Was machen erfahrene Mitarbeiterinnen mit ihrer breiten Expertise, ihrem funktionierenden Netzwerk und ihren vorausschauenden Ideen? Die Mitglieder unseres Arbeitskreises Senior Professionals teilen ihre Erfahrungen, Befürchtungen und positiven Überraschungen. Sie motivieren damit andere, sich auf die Karriere nach der Karriere vorzubereiten und… sogar zu freuen!

Was ist/was war Deine Einstellung oder Befürchtung, als Du noch voll eingebunden warst?
Barbara Rojahn:
Nach dem Verkauf meiner Firma „FrauenFinanzBeratung Barbara Rojahn & Kolleginnen“ in Stuttgart war ich noch einige Jahre als Geschäftsführerin in der Firma angestellt. Die tägliche Beratung von Frauen und das Personalmanagement wurde Zug um Zug von meinen jüngeren Kolleginnen übernommen, so dass ich mich auf meine Spezialthemen „Scheidungscoaching“ sowie „Erben und Vererben mit Testamentsvollstreckung“ konzentrieren konnte. Diese Themen nahm ich mit in meine Selbständigkeit in Hamburg. Gleich nach dem Ausstieg ging ich mit der neuen eigenen Website www.barbara-rojahn.de online. Es ging also lückenlos weiter mit weniger Arbeit und weniger Bürokratie.

Katherine Starks:
Ich hatte Angst, dass ich keine Kundinnen finden würde und kein Geld verdienen würde.

Evi Vogl:
Meine Fragestellungen waren: Wie sieht der neue Alltag aus? Ist es wichtig sich neue Hobbies zu überlegen? Welche Kontakte werden bleiben?

Dr. Anja Hochberg:
Im Unterschied zu einigen anderen Fondsfrauen bin ich ja noch voll dabei und möchte in den nächsten Jahren sogar noch mehr Gas geben :-). Gleichwohl befinde ich mich auch in einem Übergang. Die Tatsache, dass in den nächsten Jahren die Tochter zum Studium geht und auch mein Mann beruflich kürzer treten wird, bringt schon die Frage mit sich, welchen neuen Herausforderungen ich mich stelle. Und da kann ich mir viel vorstellen, sowohl im exekutiven als auch im nichtexekutiven Bereich, z.B. als Verwaltungs-, Aufsichts-, oder Stiftungsrat.

Veronika Lammer:
Ich habe nicht darüber nachgedacht. Pension erschien mir sehr weit weg, schließlich war sie dann deutlich schneller da als erwartet. Wenn, dann dachte ich höchstens an Reisen, Lesen, Golfspielen, Sport.

Michaela Krahwinkel:
Veränderung ist und war nicht mein Thema. Ich befürchte, meine Energie und damit meine Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter zu verlieren. Ich akzeptiere bei mir ganz schlecht, dass es nicht immer höher, schneller, weiter geht. Ich schaffe es noch nicht so gut, meiner reichen Erfahrung auch mal den nötigen Wert beizumessen. Komisch: bei anderen schaffe ich es problemlos!

Was ist deiner Meinung nach für die Vorbereitung des Übergangs wichtig, damit er geschmeidig verläuft? Und wann sollte man mit den Vorbereitungen anfangen?
Dr. Anja Hochberg:
Man sollte früh genug beginnen. Ich stand bereits vor 4 Jahren aufgrund eines „gardening leaves“ vor einer ähnlichen Fragestellung: Was möchte ich in den nächsten Jahren machen? Eine ehrliche Reflektion der eigenen Fähigkeiten, aber auch des Marktpotentials ist dabei hilfreich, eine Ausbildung im nichtexekutiven Bereich (für mich z.B. an der HSG) aber eine Grundvoraussetzung. Nicht vergessen darf man, dass man auch in neue Netzwerke vordringen muss, da das aktuelle Netzwerk vielleicht auch eher den aktuellen Berufsstand widerspiegelt. Rein operativ muss es während des Übergangs eine gute Balance zwischen strukturiertem Arbeiten und „Me-Time“ sein.

Veronika Lammer:
2 bis 3 Jahre vor der Pensionierung verstärkt Kontakte pflegen und überlegen womit und in welchem Ausmaß man gerne arbeiten möchte, auch ob man eine Auszeit für Reisen nehmen will und wie man diese Zeit gut überbrücken kann.

Katherine Starks:
Es ist wichtig zu wissen, was du machen möchtest und frühzeitig mit Lehrgängen etc. zu beginnen.  Ich habe z.B. bereits in 2015 mit meiner Coaching Ausbildung begonnen und habe die Zertifizierung in 2018 abgeschlossen. Derzeit schließe ich gerade die Team/System Coaching Zertifizierung ab.

Barbara Rojahn:
Eine gute Vorbereitung sollte ein paar Jahre vor dem „Ausstieg“ beginnen. Zwei grundsätzliche Fragen sollten gestellt werden: „Möchte ich meine Freiheit jetzt komplett genießen, oder möchte ich mein Wissen und meine Erfahrung einbringen in eine bezahlte oder unbezahlte sinnvolle und herausfordernde Tätigkeit?“ oder „Brauche ich erstmal eine Pause?“ Besonders wichtig ist es, die alten Netzwerke und Kontakte zu pflegen und gegebenenfalls neue aufzubauen.

Evi Vogl:
Ich konnte zum Glück den Ausstiegszeitpunkt selbst bestimmen, das war mir sehr wichtig.

Mental sollte man sich mindestens 2 – 3 Jahre vor dem Ausstieg anfangen damit zu beschäftigen. Sofern man noch berufliche Ziele verfolgt, sollte man, sobald als möglich mit möglichst vielen Leuten sprechen und seine Pläne teilen. Nur dann kommen auch Ideen aus dem Netzwerk zurück.

Michaela Krahwinkel:
Wie gesagt, ich bin viel zu spät dran und habe noch nicht alle Hausaufgaben gemacht. Wichtig ist, dass man für sich entscheidet, was man möchte/kann oder muss: Arbeiten oder privatisieren, zur Rente hinzuverdienen, sich gesellschaftlich engagieren? Und wenn arbeiten, in welchem Maß, mit Vorgabe oder selbstbestimmt?

Aber sich auch Zeit und Raum geben, um kreative Ideen für die Zeit nach dem Ende seines aktuellen Berufs zu geben. Manche Kolleginnen haben sich bereits lange vor dem Übergang weitergebildet, um ihren Zielen später folgen zu können. Da bin ich noch short.

Was viele dabei, glaube ich zumindest, auch übersehen, ist die Auseinandersetzung mit dem Älterwerden. Wie komme ich mit Veränderung zurecht, d.h. wie gehe ich mit Machtverlust um, wenn ich keine Führungsaufgabe mehr wahrnehme? Wie geht man/ich ganz grundsätzlich mit den Zeichen und Tributen der Zeit um? Und bin ich bereit mich mit Neuem zu beschäftigen und sehe ich es als Bereicherung oder als Last?

Wie verlief dein Übergang? Mit welchen Anfragen kommt man auf Dich zu?
Katherine Starks:
Ich mache derzeit einiges ohne Bezahlung, z.B. Podcasts, Panels etc. Darauf resultieren immer neue Ansprachen. Ich lehne auch einiges ab, wenn es z.B. zu wenig zahlt, oder ich nicht glaube, die Richtige dafür zu sein.

Barbara Rojahn:
Der Übergang war völlig reibungslos, weil er gut vorbereitet war. Inzwischen habe ich mehr zu tun als ich ursprünglich vorhatte. Deshalb überlege ich mir sehr genau, welche Aufträge ich noch annehme. Geplant war ja auch, mehr Zeit mit Familie, Reisen und Hobbies zu verbringen.

Evi Vogl:
Ich konnte mich aufgrund des Lockdowns in 2020 nur brieflich bzw. digital von meinem beruflichen Netzwerk verabschieden. Umso mehr war ich positiv überrascht über Anfragen, und dass ich auch Anfragen aus dem weiteren Netzwerk für Projekte und Mandate erhalten habe.

Veronika Lammer:
Anfragen kommen vor allem zum Thema Fondsfrauen. Um mein Business muss ich mich selbst sehr aktiv kümmern. Das wäre leichter, wenn ich frühzeitig gezielt mehr Kontakte gepflegt hätte.

Michaela Krahwinkel:
Viele haben sich gefreut, weil sie wissen, wie wichtig mir die Themen meiner neuen Aufgabe sind. Viele haben auch mit Unverständnis reagiert, weil man eine Führungsposition nicht so einfach abgibt. Vereinzelt gab es Bemerkungen, wie „ja Du hast ja auch genug gearbeitet, jetzt kannst Du mal kürzer treten!“ Die fand ich richtig peinlich.

Ansonsten lastet viel Verantwortung auf mir, weil die Erwartung, dass ich positive Veränderungen hinbekomme, doch ziemlich hoch sind.

Wie sieht dein Business Case jetzt aus – nach dem Übergang?
Veronika Lammer:
Nach dem Schock, dass ich nicht mehr gebraucht werde, hatte ich viele Ideen, wie ich wieder „wichtig“ werden könnte. Schließlich bin ich aber doch bei einem Thema geblieben, dass ich bereits vorher aufgebaut hatte, nämlich Seminare zum Thema Kapitalmarkt.

 

Evi Vogl:
Aktuell bin ich in 2 Aufsichtsräten und habe Anfragen für 3 weitere Mandate. Darüber hinaus arbeite ich in ausgewählten Projekten als Beraterin mit. Schön ist es, finanziell abgesichert zu sein, daher: Alles kann, nichts muss!

Michaela Krahwinkel:
Ich bin noch nicht am Ziel angekommen, sondern habe mich auf den Weg gemacht. Ich habe im Unternehmen meine Aufgabe komplett verändert (und konnte das auch, da bin ich sehr dankbar) und quasi nochmal ganz von vorne angefangen. Ich bin von der Abteilungsleiterin Performance-Analyse zur Referentin im Personalbereich gewechselt, quasi vom Rechenknecht zur Changemanagerin. Mein Führungsaufgabe habe ich ohne mit der Wimper zu zucken an den Nagel gehängt und kümmere mich jetzt in meinem Unternehmen um mir sehr wichtigen Change-Themen. Neben der Mitarbeit im Council für Diversity & Inclusion beschäftige ich mich mit der Gründung von Netzwerken im Unternehmen, aktuell unserem Frauennetzwerk.
Ich müsste mich aber deutlich mehr um meine Pläne nach dem Erreichen der Altersgrenze im Frühjahr kümmern.

Katherine Starks:
Innerhalb von 6 Monaten verdiene ich ca. die Hälfte von dem, was ich benötige. Ich bin positiv überrascht, dass es so schnell so gut läuft!

Barbara Rojahn:
Heute habe ich vier Schwerpunkte:

  1. Erstellung von Finanzkonzepten für verschiedene Lebensphasen (z.B. Finanzen in der Partnerschaft, Begleitung bei Trennung und Scheidung, fachliche Unterstützung bei Tod des Partners)
  2. Vermittlung von Finanzwissen im Einzelcoaching
  3. Tätigkeit als Testamentsvollstreckerin mit dem Ziel, das Vermögen der Erblasserin oder des Erblassers nach dessen eigener Vorstellung zu verteilen sowie zur Vermeidung von Streitigkeiten zwischen den Erben
  4. Beratung von Stiftungen bei der Vermögensanlage

Fleur Platow:
So einen richtigen Übergang in dem Sinne hatte ich nicht. Ich habe meine Stelle als Assistentin meines Vaters bei „Financial Times International Reports on Finance and Currencies“ ohne Anstellungsgespräch bekommen und wurde 7 Jahre später, nach dem Tod meines Vaters, während 13 Jahren alleinige Vertreterin als Schweizer Korrespondentin für diese Schweizer Tochtergesellschaft der FT. Dann gründete ich mein eigenes Seminar „Frauen&Finanzen“. Inzwischen habe ich mich hier so etabliert, dass die NZZ Vermögensverwaltungsbeilage meinem Werdegang im September 2022 eine ganze Seite widmete.

Welche Überraschungen hast Du erlebt im Zusammenhang mit dem Übergang?
Evi Vogl:
Eigentlich wollte ich eine lange Reise machen, um den neuen Abschnitt mit einigem Abstand zum beruflichen Ausstieg zu beginnen. Aufgrund des Lockdowns war dies nicht möglich.

Zurückblickend war das vielleicht gar nicht so schlecht. Ich habe viele Routinen, z.B. wöchentliche Terminplanung, mit in den neuen Lebensabschnitt genommen. Auch wenn es sich komisch anhört: ich plane auch Aktivitäten im Haushalt oder die Freizeit.

Meine Woche startet auch noch immer am Montagmorgen mit der Sportphysio. Ich gönne mir nur den Luxus, jetzt erst um 9 Uhr dort zu sein.

Veronika Lammer:
Wie völlig planlos ich am Anfang war und wie schwierig es war mir meinen Tag ganz selbständig einzuteilen. Mittlerweile kann ich das sehr gut und genieße meine neue Freiheit.

Barbara Rojahn:
Sehr überrascht war ich, wie schnell ein Tag oder eine Woche wieder verplant sind, und die gewünschte große Freiheit wieder verschwinden kann.

Katherine Starks:
Ich bin sehr positiv überrascht, wie einfach es ist, Kundinnen zu finden. Ich habe tatsächlich überhaupt keine Verkaufsaktivitäten begonnen. Ich bin auch überrascht, wieviel kreativer ich geworden bin, seit ich viel mehr Zeit für mich gefunden habe.

Michaela Krahwinkel:
Ich weiß nicht, ob man es als Überraschung bezeichnen kann: Früher hatte ich relativ viele Erfolgserlebnisse, da waren eine gute Analyse oder wichtige Insights für’s Senior Management der Trigger. Jetzt begleite ich einige Themen bewusst im Hintergrund und stehe nicht mehr auf der Bühne. In meinen Gruppen arbeiten wir hierarchiefrei, ergebnisoffen und agil – welch ein Luxus! Und meine Arbeit für Diversity & Inclusion ist kein Sprint, sondern eher mit einem Marathon zu vergleichen. Also auch keine schnellen Erfolgserlebnisse fürs Ego, und das kratzt schon mal am selbigen.

Vielen Dank für diese tollen Antworten, die so schöne Perspektiven geben!

 

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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