Tabea Eckardt ist seit 2018 im Executive Search bei BiermannNeff. Zusammen mit Klaus Biermann betreut sie Suchen im Sales, Marketing und Portfolio Management in der DACH-Region. Wir sprechen mit beiden, was die aktuellen Treiber für 2025 in der Finanzbranche sind und wie sich diese auf die Recruiting-Aktivitäten der Unternehmen auswirken.
Tabea, was sind die Core Treiber für die Finanzbranche im Jahr 2025?
Tabea Eckardt: Ich denke, dass es aktuell vier zentrale Treiber für die Finanzbranche gibt:
- Wachstum im Bereich Private Markets: Investments in Private Markets wie Private Equity, Private Debt und Infrastruktur nehmen weiter zu. Anleger suchen verstärkt nach Renditechancen abseits der volatilen öffentlichen Märkte.
- Dominanz passiver Strategien: Der Erfolg passiver Investmentvehikel wie ETFs übt enormen Druck auf das traditionelle, aktive Fondsmanagement aus. Dieser Trend zwingt Asset Manager dazu, ihren Mehrwert klarer zu definieren, spezialisierte Nischenstrategien anzubieten oder stärker auf hybride Ansätze zu setzen.
- Zunehmende Regulierung: Strengere Vorgaben in Bereichen wie ESG-Reporting, Transparenzanforderungen und Anlegerschutz fordern erhebliche Investitionen in Compliance und Reporting-Systeme.
- Voranschreiten der KI und der Digitalisierung: Künstliche Intelligenz wird immer stärker in der Finanzbranche eingesetzt – von der Analyse großer Datenmengen bis zur Automatisierung von Handels- und Verwaltungsprozessen. KI-gestützte Entscheidungsfindung ermöglicht präzisere Risikoanalysen und optimierte Portfoliostrategien.
Und was bedeutet das konkret für die Finanzbranche?
Tabea Eckardt: Die Finanzbranche wird sich 2025 in vielen Bereichen verändern, vieles vielleicht wesentlich mehr als wir aktuell vermuten. Die steigenden Investitionen in Private Markets wirken durch die höheren Ertragspotentiale eher positiv, der Druck passiver Strategien auf aktives Fondsmanagement und die zunehmende Regulierung sind eine große Herausforderung. Marktteilnehmer, die agil auf diese Trends reagieren und innovative Lösungen auch mit Hilfe von KI anbieten, werden sich langfristig behaupten können.
Klaus, was siehst Du als die großen HR-Trends für 2025, beim Recruiting?
Klaus Biermann: Zum einen sehen wir, dass viele Kandidaten einen Wechsel vom traditionellen Asset Management hin in den Private Markets-Bereich anstreben. Diese Entwicklung wird in den kommenden Jahren sicherlich noch zunehmen. Herausfordernd wird sein, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, die auch schon eine gewisse Erfahrung in diesem Umfeld mitbringen. Erfreulich ist, dass die Persönlichkeit und Einstellung immer wichtigere Faktoren in der Selektion des richtigen Kandidaten geworden sind.
Was tut sich im Bereich der Präsenz-Pflicht?
Tabea Eckardt: Mit Spannung beobachten wir, dass viele Unternehmen wieder die Rückkehr ins Büro anstreben und neue Modelle für flexibles Arbeiten finden. Ob das tatsächlich Auswirkungen im Personalmarkt hat, werden wir sehen. Sei es, dass Mitarbeiter nun wechselwillig sind und einen flexibleren Arbeitgeber suchen oder ob es schwieriger wird, potenzielle Kandidaten zu überzeugen.
Wir sehen auch, dass Flexibilität und andere Softfaktoren eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Finanzbranche ist immer noch eine Industrie mit sehr hohen Gehältern, aber für Unternehmen ist es auch wichtig, nicht nur beim Gehalt, sondern auch bei den Benefits kompetitiv zu sein. Wer unter dem Markt bezahlt oder kaum Benefits bietet, hat es deutlich schwerer, gute Kandidaten abzuwerben.
Was ändert sich speziell bei der Suche nach Frauen? Erwartet Ihr, dass für Führungspositionen in der Finanzbranche eher mehr oder eher weniger explizit nach Frauen gesucht wird?
Klaus Biermann: Weiterhin sind die Bemühungen nach einer ausbalancierten Gender-Diversität sehr hoch, was in der Finanzbranche automatisch dazu führt, dass der Wunsch, eine Frau einzustellen, meist sehr groß ist. Wir sehen jedoch auch, dass am Ende Qualifikation, Persönlichkeit und kultureller Match siegen. Nach meinem Empfinden haben Aussagen wie „Wir wollen unbedingt eine Frau einstellen“ nachgelassen. Andererseits ist genau das auch ein Indikator dafür, dass eine Sensibilisierung stattgefunden hat, was ein großer Erfolg der Arbeit der letzten Jahre ist. Wir haben letztes Jahr in Führungsgremien gesehen, dass Frauen durch Männer ersetzt wurden – allerdings ist das auch ein Zeichen einer normalen Entwicklung. Andersherum geschieht es ja genauso. Wir brauchen nicht das Übertriebene, z. B. einen gezwungenen Fokus auf Frauen. Jetzt ist es irgendwie natürlicher, und ich glaube, das ist gut! Viele Unternehmen unterschätzen noch die Bedeutung eines gerade in Bezug auf Frauen langfristigeres Pipeline-Managements. Das klassische «Headcount-Denken» und kurzfristige Besetzen von Funktion korreliert nicht unbedingt mit der eher mittel- bis langfristigen Karriereplanung von Frauen.
Was sollen Frauen, die eine Karriere anstreben, dann tun, damit sie gesehen und letzten Endes auch befördert werden?
Tabea Eckardt: Wichtig ist, dass Frauen an ihrem eigenen Netzwerk und Pipeline-Management aktiv arbeiten. Wir Frauen sollten hier nicht den Stil des Mannes adaptieren, jedoch mehr Mut zeigen, uns zu vernetzen und den eigenen Marktwert und die Möglichkeiten zu testen. Generell müssen mehr Frauen und diese auch viel früher für die Branche begeistert werden – Netzwerke und Sparring Partner können sie dann auch weiterhin auf ihrem Karriereweg unterstützen. Dafür sind Programme wie die von den Fondsfrauen sehr wertvoll. Männer sind oft mutiger, sich selbst zu verkaufen und sich zu positionieren, daher kann ich nur alle Frauen dazu ermutigen, an sich zu glauben und sich auch zu trauen, Gespräche und Interviews zu führen – auch dann, wenn nicht unbedingt ein Wechsel angestrebt wird. Einfach im Gespräch bleiben!
Was sind Eigenschaften oder Kompetenzen für Führungskräfte, die aktuell gesucht werden?
Tabea Eckardt: Die Anforderungen an die Führungskraft sind heute wesentlich höher und vielfältiger als noch vor einigen Jahren. Führungskräfte müssen Leader sein, Vorbilder, authentisch, ehrlich, integer, und sie müssen Bereitschaft zeigen, Verantwortung einzufordern und zu tragen, gleichzeitig aber auch, sich in gewissem Masse den Rahmenbedingungen anzupassen. Die fachlichen Grundvoraussetzungen müssen natürlich in jedem Fall vorhanden sein.
Welche Eigenschaften oder Kompetenzen für Menschen unterhalb der Führungsebene – in der mittleren Ebene –, werden aktuell gesucht?
Klaus Biermann: Auch hier sind Mitarbeiter gesucht, die kulturell gut in eine Struktur passen und mit und mit einem hohen Teamansatz begeistern. Unternehmenskulturen können sehr unterschiedlich sein, weswegen man nicht sagen kann, dass es die eine richtige Eigenschaft gibt, die man mitbringen muss. Vielmehr sollte man wissen, welches Umfeld einem selber liegt. Hier helfen wir oft, um herauszufinden, wo man hinpassen könnte. Daneben gibt es natürlich auch fachliche Kompetenzen, die für viele Positionen zwingend notwendig sind. Das hängt aber stark von der zu besetzende Position ab. Viele Kündigungen in den ersten zwölf Monaten könnten verhindert werden, wenn insbesondere die potenziellen neuen Mitarbeiter sich im Bewerbungsprozess authentischer verhalten und ihre eigenen Anforderungen und Präferenzen zumindest sich selbst klarer machen. Hier haben Frauen übrigens ein wesentlich ehrlicheres und besseres Gespür als Männer.
Wie sensibilisiert sind Unternehmen im Jahr 2025, was das Thema Diversity betrifft?
Tabea Eckardt: Die gesamte Industrie ist, was das Thema Diversity anbelangt, weitestgehend sensibilisiert. Sicherlich gibt es noch Dinge, die sich über die Jahre noch mehr verankern und als gegeben gesehen werden. Ich sehe aber nicht, dass das Thema 2025 weiter an Bedeutung zunimmt. Gerade in großen Häusern gibt es Bewegungen, die verschiedene Gruppen – sei es Frauen, andersgeschlechtliche oder Homosexuelle zusammenzubringen und fördern. In kleineren, nationalen Unternehmen sieht das teilweise noch anders aus. Dort sieht man verhältnismäßig weniger Sensibilität und Verständnis bezüglich Diversity. Viele vergessen aber auch, dass Diversity nicht nur über das Geschlecht stattfindet, sondern auch über Alter, soziale Herkunft und viele andere Aspekte. Auch wenn sich viele Unternehmen als insgesamt sehr „divers“ betrachten, wird es noch nicht überall auch tatsächlich so gelebt.
In den USA scheint das Pendel gerade zurückzuschlagen. Themen wie DEI und Sustainability sind dort auf dem Rückmarsch… es gibt sogar erste Anti-Woke-Fonds in Amerika. Erwartet Ihr eine ähnliche Entwicklung für Europa, oder ist hier die Ausgangssituation anders?
Klaus Biermann: In Amerika war die Entwicklung im Bereich Diversity deutlich schneller und hat mittlerweile auch einen Peak erreicht. Wie Du sagst, ist sie in einigen Bereichen schon wieder etwas auf dem Rückmarsch. Das wäre auch meine Prognose für den europäischen Markt, der etwas zeitverzögert reagiert.
Tabea Eckardt: Besonders im Bereich Sustainability sehen wir ja jetzt schon, dass die Nachfrage deutlich gesunken ist. Ich glaube zwar nicht, dass sich in Europa ebenfalls Anti-Woke-Fonds etablieren können. Allerdings denke ich, dass die Bemühungen und vielleicht auch Investitionen, die bisher Themen wie DIE gefördert haben, etwas sinken. Das regulatorische Umfeld in Europa ist aber auch ein anderes als in Amerika und das wird sicherlich einen für Diversity günstigen Unterschied machen.
Welche Konsequenzen hat dies für Frauen, die in Europa Karriere in der Finanzbranche machen wollen?
Tabea Eckardt: Frauen, die in der Finanzbranche Karriere machen wollen, haben weiterhin sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten und finden meist ein sehr modernes und attraktives Arbeitsumfeld vor. Ausnahmen gibt es natürlich. Ich glaube nicht, dass der Rückgang der „Woke-Bewegung“ direkt Konsequenzen für Frauen haben wird. Allerdings betreffen Themen wie die „Rückkehr ins Büro“ leider immer noch Frauen mehr als Männer, insbesondere wenn Kinder im Spiel sind. Ich befürchte, dass die geringer werdende Flexibilität eine Karrierebremse sein kann. Das gleiche gilt für Teilzeit-Pensen. Diese sind besonders auf Führungsebene weiterhin sehr unüblich, und auch hier leiden eher Frauen als Männer. Doppelspitzen sind selten, unbeliebt, aber auch viel zu selten ausprobiert. Das Potenzial und die Chance in diesen wird mit dem Argument, einer muss entscheiden, oftmals zu schnell und leicht abgekanzelt.
Tabea, was rätst Du Frauen, die sich 2025 beruflich verändern wollen? Wohin sollen sie sich orientieren? Was sollten sie tun?
Tabea Eckardt: Als erstes rate ich, sich zu überlegen, was man möchte. Es bringt nichts, einem Trend nachzurennen, bei dem vielleicht aktuell am meisten eingestellt wird, wenn er nicht zum Charakter und den Wünschen passt. Das heißt, man sollte sich überlegen „was will ich und in welcher Struktur fühle ich mich wohl?“. Natürlich wird nicht immer alles zu 100% stimmen, aber wenn vielleicht beides nur zu 70-80% stimmt, dann ist es gut! Wir helfen sehr oft in Gesprächen herauszufinden, was passt, und schauen natürlich trotzdem, in welchem Bereich es Potenzial gibt. Wer einen Wechsel anstrebt, sollte auf jeden Fall sein LinkedIn-Profil aktuell halten und Kontakt zum eignen Netzwerk, aber auch zu Headhuntern, aufnehmen. Mut gehört natürlich auch dazu. Wer unzufrieden ist und nichts verändert, darf sich auch nicht beschweren!
Vielen Dank Euch beiden für diesen guten Einblick in die Rekrutierungs-Landschaft im Finanz-Sektor!