Renate Kewenig war von 1996 bis 2015 als Anlageberaterin tätig. Jetzt wendet sie sich dem viel zitierten aber selten realisierten Thema der finanziellen Bildung zu. Wir sprechen mit ihr darüber, wie sie hier vorgeht und was ihre Erfahrungen sind.

Renate, Du warst viele Jahre lang Anlageberaterin, und seit 2015 kümmerst Du Dich intensiver um das Thema finanzielle Bildung. Was ist der Hintergrund?
Ich habe noch meine Zulassung als Honorarberaterin, übe sie aber nicht aus, sondern sehe das als Kompetenzbeleg. Heute liegt mir das Thema finanzielle Bildung am Herzen: Die Menschen wollen sich informieren, aber zurzeit toben mir da zu viele „Fachfrauen“ im Netz herum. Einige haben in meinen Augen gar keine echte Kompetenz, sondern verkaufen sich in erster Linie selbst gut. Außerdem gibt es ja noch die Generation von Frauen, die nicht nur im Netz gucken wollen, sondern den persönlichen Kontakt suchen.

Wie kann denn eine Interessentin, die ihr Wissen über die Kapitalmärkte erweitern möchte, feststellen, ob sie jemanden mit Fachwissen vor sich hat oder nicht?
Wenn man selbst in einem Gebiet keine Expertin ist, ist das natürlich schwierig. Daher spreche ich in meinen Finanz-Trainings auch darüber, wie sich feststellen lässt, an wen man gerät, zum Beispiel über unterschiedliche Zulassungen.

Und was genau machst Du als Finanzbildung?
Ich erkläre die Grundlagen und bin dann in erster Linie strategisch unterwegs: Wie baue ich ein Fonds-Depot auf? Wie sichere ich es ab für den Fall, dass ein Crash kommt? Bei mir gibt es keine Produkt-Schau. Ich thematisiere auch den ETF-Hype, den wir derzeit erleben, und bespreche, wo ETFs clever sind und wo eher nicht. Solche neutralen Finanz-Information sind bisher ziemlich unbekannt in Deutschland. Ich bin weder vom Verbraucherschutz, noch von Parteipolitik oder Provisionen gesteuert. Bei mir kommt alles aus der reinen Wissen-Kiste heraus.
Wenn eine Zuhörerin das Gelernte am Ende nicht alleine umsetzen möchte, stelle ich gern den Kontakt zu einer Kollegin her. In der Beratung können meine Absolventinnen dann eher auf Augenhöhe diskutieren.

Du arbeitest auch mit Beraterinnen und Beratern zusammen. Bist Du da nicht eher Konkurrenz?
Ganz und gar nicht, ich vermittle ja nicht mehr. Indem ich den Leuten Finanzbildung an die Hand gebe, generiere ich schließlich Nachfrage nach guter Beratung. Da bin ich keine Konkurrenz, sondern viel mehr ergänzen wir uns. Daher schicken auch einige Berater ihre Kunden, die erst einmal ihr Finanzwissen aufbauen möchten, in eins meiner Seminare und unterstützen das auch finanziell. Von den Beratern selbst machen ja nicht alle gern oder gut Seminare. Die Seminarteilnehmer werden schließlich nicht gleich alle online-Kunden und machen alles selber. Aber bei mir verstehen sie, wie komplex die Kapitalmärkte sind und wo Fallstricke liegen können. Die wissen dann, welche Fragen sie stellen müssen und sind dem Berater oder der Beraterin eher gewachsen. Für die Beraterin ist es eine Erleichterung, denn das generelle Wissen ist dann schon einmal aufgebaut, und es braucht nur noch das Individuelle besprochen zu werden. Ich bereite sozusagen den Boden, ohne zu bewerten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können dann am Ende des Tages mit ihrem Banker, mit ihrem Berater, die Produkte gemeinsam bewerten, ob sie in das persönliche Portfolio passen.

Unter uns: Kannst Du von Deinen Seminaren leben?
Ich habe festgestellt, dass die Menschen bei Einzel-Coachings sehr preissensibel sind. Es ist leichter, wenn es andere Kostenträger gibt. Auch durch Corona spielen daher individuelle Online Angebote eine Rolle, da ist die anfängliche Scheu der Nutzenden ja glücklicherweise gefallen. Außerdem bin ich Lehrbeauftragte an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, dort läuft Basis-Finanzwissen als Ergänzungs-Fach. Die Studierenden, meist BWL, arbeiten toll mit und haben richtig Spaß an der Thematik. Ich habe auch mal eine 4. Klasse in der Schule unterrichtet, aber für die ist das Thema natürlich noch weiter weg.
Angestellte können meine Seminare auch über ihr Unternehmen als Bildungs-Urlaub besuchen. Ich ermuntere die Unternehmen, dass sie in Sachen finanzielle Bildung etwas für ihre Mitarbeiter tun, zum Beispiel bei der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Wie in der Vermögensverwaltung muss man auch bei Finanzwissen mehr poolen, um die Sache effizienter zu gestalten. Sonst wird da kein Business-Case draus.

Wie bist Du durch die Corona-Krise gekommen?
Vieles, was sozusagen in der Pipeline war, wurde durch Corona erst mal versenkt. Jetzt muss ich schauen, dass ich das wieder nach vorne hole. Das macht natürlich Arbeit, aber es lohnt sich. Viele Bildungsträger suchen Referenten für Finanz-Themen. Das Ganze wird dann gern mit Kommunikation kombiniert. Es gibt da wirklich tolle Ideen im Bildungsbereich, die teilweise auch gefördert werden, z.B. über Bildungsurlaub. Der Kuchen ist groß genug, und die Aufgabe ist es schließlich, die Bedeutung von Finanzwissen zu transportieren.

Machst Du dabei auch Financial Entertainment?
Ich will in erster Linie nicht unterhalten, schließlich geht es um eine ernsthafte Sache. Das Wissen, das ich vermitteln möchte, soll fundiert sein. Aber Spaß machen dürfen meine Seminare natürlich schon!

Vielen Dank Renate, für das aufschlussreiche Gespräch!

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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