Mit dem „DWS Invest ESG Women for Women“ hat die DWS am 17. Januar 2022 einen nachhaltig anlegenden Frauenfonds aufgelegt, der von einem 12-köpfigen Fondsmanagerinnen-Team verwaltet wird. Wir sprechen mit drei von ihnen darüber, was weibliches Portfolio-Management eigentlich ausmacht: Valerie Schüler, Katharina Seiler und Lilian Haag.

ESG-Investments sind in aller Munde, aber lange Zeit standen dabei die ökologischen Faktoren im Vordergrund. Kommt jetzt die Zeit der sozialen Faktoren?
Lilian Haag: Für uns ist eine stärkere Einbeziehung von sozialen Faktoren beim Investieren ein weiterer logischer Schritt. Mit der gesellschaftlichen Diskussion rund um den Klimawandel haben viele Nachhaltigkeitsfonds Umwelt-Kriterien in den vergangenen Jahren vergleichsweise stärker gewichtet als soziale Faktoren. Das hatte unter anderem auch mit der Datenlage zu tun: Es war leichter zu messen, wie viel Tonnen CO2 oder Plastik Unternehmen pro Jahr eingespart haben als herauszufinden, welche Unternehmen etwa familienfreundliche Arbeitsplätze anbieten. Mittlerweile hat sich die Datenlage jedoch extrem verbessert. Mit den neuen, auf soziale Kriterien fokussierte Nachhaltigkeitsindikatoren, können wir viel besser als früher bewerten, wie gut Unternehmen mit Blick auf soziale Werte und Arbeitsbedingungen abschneiden. Daher ist jetzt die Zeit gekommen, Sozialkriterien stärker zu berücksichtigen – zumal sie unbestritten einen zunehmend wichtigen Erfolgsfaktor für Unternehmen darstellen.

Zu den sozialen Faktoren gehört auch Diversity. Warum ist Diversity für Unternehmen wichtig?
Valerie Schüler: Diversity kann sich positiv auf die Produktivität und die Gewinne von Unternehmen auswirken, was langfristig auch zu einer besseren Wertentwicklung am Aktienmarkt führen dürfte. Wir sind fest davon überzeugt, dass diverse Teams bessere Entscheidungen treffen können, weil sie mehr Sichtweisen zusammenbringen und Entscheidungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln hinterfragen. Wenn alle im Team nur in die gleiche Richtung denken, besteht die Gefahr eines Klumpenrisikos.

Auf welche weiteren „S-Faktoren“ achten Sie bei der Titel-Auswahl für den DWS Invest ESG Women for Women besonders?
Katharina Seiler: Wir konzentrieren uns vor allem auf Unternehmen, die Wert auf faire Arbeitsbedingen und Diversität legen. Dabei geht es zum Beispiel um Chancengleichheit für alle Menschen, ganz unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung. Es geht aber auch darum, wie Unternehmen mit dem Thema Geschlechtergleichheit, auch auf Führungsebene, umgehen. Wir schauen uns darüber hinaus an, was die Unternehmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tun und ob sie ihren Mitarbeiten flexible Arbeitsbedingungen bieten. Gerade in puncto Flexibilität haben viele Unternehmen durch die coronabedingte Homeoffice-Regelungen zuletzt besser abgeschnitten. Für unser Portfolio kommen jedoch nicht nur Unternehmen infrage, die mit Blick auf die sozialen Faktoren bereits führend sind. Wir nehmen auch Unternehmen in die engere Auswahl, die in puncto Soziales noch nicht zu den Vorreitern gehören, wohl aber mit großen Fortschritten auf sich aufmerksam machen.

Will die DWS mit der Auflage des Fonds lediglich ein neues, speziell ausgerichtetes Investment-Vehikel anbieten, oder geht es dabei auch um einen gesellschaftlichen Apell?
Lilian Haag: Wir verfolgen mit dem DWS Invest ESG Women for Women mehrere Ziele. Erstens möchten wir mehr Frauen zum Investieren motivieren. Zweitens möchten wir mehr Frauen für einen Job in der Finanzindustrie beziehungsweise in der Asset-Management-Industrie begeistern. Derzeit sind nur zehn Prozent der Fondsmanager weiblich. Hier ist also noch ordentlich Luft nach oben. Und drittens möchten wir positiv auf Unternehmen einwirken, die sich im Hinblick auf soziale Faktoren und faire Arbeitsbedingungen verbessern möchten. Dafür stehen wir im engen Kontakt mit den Entscheidern, um die nächsten Schritte auszuloten und Ziele zu definieren.

Wer ist die Zielgruppe für diesen Fonds? Welche Anlegergruppen haben bereits Interesse bekundet?
Katharina Seiler: Zu unserer Zielgruppe gehören prinzipiell alle Anleger, ganz unabhängig von ihrem Geschlecht. Wir decken jedoch mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und soziale Aspekte Themen ab, die besonders Frauen ansprechen – auch wenn es um Investitionsentscheidungen geht. Insgesamt kümmern sich Frauen immer noch zu wenig um die eigenen Finanzen. Auch, weil sie sich von herkömmlichen Finanzprodukten häufig nicht angesprochen fühlen. Hier setzen wir mit unserem Fonds an. Wir möchten Frauen motivieren, ihren Vermögensaufbau in die Hand zu nehmen. Bis dato legt nur jede achte Frau ihr Geld am Aktienmarkt an, obwohl rund 80 Prozent der Frauen regelmäßig sparen. Dabei ist es gerade mit Blick auf die drohende Rentenlücke enorm wichtig, sich rechtzeitig um eine Alternative zum Sparbuch zu kümmern – sprich, am Kapitalmarkt zu investieren.

Ist Fondsmanagement eigentlich eher eine Kunst oder wissenschaftlich-basiertes Arbeiten?
Valerie Schüler: Es ist eine Mischung aus beidem. Es gibt nicht den einen lehrbuchartigen Weg, der automatisch zur Outperformance führt. Jeder Portfoliomanager muss für sich eine Strategie entwickeln, mit deren Hilfe er eine gute Performance erzielen kann. Dazu kann er sich aus dem Werkzeugkasten der wissenschaftlichen Lehre bedienen. Der richtige Mix und der spezielle Fokus bleibt allerdings die Kunst eines jeden Portfoliomanagers. Beim DWS Invest ESG Women for Women legen wir großen Wert auf die fundamentale Analyse. Wir betreiben also klassisches Stock-Picking, für das wir die Unternehmen auf Herz und Nieren prüfen. Aber nicht nur die Auswahl der richtigen Aktien, sondern auch ein Händchen für das richtige Timing für den Ein- und Ausstieg und eine langfristige Sicht sind für den Erfolg unserer Anlageentscheidungen wichtig.

Managen Frauen Ihrer Erfahrung nach einen Fonds anders als Männer?
Valerie Schüler: Schwer zu sagen, da prinzipiell jeder einzelne Portfoliomanager – mehr oder weniger unabhängig vom Geschlecht – eine andere Herangehensweise hat. Es gibt allerdings Studien, die belegen, dass Frauen einen stärkeren Fokus auf das Risiko haben, was für die Anlageentscheidung definitiv positiv sein kann. Man muss wissen, wann es sich lohnen könnte, ein höheres Risiko mit einer Aktie einzugehen. Hilfreich ist dabei ein festgelegtes Risikobudget, das man nicht überschreitet. Bezogen auf unser rein weibliches Team sind wir davon überzeugt, dass die Vielfalt der Meinungen und der intensive Austausch einen echten Mehrwert für den Fonds liefern kann.

Ich war etwas erstaunt, als ich gelesen habe, dass der DWS Invest ESG Women for Women von einem 12-köpfigen Fondsmanagerinnen-Team verwaltet wird. Gibt es da nicht Gedränge? Oder wie sind die Aufgaben verteilt?
Lilian Haag: Wir haben uns sehr effizient organisiert. Wir tauschen uns in erster Linie auf der Sektorenebene aus, über alle Regionen hinweg. Dafür haben wir sechs Sektorteams gebildet, mit jeweils 3-4 Expertinnen, die die Aktienselektion vorschlagen. In einem monatlichen Entscheidungsprozess werden die Vorschläge der Sektorteams diskutiert und im Fonds umgesetzt. Wir arbeiten bereits seit dem Frühjahr 2021 in dieser Konstellation zusammen und haben viele Erfahrungen gesammelt. Uns allen ist wichtig, dass sich jede Fondsmanagerin einbringen kann und viele unterschiedliche Aspekte in das Portfolio einfließen.

Sind Unternehmen, die den „S-Faktor“ berücksichtigen, eigentlich erfolgreicher an der Börse als andere?
Katharina Seiler: Über einen Betrachtungszeitraum von fünf Jahren haben in puncto „S-Faktor“ gut aufgestellte US-Unternehmen aus dem S&P 500 Index besser abgeschnitten als der breite Markt.

Sie sagten, dass Sie Frauen motivieren möchten, ihren Vermögensaufbau selbst in die Hand zu nehmen, was u.a. im Hinblick auf die durchschnittlichen Altersrenten für Frauen wichtig ist. Welche Aktionen planen Sie hier?
Katharina Seiler: Wir möchten uns in Zukunft vor allem im Bereich der finanziellen Bildung von Frauen engagieren. Frauen brauchen eine andere Ansprache als Männer, wenn man sie für das Thema Geldanlage begeistern möchte.

Vielen Dank für dieses Interview!

Foto: Von links nach rechts zu sehen sind: Lilian Haag, Dr. Katharina Seiler und Valerie Schüler.

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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