Die Assoziierungskette Frau-Shopping-Bargeld ist naheliegend; darum rufe ich heute dazu auf, unser Bargeld mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. „Ist es denn in Gefahr?“, wird sich die eine oder andere Leserin fragen. Nicht sofort, aber auf mittlere Sicht durchaus!

Der Harvard-Professor Kenneth S. Rogoff sprach sich im November 2014 auf der Vortragsreihe Munich Lectures in Economics des Center for Economic Studies (CES) ganz offen für die Abschaffung von Bargeld aus, und in einigen Ländern gibt es bereits massive Einschränkungen: Seit Anfang 2012 sind in Italien Barzahlungen von über 1.000 € verboten, in Spanien sind Barzahlungen von mehr als 2.500 € untersagt, wenn eine der Parteien professionell tätig ist. Belgien hat im Januar 2014 die maximal zulässige Barzahlungs-Summe von 5.000 auf 3.000 € herabgesetzt, und in Frankreich dürfen Bürger ab September 2015 nur noch Beträge bis zu 1.000 € in Bar bezahlen – bislang sind es noch 3.000 €.

Auch in Deutschland wird es immer schwieriger, mit 500-Euro-Noten zu bezahlen, obwohl es sich um gültiges Zahlungsmittel handelt. Das Bargeld-Experiment des Wirtschaftsjournalisten Norbert Häring, der die Rundfunkgebühren bar zahlen wollte, haben sicher auch die meisten von uns verfolgt. Haben Sie mal versucht, in letzter Zeit einen Bank-Safe neu anzumieten? Viele Banken bieten diese Dienstleistung nicht mehr an.

Die Abschaffung des Bargeldes ist gleichzusetzen mit Enteignung, Gängelei, Exhibitionismus und ist ein Finanz-Käfig für uns Bürgerinnen – warum?

Foto Bargeld

Enteignung
Die Finanzkrise von 2007/8 ist längst nicht vorbei. Unser Wirtschaftssystem basiert darauf, dass Schulden nun mal zurückzuzahlen sind – auch Staatsschulden. Wer wird sie zurückzahlen? Letztendlich die Bürger, also Sie und ich!

Wenn aber das Geld nicht ausreicht, werden die Regierungen ihre Bürger auf die ein oder andere Weise enteignen müssen. Das lässt sich über Steuern, durch Inflation oder über negative Zinsen bewerkstelligen. Aus Politikersicht sind Steuern äußerst unpopulär; Inflation geht einher mit Zinssteigerungen, was die Bedienung der Staatsschulden verteuern würde, also scheidet derzeit auch dieses Mittel aus. Bleibt also das Instrument negativer Zinsen. Die haben wir ja schon in der Schweiz und in einigen Euroland-Ländern. Bisher trifft das erst die großen institutionellen Investoren. Beispielsweise berechnet die UBS schweizer Versicherungen und Pensionskassen aktuell 3% auf Cash-Guthaben.

Privatanleger in Deutschland blieben bisher vor der direkten Belastung von Negativzinsen verschont. Schließlich gibt es da ein „technisches Problem“, und das heißt „Bargeld“.

Will meine Bank nämlich Zinsen auf mein Tagesgeldkonto kassieren, hebe ich das Geld einfach ab und lege es in den Tresor. Wird Bargeld aber abgeschafft, geht das nicht mehr. Ich müsste mir die Enteignung dann entweder gefallen lassen, oder auf deutlich weniger fungible Wertaufbewahrungsmittel (z.B. Gold, Silber, Edelsteine…) zurückgreifen. Insofern hätte das Geld eine seiner drei volkswirtschaftlichen Funktionen (Zahlungsmittelfunktion, Wertbewahrungsfunktion, Wertmess- und Recheneinheitsfunktion) eingebüßt.

Wir säßen in der Falle der finanziellen Repression, und verglichen damit ist die kalte Progression, die wir gerade mühsam abgeschafft haben, ein Kindergeburtstag!

Gängelung und Lenkung
Wäre Bargeld erst einmal abgeschafft und alles liefe über den elektronischen Zahlungsverkehr, könnte einer definierten Gruppe Menschen bestimmte Geldausgaben untersagt werden. Schon jetzt funktioniert das ganz gut bei Zigarettenautomaten, bei denen man eine Karte benutzen muss, und nur wenn der Karteninhaber über 18 Jahre alt ist, kann man Zigaretten kaufen. Diese Restriktion mag man für sinnvoll halten, aber auch andere Gängeleien wären denkbar: Der Monat Mai ließe sich beispielsweise zum Veggie-Monat deklarieren – immerhin war ein Veggie-Day schon ernsthaft im Gespräch. Da darf dann kein Fleisch gekauft werden. Im Monat Juni ließe sich vielleicht der Kauf von Schokolade verbieten – natürlich alles zu unserem Besten! Der Gedanke an einen Monat ohne Schokolade lässt mich erschauern und ich überlege schon, was ich auf dem Schwarzmarkt, der sich dann sicherlich etablieren wird, dafür eintauschen könnte.

Exhibitionismus
Bargeld wird außerdem gebraucht, um kleine Geheimnisse zu bezahlen – wie farblos wäre die Welt ohne sie! Der Partner könnte einfach in der Kontoabrechnung nachsehen, wie viel das Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk gekostet hat. Möchte ich beispielsweise die Diskussion vermeiden, ob der Kauf des neuen Schmuckstücks wirklich notwendig war? Na, dann bezahle ich eben bar, und es wird keine Diskussion geben! Und auch die anderen Farbtupfer des Lebens ziehen oft Bargeldzahlungen nach sich: Genau aus demselben Grund, warum Herr Meier im „Club Chantal“ lieber bar bezahlt, wird auch Frau Meier den ein oder anderen Einkauf lieber mit richtigen Geldscheinen bezahlen.

Liebe Politiker, kommt uns doch nicht mit dem vermeintlichen Killer-Argument der Verbrechensbekämpfung! Welche Verbrechen haben sich denn durch den zunehmenden Einsatz von bargeldlosen Zahlungen verringert? Lasst uns Bürgern die süßen kleinen Geheimnisse! Die wirklich Kriminellen werden auch über Cyber-Kriminalität dafür sorgen, dass sich ihr Rad weiter drehen wird! Kriminalitätsbekämpfung und Steuerhinterziehung sind nur Scheinargumente, die gut klingen sollen und gegen die sich schwer argumentieren lässt. Und restlos lächerlich ist das Argument der Bakterien auf den Geldscheinen. Dann müsste man ja auch öffentliche Toiletten, Händeschütteln und Einkaufswägen verbieten! Zum Glück verfügen die meisten Menschen über ein gut funktionierendes Immunsystem oder haben Wasser und Seife zum Händewaschen!

Technik funktioniert nicht immer
Meine Damen, lasst Euch nicht als „technologiefeindlich“ diffamieren, wenn Ihr nicht alles und jedes per Paypal, Kreditkarte oder Handy bezahlen möchtet! Es ist nun mal so, dass der Einsatz dieser Zahlungsmethoden nicht immer sichergestellt ist. Wir dürfen uns nicht von der naiven Technologie-Gläubigkeit einiger Menschen anstecken lassen – die Praxiserfahrung zeigt ein anderes Bild. Wie oft steht auf der Online-Eingangsseite meiner Bank, dass ich auf Grund von Wartungsarbeiten leider gerade nicht agieren kann? Und wie oft zuckt eine Verkäuferin bedauernd mit den Schultern, weil sowohl EC- als auch Kreditkarte am Zahl-Terminal ihren Dienst verweigern, obwohl sie eben noch funktioniert haben?

Es wäre doch jammerschade, das Paar Schuhe, das schon gesagt hat, dass es gern zu mir möchte, im Regal stehen zu lassen, nur weil es Probleme mit der elektronischen Zahlung gibt! In solchen Fällen bin ich froh, wenn ich bar zahlen kann. Und ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass das Geldausgeben dann mit einem Mal spürbarer wird als bei Kartenzahlung? Auch das ist von den Politikern und der Industrie ein ins Kalkül gezogener Effekt – beide wollen den privaten Konsum antreiben. Wir als Konsum-Melkkühe!

Wir sollten uns also die Freiheit nehmen, unser Bargeld wertzuschätzen – dazu müssen wir elektronische Zahlungsmöglichkeiten ja nicht gleich verteufeln – hoch lebe der multi-channel-Ansatz, aber bitte inklusive des Kanals Bargeld!

Ich rufe dazu auf, dass wir nicht wie die Schafe freiwillig zu unserem Schlächter trotten, sondern dass wir beim nächsten Shopping-Bummel einfach mal wieder einen richtigen Geldschein zücken. Schließlich ist Bargeld eine Art Kulturgut, das es zu schützen gilt! Wie sonst wollen Sie nächstes Mal eine Entscheidung mit „Kopf-oder-Zahl?“ treffen? Oder was sollen wir dem Straßenkünstler demnächst in den Hut werfen?

 

Unterschrift gescannt_bearbeitet

 

 

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und schreibt u.a. für die Magazine „Fonds Professionell“ und „Institutional Money“. Daneben ist sie Unternehmensberaterin und Dozentin für den Bereich Investmentfonds, und geschäftsführende Gesellschafterin der Fondsfrauen.

 

Text: Anke Dembowski

Portrait-Foto: Daniela Prusina

Geld-Foto: Anke Dembowski

 

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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