Renate Kewenig, Gründerin und Initiatorin von frauINVEST Anlageberatung GmbH in Rheinbach, im Interview mit Anke Dembowski. 1996 hat Renate Kewenig gemeinsam mit Kollegin Friederike Fuchs ihr auf Frauen fokussierte Beratungsunternehmen gegründet, so dass jede von ihnen neben der Familienphase beruflich tätig sein konnte.

Seit 2016 ist das Unternehmen in neuen Händen und hat eine neue Geschäftsführerin. Renate Kewenig berät derzeit als freie Beraterin für frauINVEST. Mit ihrer neuen Firma  „Finanzverstand“ gibt sie ihr Wissen weiter. Ihr beruflicher Schwerpunkt liegt nunmehr auf der Finanzbildung von Privatanlegern, der Schulung / Unternehmensberatung von Berater/innen sowie dem Schreiben fachjournalistischer Beiträge.

Fondsfrauen: Frau Kewenig, wie kamen Sie auf die Idee, eine Anlageberatung für Frauen zu gründen?
Renate Kewenig: Die Idee entstand bereits Ende der Achtziger durch ein Interview von Bayern3 mit Helma Sick. 1994 begann ich als zweite Kraft in einer kleinen Vermögensverwaltung und 1996 war dann klar, die Beratung von Frauen für Frauen ist mein Ding. Verstärkt wurde das durch die persönliche Erfahrung mit einer Baufinanzierungsberatung durch einen Strukturvertriebler. Wir haben die Finanzierung nicht bei ihm gemacht. Schlechte Information, Druck, das ging gar nicht.

Haben Frauen denn wirklich andere Bedürfnisse bei der Kapitalanlage als Männer? Letztendlich wollen doch Frauen wie Männer möglichst hohe Renditen und wenig Risiko…
Heute scheint es immer schon klar gewesen zu sein, dass Frauen und Männer Rendite bei geringem Risiko wollen. Glauben Sie mir, das ist nicht so. Untersuchungen zeigen, dass Frauen und Männer unterschiedliche Grundeinstellungen zum Geld haben, die auch das Anlageverhalten beeinflussen. Tendenziell gehen Frauen ruhiger vor, wollen eher verstehen, ob die Anlage zu Ihnen passt, als dass maximale Erträge winken. Männer haben da eher den „Jagdinstinkt“.

Das hat sich sicher auch auf die Anlagestrategie bei frauINVEST ausgewirkt, unser Anlageprozess (Wir hatten schon immer einen, der Verkauf von Produkten stand nie im Vordergrund!) hat bei der Lösung immer auf eine breite Mischung gesetzt. Da haben andere noch nur Aktie „gemacht“, bis dann die dicken Einbrüche kamen. Da waren unsere individuellen auf Risikostreuung ausgelegten Depots immer weitaus besser dran. Sicher ein Ergebnis der Umsicht (den Begriff mag ich lieber als Vorsicht), des weiblichen Ansatzes.

Sie haben im Beraterinnen-Workshop der Fondsfrauen anklingen lassen, dass Frauen eine andere Ansprache wollen als Männer. Was nervt denn Frauen an den typischen Anlagegesprächen in den Banken, die überwiegend von Männern geführt werden?
Nadelgestreifte Besserwisser, die wenig erklären sondern nur ihre Lösung als die Beste loswerden wollen. Frauen merken, dass sie nicht gemeint sind. Oft machten sie es trotzdem, mangels Wissen oder alternativer Beratung.

Und was machen Sie in Ihrer frauINVEST Anlageberatung anders? Wie wecken Sie überhaupt das Interesse bei Ihren Kundinnen, sich mit ihrer eigenen finanziellen Situation zu beschäftigen? Die Mehrheit der Frauen tut das ja offenbar gar nicht so gern.
Der Schlüssel ist sicher, dass wir uns nicht über die Kunden erheben. Weder äußerlich, noch innerlich. Dienstleistung ist das Schlüsselwort, wir nehmen die Kundinnen ernst (übrigens auch unsere männlichen Kunden), ob mit einem Sparplan oder einem großen Vermögen. Wir gehen auf die individuellen Bedürfnisse ein, werfen nicht mit Finanzchinesisch um uns, sondern hören zu und erklären. Das schafft Vertrauen und nimmt die Angst vor dem abstrakten Thema. Außerdem haben wir immer schon über Honorierung unserer Dienstleistung gesprochen, auch wenn sie durch Provisionen erfolgt.

Brauchen Frauen auch andere Finanzprodukte, oder sind die existierenden Produkte für sie brauchbar?
Spezielle Produkte sind weniger das Thema, es geht um den anderen, passenden Lösungsansatz, die Mischung, die auf die Fragestellung der Kundin passt. Allerdings ist der Bereich Nachhaltigkeit einer, der besonders Frauen interessiert.

Welche Frauen kommen zu Ihnen? Sind das eher junge oder ältere? Böse Zungen behaupten ja, insbesondere frustrierte Frauen gingen zu einer speziellen Frauenberatung. Ist da was dran?
Die bösen Zungen möchte ich mal treffen….Unsere Zielgruppe ist Frau (und Mann, dem unser Beratungsansatz zusagt)…junge, ältere, große Vermögen aber auch Vermögensaufbau mit kleineren Beträgen. Gemeinsam ist eine gewisse Bildung, oft schlechte Erfahrung mit Finanzberatung und sehr wohl die Erkenntnis, selbst Verantwortung zu übernehmen – und sei es für den ersten Schritt.

Leider ist es Tatsache, dass Frauen im Schnitt weniger Geld verdienen als Männer und daher auch weniger Geld für die Anlage zur Verfügung haben. Ist es für Sie als Finanzdienstleisterin auskömmlich, sich auf die Zielgruppe Frauen zu konzentrieren?
Ich kenne die Zahlen und zitiere sie selbst immer bei Vorträgen. Allein dies Thema ist es aber nicht. Bei Scheidungen fallen große Beträge an, es wird geerbt und Frauen sind bei guter Beratung treue Kundinnen, die intensiv weiter empfehlen. Auch hier ist aus Unternehmenssicht die Mischung sinnvoll.

Wie sieht es aus, wenn Sie sich Gedanken über eine künftige Nachfolge in Ihrem Unternehmen machen? Haben junge Frauen Interesse daran, in eine auf Frauen spezialisierte Anlageberatung einzusteigen?
Das Thema Nachfolge ist bei uns gerade gelöst, nach einem längeren Prozess der Vorbereitung. Wie in anderen Branchen auch ist Selbständigkeit nicht gerade en vogue. Dazu ließe sich viel sagen, zum Beispiel die politische Benachteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen. Außerdem hat die Branche in den letzten Jahren wesentlich ihrem eigenen Ruf geschadet. Wir sind auf dem Niveau der früheren Pferdehändler angekommen – da ist es kein Wunder, dass der Nachwuchs sich schwer tut.

Wie sehen Sie generell das Berufsbild der unabhängigen Anlageberatung? Ist dieser Job heute noch attraktiv, und ist er für Frauen geeignet?
Das Berufsbild hat aus meines Sicht mehr Chancen denn je: Die Regulierung führt in naher Zukunft zu mehr Professionalisierung, zu größeren, wirtschaftlich besser gestellten Einheiten und der Bedarf an guter Beratung ist jetzt schon hoch…da gibt es viel Potenzial. Als selbständige Beraterin wird die frühere Einzelkämpferin immer seltener werden und kaum mehr machbar sein, da werden andere Lösungen wie Partnerunternehmen, Kooperationen der Weg sein. Ärzte und Rechtsanwälte machen es schon lange vor. Gerade für die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie – und das sage ich aus eigener Erfahrung – ist Selbständigkeit ein guter Weg.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Kewenig!

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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