Nach wie vor entscheiden sich nur wenige Frauen für den Finanzsektor. Warum das auch für Unternehmen einen Nachteil darstellt und wie sie mehr Frauen für sich gewinnen können.

Frauen sind in der Finanzwelt immer noch rar! Vielleicht nicht, wenn du im Callcenter deiner Bank anrufst, um einen Beratungstermin auszumachen. Und auch nicht, wenn du deiner Versicherung einen Schaden meldest. In den „dienenden“ Positionen, die leider oft nicht so angesehen und weniger gut bezahlt sind, trifft man überproportional häufig auf Frauen.

Aber weiter oben auf der Karriereleiter, in den spannenden und anspruchsvollen Positionen, wo das Business-Rad gedreht und gutes Geld verdient wird, sehen wir auch im Jahr 2023 nur sehr wenige Frauen in der Finanzwirtschaft.

Status quo: Wie viele Frauen arbeiten aktuell in der Finanzbranche?

Der Finanzsektor bietet jede Menge interessante Jobs, aber viele junge Frauen wissen nichts davon. Einer der Gründe: Sie kennen niemandem aus ihrem direkten Umfeld, der in der Finanzbranche arbeitet. Sie wissen, was eine Lehrerin macht, eine Busfahrerin oder eine Zahnärztin. Aber wie der berufliche Alltag einer Vermögensberaterin, einer Versicherungsmaklerin oder einer Bankerin aussieht, ist nicht so klar. Wer nicht im Freundes- oder Familienkreis Menschen kennt, die solche Jobs haben und gern davon erzählen, dem entgehen solche Berufsbilder schlichtweg.

Klar ist auch: Wenn von vornherein nur wenige karrierewillige Frauen in die Finanzbranche einsteigen, kommen in den Führungsetagen auch nur wenige an. Das dürfte der wichtigste Grund sein, warum die Finanzbranche in Deutschland nach wie vor männerdominiert ist – zumindest in den oberen Etagen. Also dort, wo es spannend ist.

Frauen als Senior Professionals: So geklingt der Start - Fondsfrauen Senior Professionals

Ein paar Daten gefällig?

Frauen im Bankensektor:

Laut Statista liegt der Frauenanteil in den Führungsetagen der Banken in Deutschland bei mageren 9,8 %. Frauen sind also auch heute noch in der Bankenwelt deutlich unterrepräsentiert! Im Jahr 2009 war der Frauenanteil sogar noch geringer, da lag er bei mickrigen 2,6 %.

Frauen im Versicherungssektor:

Hier ist es kaum besser. Dort liegt die Frauenquote in den Führungsetagen bei 11 %. Auch hier kann man – trotz der niedrigen Zahl – von einer Steigerung sprechen, denn 2009 lag der Anteil bei nur 2,8 %.

Frauen im Asset Management:

Und wie sieht es im Asset Management aus, also bei den Fondsgesellschaften? Die Fondsfrauen haben 2022 herausgefunden, dass es dort in den Geschäftsleitungen (1. Führungsebene) lediglich 13,7 % Frauen gibt. Also auch nicht viel besser!

Frauen im Finanzsektor – benachteiligt von Unternehmen?

Für die wenigen Studentinnen der Wirtschafswissenschaften, die sich für den Finanzsektor entscheiden, geht es nicht gerade barrierefrei weiter. Viele Asset Manager, Banken und Versicherungshäuser haben das Problem des niedrigen Frauenanteils erkannt. Sie würden gerne mehr Frauen in den Führungspositionen der Finanzbranche sehen und verkünden auch, dass sie sich darum bemühen möchten. Am Ende des Tages werden die Posten aber offenbar doch überwiegend männlich besetzt.

Das lässt vermuten, dass sich die Unternehmen schwertun, Frauen für die Top-Führungspositionen auszuwählen. Unsere Schlussfolgerung: Entweder suchen die Unternehmen nicht richtig oder sie müssen mehr tun, um ihre Personal-Pipeline in Sachen Diversität besser auszubauen.

Denn sachliche Gründe, warum Frauen es in der Finanzbranche nicht nach oben schaffen können, gibt es nicht. Man muss keine schweren Gegenstände heben, was Männer im Schnitt besser können als Frauen. Es wird auch keine Schnellkraft benötigt, mit der Männer – zumindest im Schnitt – eher aufwarten können. Außerdem macht man sich nicht dreckig, was Frauen tendenziell weniger mögen als Männer, und man arbeitet auch nicht bei Wind und Wetter draußen, sondern in einem eher gepflegten Ambiente. Nein, gegen einen Arbeitsplatz für Frauen in der Finanzbranche spricht von außen betrachtet nichts!

Es ist auch keineswegs so, dass Frauen das Thema Finanzen nicht liegt oder es ihnen prinzipiell keinen Spaß macht. Im Gegenteil: Frauen können gut wirtschaften! Mit knappen Ressourcen – wie Geld – sorgsam umgehen, liegt Frauen im Blut. Individuelle Risiken im Rahmen eines großen Versicherten-Kollektivs abzumildern, das mögen Frauen! Also, wo liegt das Problem?

Offenbar gibt es hier zwei Baustellen: Auf der einen Seite gehen von vornherein weniger Frauen als Männer in die Finanzbranche. Auf der anderen Seite scheinen die Frauen dort nicht so rasch befördert zu werden wie ihre männlichen Kollegen. So haben Frauen den Eindruck, dass die Branche von Männern dominiert ist …  Der Kreis schließt sich.

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Warum sollten mehr Frauen in der Finanzbranche arbeiten?

Ehe wir uns damit beschäftigen, wie wir mehr Frauen in die Finanzbranche kriegen, ist zu klären, ob der aktuelle Mangel überhaupt ein Problem darstellt. Auf den Punkt gebracht: Warum wäre es gut, wenn mehr Frauen in den Führungsetagen der Finanztürme sitzen würden?

Die Antwort ist: Es wäre gut für beide Seiten! Zum einen für die Frauen selbst, denn die Branche lockt mit sehr interessanten und top bezahlten Jobs, die Frauen gut machen können – körperlich und geistig sowieso. Zum anderen stünde es auch der Finanzbranche gut, wenn dort mehr Frauen in den Führungsgremien wären.

Warum werden Frauen in der Finanzbranche so dringend gebraucht? Einfach weil Frauen 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen und quasi jede und jeder mit den Themen Finanzen, Bank und Versicherung zu tun hat. Viele Frauen lassen sich lieber von ihresgleichen beraten. Viele Frauen würden es lieber sehen, wenn ihre Finanzen, ihre Fonds oder ihre Versicherungen auch von Frauen gemanagt würden. Ich persönlich habe beispielsweise das Gefühl, dass Frauen – zumindest im Schnitt – empathischer und sorgfältiger sind. In der persönlichen Finanzberatung ist Empathie ein großer Pluspunkt. Und Sorgfalt ist bei der Verwaltung von Geldern essenziell.

Ist es vermessen, wenn ich die Vermutung äußere, dass bei Frauen nicht so schnell die Pferde durchgehen, wenn nur der Bonus groß genug ist? Es mag überspitzt klingen, aber es ist etwas dran: Wenn es statt Lehman Brothers die Lehman Sisters gewesen wären, wäre die Finanzkrise 2008 anders verlaufen, vermutlich milder. Oder es hätte sie gar nicht gegeben. Frauen glauben seltener als Männer, dass sie die einzigen sind, die eine mega Trading-Idee haben. Sie setzen nicht alles auf eine Karte in der irrigen Annahme, dass sie etwas sehen, das sonst keiner mitbekommt.

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Liebe Leute, wir haben in den letzten Jahrzehnten gesehen, dass zu viel Testosteron der Finanzbranche schadet. Es macht sie anfällig und erhöht die Risiken! Daher profitiert die Branche von Diversität. Diversere Teams machen den Finanzsektor bunter, durchmischter, herzlicher, weniger auf Kante genäht und aufs Letzte ausgereizt. Und genau daher führen sie am Ende auch zu besseren Resultaten. Eine einseitige Fokussierung auf „höher, weiter, schneller, hyperoptimiert“ kann zu extremen Ausreißern nach oben und nach unten führen. Die Ausreißer nach unten können im Desaster enden, wie man bei Lehman Brothers gesehen hat.

Ein paar Beispiele gefällig?

  • Wer hat die Ratings auf teilweise marode US-Immobiliendarlehen hyperoptimiert und den entsprechenden ABS-Papieren – zumindest einem Teil davon – zu einem AAA-Rating verholfen? Männer im Optimierungswahn!
  • Wer hat Cum-Ex und damit den organisierten Betrug an den Steuerzahlern erfunden? Es waren männliche Berater und Banker!
  • Wer hat bei Wirecard mal eben zwei Milliarden Euro dargestellt, die es gar nicht gab? Es waren größenwahnsinnige Männer aus der Führungsspitze des Unternehmens!
  • Wer hat Schneeballsysteme erfunden, bei denen diejenigen, die damit beginnen, noch gut verdienen, und die später Folgenden meist leer ausgehen? Das war der amerikanische Betrüger Charles Ponzi. Im Englischen heißt „Schneeballsystem“ daher „Ponzi Scheme“!
  • Welcher hoch angesehene Wertpapierhändler schaffte es, einen Betrug im Gesamtumfang von rund 51 Milliarden Euro hinzulegen? Das war Bernard Madoff, der zuvor Vorsitzender der US-Technologiebörse NASDAQ war!
  • Wer war Gründer und Vorstandschef der 2022 pleitegegangenen Kryptobörse FTX? Das war Sam Bankman-Fried, ein 30-jähriger ehemaliger Wall-Street-Händler!

Vermutlich war bei all diesen Ereignissen zu viel Testosteron im Spiel, das offenbar dazu beiträgt, die Optimierung von Systemen auf die Spitze zu treiben und so ad absurdem zu führen.

Gibt es auch Frauen, die so etwas tun? Man könnte argumentieren: Wenn weniger Frauen in den Führungspositionen sind, treffen auch weniger Frauen falsche Entscheidungen. Das mag sein, aber Frauen sind – zumindest im Schnitt – nicht so darauf aus, Dinge bis zum Allerletzten auszureizen, zu hyperoptimieren und ihren Bonus in schwindelerregende Höhen zu treiben. Klar wollen sie für gute Leistung einen Bonus, aber nicht den Super-Bonus!

Mit viel Nachdenken fällt mir allenfalls die Silicon-Valley-Ikone Elizabeth Holmes ein. Die Biotech-Unternehmerin bot mit ihrer Firma Theranos einen Blutschnelltester an, der angeblich 240 Krankheiten nachweisen konnte. Das Testgerät war aber weitgehend unwirksam, was Holmes bewusst war. Trotzdem warb sie bis zur Aufdeckung des Betrugs viele 100 Millionen US-Dollar ein. Holmes wurde 2022 zu einer Strafe von 11 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt.

Mehr Frauen, die in Finanzbetrugsskandale verwickelt waren, fallen mir nicht ein, obwohl es ja doch die eine oder andere Frau in einer leitenden Position gibt. Aber die vielen Fälle, in denen Männer handfeste Betrügereien eingefädelt oder begangen haben, lassen vermuten, dass diversere Teams einfach ein gutes Korrektiv wären!

Wie kommen wir zu mehr Frauen in der Finanzbranche?

Einerseits müssen mehr Frauen in die Branche einsteigen. Andererseits müssten sie auch langfristig in der Branche bleiben und aufstiegswillig sein.

Zunächst zum Einstieg in die Branche: Eine Befragung unter mehr als 1.100 Studierenden der Uni Mannheim und der Fondsfrauen ergab, dass die Wahrnehmung der Finanzbranche extrem negativ ist. Übrigens sowohl unter weiblichen als auch unter männlichen Studierenden. Frauen fühlten sich insbesondere von den folgenden drei Punkten von der Finanzbranche abgestoßen:

  1. wenig familienfreundlich und männerdominiert
  2. keine Vereinbarkeit des Jobs mit den eigenen Moralvorstellungen
  3. zu hohe Wettbewerbsintensität

Glücklicherweise hat sich hier schon einiges bewegt, aber der „Wolf of Wallstreet“ streunt offenbar immer noch in vielen Köpfen umher. Daher sind die Unternehmen gefordert, mehr darüber zu sprechen, dass sie familienfreundlicher geworden sind, Wert auf moralisches Handeln legen und den Wettbewerbsdruck abgemildert haben. „Tue Gutes und rede darüber!“ kann man den Unternehmen nur zurufen, denn vieles hat sich tatsächlich zum Besseren entwickelt.

Der Fondsfrauen Award zeichnet Unternehmen mit vorbildlicher Gender Diversity aus.

Als Nächstes geht es um das Halten und Entwickeln der Frauen, die in der Finanzbranche arbeiten. Dazu muss man ihnen etwas zutrauen, sie fördern, so wie Männer auch in diversen Karrierestufen gefördert und in Fast-Lane-Programme geschickt werden.

Wir werden es auf absehbare Zeit nicht ändern können, dass Frauen Kinder bekommen. Aber auch Müttern muss es möglich sein, interessante Karrieren in der Finanzbranche hinzulegen. Corona war hier sicherlich ein echter Booster und hat viel Flexibilität in die Jobs gebracht. Aber man muss eben auch Müttern etwas zutrauen und sie motivieren und fördern. Und wenn das geschieht, sollte es auch kommuniziert werden!

Das sind die Punkte, die wir den Unternehmen gern ins Heft schreiben würden. Aber selbstverständlich müssen auch Frauen etwas dazu beitragen, dass sich die Situation ändert. Wir Frauen müssen uns zeigen, bei Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen sprechen und aktiv netzwerken, damit wir wahrgenommen werden. Es hilft nicht, einfach nur gut zu sein, sondern das Umfeld muss es auch sehen!

Außerdem müssen wir uns mehr zutrauen. Am mangelnden Wissen liegt es nicht: Viele Untersuchungen zeigen, dass Mädchen in den Schulen die besseren Noten haben und im Studium die Quoten weitgehend ausgeglichen sind. Aber wir müssen eben auch mal „hier!“ rufen und einfach machen, um dann zu reüssieren. Dazu sind Selbstvertrauen und Mut notwendig. Wenn wir Frauen uns dabei gegenseitig unterstützen, kann das nur hilfreich sein.

Nützlich sind auch Vorbilder in den Unternehmen, die signalisieren: Frauen sind hier erwünscht und sie können auch in die Führungsebenen aufsteigen – der Weg ist frei!

Über die Fondsfrauen
Als größtes Karrierenetzwerk in der Finanzbranche arbeiten wir als Fondsfrauen eifrig daran, mehr Frauen in gute Positionen im Finanzsektor zu bringen. Wir bündeln interessante Jobs auf unserer Webseite, veranstalten regelmäßige Events (online und offline) und bieten Mentorings für Erfahrene und Newbies an. Mehr als 3.000 Frauen sind schon dabei!

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Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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