chancen und Risiken abzuwägen. Das hat mich wahrscheinlich dazu bewogen, zu Franklin Mutual Series zu gehen.

Was genau machen Sie bei Franklin Templeton?
Ich trage dort zwei Hüte: Zum einen bin ich Portfoliomanagerin, und zum anderen Research-Analystin. Als Portfoliomanagerin betreue ich den Franklin Mutual European Fund, und als Research-Analystin den Industrie-Sektor mit Unternehmen wie Siemens, Caterpillar und General Electric. Als Research-Analystin suche ich für alle Mutual Series-Fonds von Franklin Templeton die Aktien im Industrie-Sektor aus.

Sie sind eine Frau. War das jemals ein Thema in Ihrer Karriere in der Finanzbranche?
Nein, nie! Als ich 2002 bei Franklin Mutual Series eingestellt wurde, war ich im fünften Monat mit meinem ersten Kind schwanger. Das Unternehmen investierte also in mich als klar war, dass ich relativ schnell eine Auszeit bräuchte und dass bei mir eine bedeutende Lebensveränderung bevorstand. Inzwischen habe ich vier Kinder, die ich alle während meiner Zeit hier bekommen habe. Ich denke, das sagt viel über die langfristige Sichtweise von Franklin Mutual Series bezüglich ihrer Mitarbeiter aus.

Wie lange waren Sie für jedes Kind zu Hause, bevor Sie wieder gearbeitet haben?
Meine Kinder sind jetzt 15, 12, 10 und 7 Jahre alt, und nach jeder Geburt bin ich sechs Wochen zu Hause geblieben. Das war mein Wunsch; ich glaube, ich hätte bis zu 20 Wochen bezahlten Urlaub nehmen können.

Warum sind Sie nicht länger zu Hause bei Ihren Babys geblieben?
Ich respektiere die Entscheidung von Müttern, die länger zu Hause bleiben. Aber für mich war es nicht das Richtige, zu Hause zu bleiben. Ich liebe meinen Beruf. Ich mag die Interviews mit den CEOs, die Interaktionen. Jeder Tag, an dem ich zur Arbeit gehe, ist anders. Ich habe das Gefühl, dass das für mich und meine Kinder gut ist.

Wie machen Sie das in der Praxis, mit dem Stillen des Kindes, dem Betreuen eines Babys und dem Job?
Wir haben hier bei Franklin Mutual Series ein Mütterzimmer, in dem wir zum Beispiel abpumpen können. Was auch hilft ist, dass wir hier sehr gut unterstützt werden. Flexibilität ist sehr wichtig, besonders für Mütter. Zum Beispiel habe ich die Kontrolle über meinen Reiseplan bis zu dem Grad, in dem es in meinem Job möglich ist. Das hilft mir, meinen Zeitplan mit dem meines Mannes abzustimmen. Hier bei Franklin haben wir ein sehr kooperatives Umfeld, was bedeutet, dass ich immer von meinen Kollegen unterstützt wurde.

Sie sind Mentorin für andere Frauen in der Finanzbranche. Was sind die häufigsten Probleme, die Ihre Mentees mit Ihnen besprechen wollen?
Ich habe schon mehrere Frauen aktiv dazu ermutigt, ins Asset Management einzusteigen. Viele von ihnen habe ich dabei informell begleitet. Zum Beispiel bin ich ihre Lebensläufe durchgegangen und habe Interviewtechniken für Bewerbungsgespräche mit ihnen besprochen. Was mir aufgefallen ist: Dass Frauen mich öfter fragen, ob sie sich außerhalb ihres derzeitigen Umfelds um einen neuen Jobs bewerben sollen. Sie sind sich manchmal nicht sicher, ob sie den Job gut machen können, obwohl sie sehr gut ausgebildet und erfahren sind. Männer würden niemals sagen, dass ihre Fähigkeiten ein wenig eingerostet sind, aber Frauen möchten sicherstellen, dass in jedem Bereich perfekt sind. Ich ermutige sie dann!

Wie sieht es aus mit anderen Dingen? Beispielsweise mit sexueller Belästigung, mit Glasdecken, die möglicherweise noch vorhanden sind, und Gehaltsunterschieden zwischen weiblichen und männlichen Kollegen?
Auch das sind Themen, über die ich mit meinen Kolleginnen spreche. Obwohl ich sagen kann, dass ich sexuelle Belästigung nie erlebt habe.

Was empfehlen Sie jungen Frauen, die eine Karriere in der Finanzbranche anstreben? Was sind die Do’s und Dont’s bei der Karriereplanung?
Ich berate Frauen nicht in Bezug auf „Do‘s“ und „Dont‘s“. Ich denke, Frauen erhalten genügend Ratschläge. Ich möchte lieber sagen, was für mich funktioniert hat.

Und was hat für Sie funktioniert?
Vieles! Zum Beispiel habe ich Hilfe im Haus. Ich habe eine Frau, die mir bei der Hausarbeit und mit den Kindern hilft. Außerdem erlaube ich mir selbst, die Dinge nicht alle perfekt zu haben. Morgens, wenn meine Kinder zur Schule gehen und ich zur Arbeit muss, sieht unsere Wohnung aus, als wäre ein Hurrikan durchgegangen. Aber das ist okay, es macht mir überhaupt keine Sorgen. Meine Kinder gehen fast den ganzen Tag zur Schule, so habe ich nicht das Gefühl, dass ich viel Zeit mit ihnen verpasse, während ich im Büro bin. Und dann ist da noch mein Mann. Er ist ein aktiver Vater. Das ist sehr wichtig. Er ist dabei auch ein Vorbild für unsere beiden Söhne. Am Wochenende verbringe dann auch gerne Zeit mit meinen Kindern, so dass sie mich quasi das ganze Wochenende haben.

Sie haben vier Kinder. Dann müssen Sie wirklich Expertin für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sein. Wie organisieren Sie das in der Praxis?
Ich arbeite gern mit Listen. Auch wenn ich mich selbst daran erinnere, dass nicht immer alles perfekt sein muss, überwältigt einen manchmal die Realität. In solchen Fällen nehme ich mir Zeit, um die Dinge zu organisieren. Ich nehme ein Blatt Papier und unterteile es in vier Teile. Dort schreibe ich jeweils hinein, was ich in den einzelnen Aspekten meines Lebens tun muss – für die Familie, die Arbeit, die Gesellschaft und für mich persönlich. Wenn ich das so auf einer Seite habe, kann ich Prioritäten setzen, was sofort erledigt werden muss und was warten kann.

Wenn man sowohl Familie als auch eine Karriere in der Finanzbranche haben möchte: Was ist Ihrer Meinung nach wichtig bei der Auswahl des Arbeitgebers?
Es ist immer gut, mal nachzusehen, ob es in der jeweiligen Organisation Frauen in leitenden Positionen gibt. Die Spitze eines Unternehmens gibt gute Aufschlüsse. Gibt es hier Diversity? Bei Franklin ist Jenny Johnson Unternehmens-Präsidentin. Sie hat auch fünf Kinder und jongliert Beruf und Familie erfolgreich. Ich habe ein weibliches Unterstützungsnetzwerk, bestehend aus Frauen in der Branche, jüngeren Frauen, wo ich Mentorin bin, und anderen berufstätigen Müttern. Ich glaube, dass es machbar ist, sowohl einen guten Job als auch Familie zu haben. Es mag nicht immer einfach sein, aber Frauen sollten einfach weitermachen und nicht das Vertrauen in sich selbst verlieren.

Vor einigen Jahren haben Sie zusammen mit ein paar anderen weiblichen Investoren im Industrie-Sektor eine Gruppe namens „Iron Skirts“ ins Leben gerufen. Was ist das Ziel dieser Gruppe?
Die „Iron Skirts“ sind eine kleine Gruppe von Frauen mit langjähriger Erfahrung in gelisteten und nicht gelisteten Unternehmen. Einen Großteil unserer Karriere haben wir uns mit Unternehmen des Industrie- und Baustoffsektors beschäftigt. Die Gruppe wurde ursprünglich gebildet, um den Mitgliedern Unterstützung und Netzwerkmöglichkeiten zu bieten. Die „Iron Skirts“ glauben, dass Frauen und Diversity den Unternehmen enorme Vorteile bieten. Die Frauenquote in Führungspositionen und den Gremien ist im Industrie- und Baustoffsektor besonders niedrig, und wir möchten helfen, dies zu ändern.

ESG ist ein Thema, das in unserer Branche derzeit viel Aufmerksamkeit erhält. Das Thema Diversity lässt sich mit dem G-Faktor verbinden. Ist Diversity – auch Gender Diversity – ein Faktor, den Sie bei der Auswahl von Unternehmen für Ihr Portfolio in Betracht ziehen, wenn Sie in Unternehmen investieren?
Ein Unternehmen ist auch seine Kultur. Wir sind insbesondere auf das G (wie „Governance“) fokussiert. Daher prüfen wir, wie viel ein Unternehmen seinen Führungskräften zahlt, ob es Diversity im Vorstand und im Board gibt, ob die Gremien zu groß sind, und andere Faktoren, die helfen, die Governance-Struktur eines Unternehmens zu verstehen. Wenn es in den oberen Ebenen kaum Frauen gibt, sehen wir das. Wir gehen jedoch bei unseren Investitionen nicht nach Tick Box vor, sondern betrachten das gesamte Mosaik an Informationen. Wir betreiben auch aktiv Engagement. Wenn ich sehe, dass es im Vorstand kaum Frauen gibt, erwähne ich das in Meetings mit dem Unternehmen. Ich denke, dass das mehr Erfolg hat, als einfach nicht in das Unternehmen zu investieren. Im Allgemeinen habe ich den Eindruck, dass versucht wird, mehr Frauen in leitende Positionen zu bringen. Mittlerweile gibt es ein besseres Verständnis dafür, dass dies etwas ist, das angegangen werden muss. Die meisten von uns haben auch Kinder. Schließlich wollen wir, dass unsere Töchter die gleichen Chancen haben wie unsere Söhne. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir in Zukunft bei allen Unternehmen Fortschritte bei der Steigerung der Diversity erzielen werden.

Gibt es etwas, das Sie unseren Leserinnen mitteilen möchten?
Zum einen sollten wir uns selbst gestatten, nicht perfekt zu sein. Daneben sage ich allen Frauen, dass sie auf sich selbst achten müssen, insbesondere wenn Sie ältere Eltern und / oder Kinder haben, für die sie sorgen. Ich versuche, ausreichend Schlaf zu bekommen, d.h. mindestens sechs oder sieben Stunden. Ich habe einen anspruchsvollen Job, da möchte ich nicht jeden Tag erschöpft auftauchen. Stellen Sie außerdem sicher, dass Sie sich Zeit für sich selbst nehmen. In dieser persönlichen Zeit sollten Sie tun, was Ihnen gefällt: eine Boulevardzeitung lesen, Sport machen – das mache ich zum Beispiel. Was auch immer Sie auswählen, es muss etwas sein, wo Sie sich Zeit nur für sich selbst nehmen. Wir alle brauchen dieses „Reset“. Fühlen Sie sich nicht schuldig, wenn Sie es tun! Es macht Sie zu einer besseren Mutter, einer besseren Mitarbeiterin und einer besseren Person!

Vielen Dank für dieses interessante Interview!

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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