Elternzeit ist eine wichtige Errungenschaft für Arbeitnehmer. Christian Hiller von Gaertringen schreibt, wie er als Mann diese Zeit nutzt und empfindet.

In wenigen Tagen feiern wir den Geburtstag von A. Zwei Jahre wird sie alt, und ich werde ihr immer dankbar sein. Vor knapp einem Jahr hatte sie mir eine Tür geöffnet. Elternzeit nennt sich das. Doch für mich ist es eine Zeit für Neues.

Seien wir ehrlich: Nicht wegen A. bin ich in Elternzeit gegangen. Ich wollte nicht Spielplatz-Papa werden, der morgens das eine Kind – den vierjährigen D. – zum Kindergarten bringt und dann mit der Kleinen auf dem Spielplatz tollt, um auf dem Heimweg schnell was im Supermarkt einzukaufen.

Nach 25 Jahren als Wirtschaftsredakteur bei Tageszeitungen und Magazinen wollte ich etwas Neues ausprobieren. Ich hatte gerade mein drittes Buch geschrieben. „Afrika ist das neue Asien. Ein Kontinent im Aufschwung“ heißt es und ist im Herbst vergangenen Jahres im Verlag Hoffmann und Campe erschienen. Es handelt davon, wie sich Afrika wandelt: vom Hartz-IV-Kontinent zur Boom-Region.

Ein Buch zu schreiben erfordert zuallererst Disziplin. Jeden Morgen bin ich um halb sechs aufgestanden. Um 6 Uhr saß ich am Schreibtisch, jeden Morgen von Montag bis Freitag. Am Wochenende nahm ich mir frei. Bis 8 Uhr habe ich konzentriert geschrieben und die Notizen vom Vortag verarbeitet. Dann frühstückte ich mit der Familie. Danach ging es in die Redaktion. Dort habe ich mich – ja, ich gebe es zu – nicht nur mit meinem Tagesgeschäft befasst. Ich habe auch dort mal eine Studie zu Afrika gelesen oder im Internet recherchiert. Oft sind dabei Artikel für die Zeitung herausgesprungen. Abends, wenn Frau und Kinder im Bett waren, habe ich gelesen und meine Reisen vorbereitet. Ich bin häufig nach Afrika geflogen. Leider habe ich Afrika nicht im Land Rover bereist. Ich habe mir Termine in Nairobi, Lagos oder Kapstadt gemacht und bin dann für einige Tage dorthin geflogen, um Unternehmer, Manager, Investoren oder Banker zu treffen.

Es war eine anstrengende Zeit. Doch mich hatte das Afrikafieber gepackt. Ich wollte mein Buch vorstellen und Lesungen oder Vorträge halten, an Podiumsdiskussionen teilnehmen, auch das eine oder andere Seminar organisieren. Das geht angesichts der zunehmenden Personalknappheit in den Redaktionen immer weniger. Elternzeit war das Zauberwort, das mich – wenn auch nur vorübergehend – aus dem Alltag in der Redaktion befreite.

Elternzeit, das ist nicht nur eine Zeit für Neues. Es ist auch eine Zeit der finanziellen Unsicherheit. Meine Frau arbeitet zurzeit nicht. Ein Grund dafür ist, dass ihre Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wird. Ein anderer ist, dass sie gerne Mutter ist. Sie empfindet die Kinder nicht als Last und zeigt eine bewunderungswürdige Geduld mit ihnen.

Also bleibt es trotz Elternzeit meine Aufgabe, die Familie zu versorgen. Das gelingt recht gut, über Vorträge, Seminare, mal ein Beratungsauftrag oder ein Artikel. An die Schwankungen im Einkommen mussten wir uns gewöhnen. Bis dahin hatten wir nie Rücklagen zu bilden, um auch im nächsten Monat die Miete zu bezahlen.

Ich arbeite nicht weniger als früher und verreise eher häufiger. Und dennoch profitiert die Familie von meiner Elternzeit. Wir können es uns besser einteilen, wer wann die Kinder betreut. Meine Frau kann ihre Dinge leichter erledigen und weiß die Kinder versorgt. Und mein Vierjähriger strahlt vor Stolz, wenn der Papa ihn im Kindergarten abholt. Dass Väter die Kinder morgens hinbringen, ist nichts Besonderes mehr. Aber dass der Papa ihn manchmal abholt, das ist der Hammer.

Obwohl ich nicht weniger arbeite als früher, lebe ich entspannter. Ich kann mir leichter frei nehmen, zum Beispiel nachmittags mit den Kindern spielen und dafür am Abend arbeiten. Elternzeit gibt uns allen in der Familie mehr Freiheit.

Zwei Jahre habe ich mir genommen – und habe nach mit A.s Geburtstag noch ein Jahr vor mir. Obwohl… Im Herbst kommt unser drittes Kind. Es wird ein Mädchen. Und wenn ich es mir recht überlege, wäre das doch eine gute Gelegenheit, um… Nein, gar nicht dran denken. Aber dann hätte ich doch mehr Zeit, um mein neues Buch zu schreiben… Hmm, mal sehen… Der Gedanke ist da und lässt sich nicht mehr verscheuchen. Oh je, wenn das Chef erfährt.


Foto Christian Hiller von Gaertringen klein formatiertÜber den Autor:

Christian Hiller von Gaertringen

ist Finanzredakteur einer großen Tageszeitung und lebt in Frankfurt. Derzeit arbeitet er an seinem vierten Buch.

 

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