Na toll, nun soll es bald eine DIN-Norm für die Finanzberatung geben. Tatsächlich arbeitet das Deutsche Institut für Normierung (DIN) derzeit an einem Standard für die Bedarfsanalyse bei der Beratung. Ab 2017 könnte mit dessen Hilfe die Qualität zum Kundenwohl gesteigert werden. Grundlage der Norm ist eine DIN-Spec der Defino, wie Fonds Professionell berichtet.

Wenige Großentscheider sind für die Entwicklung der Märkte gefährlicher als viele individuelle Einzelentscheidungen
Was für Schreibpapier sicher praktisch ist, damit es in Brief-Couverts und Drucker passt, ist für die Finanzberatung gefährlich. Wenn alle nach Schema-F beraten werden, sind die handelnden Akteure gleichgerichtet. Schon lange weiß man, dass das gleichgerichtetes Handeln die Volatilität an den Märkten erhöht, und kann dies auch in der Praxis feststellen: Immer mehr Fondsdepots werden durch Musterdepots oder Vermögensverwalter gesteuert. Mit einem Knopfdruck werden Tausende von Depots umgeschichtet – alle raus aus einem Fonds und rein in einen anderen Fonds. Asset Manager wissen davon ein Lied zu singen und klagen über steigende Mittelzu- und Abflüsse, die innerhalb der Fonds für hohe Transaktionskosten sorgen. Um dem zu begegnen, haben viele Fonds bereits Soft- und Hardcloses eingeführt, und viele der hierzulande vertriebenen Fonds wenden als weitere Gegenmaßnahme zur Preisberechnung das Instrument des „Swing Pricing“ an. Viele individuelle Einzelentscheider sind für die Entwicklung des Gesamtmarktes besser als wenige Großentscheider, die am Drücker sitzen.

Kunden werden in die Passivität gedrängt
One size fits all stimmt womöglich nicht in der Finanzberatung – zumindest nicht überall. Bloß weil alles gleich gemacht wird, ist die Kundenberatung nicht besser. Viel wahrscheinlicher ist es, dass man sich beim kleinsten gemeinsamen Nenner wiederfindet, sprich: beim geringsten Fehlerpotenzial, und eigentlich beim geringsten Risiko. Aber wirklich gut ist damit die Beratung nicht. Man sieht dies schon jetzt an der Beratung für Bankkunden: Die meisten Banken beraten nicht mehr zu Einzelwertpapieren, oder wenn, dann nur über eine sehr eingeschränkte Auswahl. Der Grund ist, dass man Beratungsfehler vermeiden möchte und es auch nicht mehr passiert, dass ein Berater einer Bank zum Einstieg in eine bestimmte Aktie rät und der andere zum Ausstieg. Schön! Aber ist dadurch das Kundenergebnis besser geworden? Wohl kaum!

Kunden werden stattdessen in Vermögensverwaltungen gedrängt, deren Ergebnis nach Kosten vermutlich nicht besser ist als eine gute Auswahl verschiedener Einzeltitel. Und ganz nebenbei ist ein Kunde in der Vermögenverwaltung für die Bank um vieles margenträchtiger als ein Kunde, der gelegentlich ein Wertpapier kauft und verkauft. Kunden sollen nur noch entscheiden dürfen, welcher Risikostufe sie sich zuordnen und werden dann in die Passivität gedrängt. Es verwundert daher nicht, dass viele Kunden der traditionellen Bankberatung den Rücken kehren und bei Wikifolio und den Direktbanken aktiv werden – zumindest diejenigen, die sich gerne mit den Märkten beschäftigen.

Auch große zentrale Steuerungseinheiten können schief liegen
Finanzmärkte bergen Risiken, die man wohl auch durch modernste Quant-Modelle nicht eliminieren kann. Ein einzelner Berater kann mit seiner Sichtweise richtig oder falsch liegen, aber große zentrale Steuerungseinheiten leider auch. Sonst hätte die Finanzkrise und das Desaster um die Lehman-Pleite ja gar nicht passieren können!

Was im Großen gilt, gilt auch im Kleinen: Der eine braucht wirklich eine BU-Versicherung, der andere hat womöglich so viel Vermögen, dass er einen BU-Fall abfedern könnte. Der eine kann mit einem Marktrückgang von 25 % gut leben, weil er fest daran glaubt, dass sich Märkte nach einer Baisse wieder erholen, der andere kann schon bei einem nominalen Rückgang von 5 % nicht mehr gut schlafen. Ist es ein Beratungsfehler, einem 30-jährigen für die Altersvorsorge eine klassische Lebensversicherung anzubieten, weil das erwartete Ergebnis für eine auskömmliche Altersvorsorge zu gering ist, oder ist ein Aktienfonds hier angebrachter? Das wird vom Einzelfall abhängen und lässt sich nur schwer DIN-normen.

Ich gebe zu: Die krassesten Falsch-Beratungen lassen sich womöglich durch eine DIN-Norm vermeiden – beispielsweise das Fehlen einer Privathaftpflicht-Versicherung. Aber eine professionelle, auf die einzelne Kundensituation zugeschnittene Finanzberatung ist wohl jeder DIN-Vorgabe überlegen.

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Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und schreibt u.a. für die Magazine „Fonds Professionell“ und „Institutional Money“. Daneben ist sie Unternehmensberaterin und Dozentin für den Bereich Investmentfonds, und geschäftsführende Gesellschafterin der Fondsfrauen.

Foto: Daniela Prusina

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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