Christina Richter ist Gründerin und Geschäftsführerin des Personal Branding Instituts in Berlin. Vor kurzem ist ihr Buch erschienen, mit dem Titel „Sichtbare Frauen – so nutzt du LinkedIn & Co. als Karrierebooster“. Fondsfrau Anke Dembowski spricht mit ihr darüber, wie Frauen zu mehr Sichtbarkeit kommen, damit uns demnächst hoffentlich mehr Frauen die Welt erklären.

Frau Richter, was hat Sie so gepackt, dass Sie gleich ein Buch über sichtbare Frauen schreiben wollten?
Das war ein Artikel im Spiegel, zum Weltfrauentag 2021. Darin ging es um eine Auswertung, wie viele namentliche Nennungen es von Frauen und von Männern über die letzten 12 Monate gab. Insgesamt kam der Spiegel auf etwa 135.000 namentlich Nennungen, 28.000 von Frauen und 107.000 von Männern. Da dachte ich mir: Es kann doch nicht sein, dass es zu den unterschiedlichsten Themen, die im Spiegel behandelt werden, so viel weniger weibliche als männliche Experten gibt!

Warum werden denn Frauen in den Medien weniger genannt bzw. als Expertinnen zitiert?
Ich glaube, es gibt zwar zu vielen Themen ähnlich viele Expertinnen wie Experten, aber die Expertinnen sind oft weniger sichtbar. Wenn man einen Artikel schreibt oder ein Panel organisiert, muss man vielleicht etwas intensiver nach Frauen suchen, männliche Gesprächspartner fallen den Menschen schlicht eher ein.

Na, wenn es mit Männern halt schneller geht…
Genau da würde ich mir wünschen, dass man eben nicht einfach sagt „wir haben leider keine Frau gefunden“, sondern dass man das mal hinterfragt. Die ersten vier Panelisten sind ja meistens schnell gefunden, aber beim fünften kann man sich dann doch mal Mühe geben! Aber nein, dann wird es halt der fünfte Mann auf dem Panel! Ich sehe ein, dass wir alle keine Zeit haben, aber da müssen die Medien-Schaffenden eben den einen Schritt weiter gehen! Ich finde, dass es auch eine Bringschuld der Medien ist, für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern zu sorgen.

Wo können die Journalistinnen und Konferenz-Organisatorinnen denn nach geeigneten Frauen suchen?
Ich verstehe schon, dass es oft gar nicht so einfach ist, passende Expertinnen zu finden. Erst mal kann man natürlich unter seinen (Social-Media-)Kontakten nachsehen. Dann kann man über Google weiter suchen, oder mal die relevanten Konferenz-Programme ansehen. Oder man spricht seine alten Kontakte an und fragt diese konkret nach weiblichen Gesprächspartnern. Vielleicht muss man eben mal graben und suchen, um auch Expertinnen aus der zweiten Reihe zu finden. Wenn immer nur die gleichen Leute zu Wort kommen, ist das doch sehr langweilig!

Denken Sie mal an die Berichterstattung während der Corona-Pandemie: 78 % der zu Rate gezogenen Virologen ohne Leitungsfunktion waren männlich – mit Leitungsfunktion waren es sogar 95 %. Das ist schon ein ziemlich verzerrtes Bild, wenn man bedenkt, dass 47 % des ärztlichen Personals in Deutschland Frauen sind. So geht das einfach nicht!

Oft hört man, dass Frauen, die angesprochen werden für ein Panel, nicht zusagen oder auf einen (männlichen) Kollegen verweisen.
Richtig, es liegt auch einiges an uns Frauen selbst. Wenn man als Frau für ein Panel oder als Zitategeberin für eine gute Publikation angefragt wird, sollten wir auch mal ja sagen! Oft winden sich Frauen dann aber raus: „das ist nicht 100 %-ig mein Fachgebiet“ oder „ich mag life Panels nicht so“. Mein Tipp ist: Ja sagen, gut vorbereiten, und dann freudig ins Interview oder aufs Panel gehen!

Was sind denn die Vorteile? Was bringt es, wenn man sichtbarer ist?
Sehen Sie: LinkedIn ist ein starker Fokus, aber da kann jeder alles posten. Das ist ein Vorteil, aber auch ein Nachteil. Wenn ich aber auf einem Fach-Panel spreche oder in einer Fachpublikation zitiert werde, dann muss ich erst einen Journalisten oder eine Journalisten überzeugt haben, dass ich etwas zu sagen habe, dass ich gut bin. Das ist eine Art Ritterschlag. Der Wert einer medialen Berichterstattung hat meiner Erfahrung nacheinen viel größeren Stellenwert als ein Post in den sozialen Medien.

Halten es Frauen nicht oft für angeberisch, sich nach vorne zu drängen?
Ja, oft hat das Thema Sichtbarkeit bei Frauen einen negativen Touch. Frauen sprechen nicht gern über ihre Arbeit, und sie mögen nicht diese Me, Myself and I-Shows. Viele Frauen sagen: „Ich will, dass meine Arbeit für mich spricht“, aber das ist Quatsch! Deine Arbeit kann alleine nicht für Dich sprechen, sondern das musst Du schon selbst tun! Wenn Du es gar nicht tust, sieht es so aus als würdest Du nicht hinter Deiner Arbeit stehen. Männer gehen einfach raus und erzählen, was sie Tolles gemacht haben. Ich ermutige Frauen, über ihren Schatten zu springen und sich selbst sichtbar zu machen. Wir können dabei ja mit unserem Wissen und unserer Fach-Expertise nach vorne gehen. Und warum sollten wir denn nicht über unsere Arbeit sprechen?

Wie ist das denn bei Social Media? Da kommt es mir so vor als seien da Frauen ziemlich aktiv und entsprechend gut repräsentiert.
Ja, langsam klickt es bei den Frauen, und viele sind auch auf den Social-Media-Kanälen aktiv. Trotzdem sind unter den Top-10 der erfolgreichsten LinkedIn-Profile nur 2 Frauen.

Warum glauben denn mehr Frauen als Männer, sie hätten nichts zu sagen?
Das geht vermutlich zurück auf unsere Erziehung. Mädchen wurde halt immer gesagt „steh hübsch in der Ecke und sei still!“ Jungs wird hingegen beigebracht: „Geh nach vorne! Sei sichtbar! Melde dich!“ Mittlerweile glaube ich schon, dass jüngere Menschen in dieser Hinsicht anders erzogen wurden als ältere. Letztlich prägt Erziehung ungemein. In meinen Trainings sehe ich, dass Frauen viel kritischer mit sich selbst sind als Männer. Manche fragen mich: „kann ich das auf LinkedIn posten?“ Ja, natürlich kannst Du! Wir müssen versuchen unser Mindset zu verändern. Dass wir verstehen: Es ist nicht schlimm, über meine Arbeit oder über mich zu sprechen!

Ich bin selbst Journalistin, und als solche gehe ich oft über die Presseabteilung des jeweiligen Unternehmens und frage nach einem Experten oder einer Expertin zu einem bestimmten Thema. Meistens bekomme ich dann einen männlichen Gesprächspartner vorgeschlagen.
Ja, Spokespersons bei Unternehmen kommen oft aus der Geschäftsleitung, und dort sitzen mehr Männer. Unter den Top 10 der DAX CEOs sind auf LinkedIn 10 Männer. Ich finde Unternehmen sollten hier auch mal überlegen: Wen haben wir noch, der sprechen kann? Wer ist vielleicht in der zweiten Führungsebene und hat Expertise auf diesem oder jenem Gebiet? Ich verstehe nicht, warum Unternehmen nicht viel stärker ihre klugen Frauen zeigen.

Wollen Sie uns zum Schluss noch etwas zurufen, sozusagen als Takeaway?
Rund um das Thema Sichtbarkeit von Frauen muss sich einiges bewegen! Veranstalter, Journalisten, Unternehmen, aber auch die Männer und Frauen in den Unternehmen selbst sollten sich mehr anstrengen, auch Frauen zu Wort kommen zu lassen. Auch  Frauen selbst sollten sich mehr nach vorne trauen und nicht warten, bis sie entdeckt werden. Und noch etwas: Wenn eine Frau schon ein Interview oder ein Panel absagt, dann wäre es eigentlich ganz cool, wenn sie dann zumindest eine andere Frau vorschlagen würde!

Vielen Dank für diesen Energie-Kick in Sachen Sichtbarkeit!

 Fotografin: Farina Deutschmann

 

 

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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