Vorletzte Woche waren wir zu einer Geburtstagsparty eingeladen und es ergab sich folgende Situation zwischen meiner Frau und mir:

Sie: Welches Kleid soll ich heute Abend anziehen (zwei stehen zur Auswahl)?
Ich: (Betrachte beide Option und treffe eine klare Entscheidung) Nimm das Schwarze.
Sie: Warum??!! Gefällt dir das Braune nicht???
Ich: Doch natürlich, aber du hast mich gefragt welches mir besser gefällt.
Sie: Also doch das Braune?
Ich: Ja, das ist auch o.k.
Sie: Ja welches denn jetzt??!!
Ich: Ich hatte doch gesagt, das Schwarze!
Sie: Ich habe den Eindruck, dass du dir nicht sicher bist, also ist das Braune o.k.?!
Ich: Himmelherrgott, warum fragst du mich überhaupt, wenn schon von Anfang an feststeht, welches du anziehst und eigentlich nur noch meine Bestätigung möchtest?

Natürlich mussten wir im Nachhinein über diese Situation lachen, aber einige Männer verlieren da schon mal ihre Contenance. Aber warum ist das so?

Mars vs. Venus
Bei uns Marsianern liegen die kognitiven Fähigkeiten im mathematisch-räumlich-visuellen Bereich, bei unseren geliebten Venusianerinnen in der Sprachkompetenz. Für Männer sind viele Fragen ganz einfach zu beantworten, da sie überwiegend technisch bzw. mechanisch denken und dabei weiche Faktoren wenig oder gar nicht berücksichtigen:

0 oder 1, Schwarz oder Weiß, oben oder unten, Hopp oder Top. Wussten Sie, dass Frauen täglich etwa 23.000 Wörter benutzen, wir Männer gerade einmal die Hälfte? Das liegt daran, dass das weibliche Sprachzentrum zum einen woanders liegt als bei Männern und zudem auch noch größer ist (hab ich es mir doch gedacht…).

Kommen Sie deshalb nie, aber wirklich nie, auf die Idee, ihren Mann direkt nachdem er vom Büro nach Hause gekommen ist, mit wichtigen Themen oder Fragen zu konfrontieren. Das kann nur schiefgehen, denn wenn er heimkommt, verarbeitet seine rechte Gehirnhälfte die Ereignisse des Tages, gleichzeitig fährt die linke Gehirnhälfte runter. Und jetzt raten Sie mal, was in der linken Gehirnhälfte liegt! Richtig – das Sprachzentrum!! Ergo: Geben sie ihm ein bisschen Zeit bis er sich erholt hat, und dann fangen Sie am besten mit Themen an, die ihn interessieren. Die Propecia Klartext-Studie ergab, über was Männer am liebsten reden: 46% Karriere – 35% Sport – 29% Frauen.

Gender Marketing Communication
Was man im privaten Bereich mit einem Lächeln oder einem amüsierten Kopfschütteln zur Kenntnis nimmt, kann im Geschäftsleben den entscheidenden Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass z.B. Onlineshops, die sich zielgerichtet an den individuellen Bedürfnissen von Frauen orientieren, wesentlich erfolgreicher sind als Onlineshops, die ihre Angebote nach dem Motto „One fits to all“ aufgebaut haben. Frauen treffen 75% aller Kaufentscheidungen, darunter fallen zum einen die des täglichen Bedarfs und für die Kinder. Hinzu kommen individuelle „Themenentscheidungen“, wie Mode und Kosmetik. Männer hingegen treffen die Entscheidungen mit Investitions- und Sparcharakter wie Finanzen, Haus und Auto. Während Männer überwiegend Käufer sind, ist der Einkauf bei Frauen wesentlich komplexer, dauert länger und ist ein Prozess (siehe Grafik).

Graphik

Digital first?
Unabhängig von der differenzierten Ansprache von Frauen und Männern steht aber noch ein anderes, großes Fragezeichen bei vielen Unternehmen auf der Agenda. Soll/muss ich digital kommunizieren oder nicht? Für mich ist es besorgniserregend, wenn diese Frage in Unternehmen überhaupt noch diskutiert wird und keine klare digitale Agenda existiert. Der potenzielle Kunde hat schon längst gelernt, sich über Produkte, Dienstleistungen oder Themen umfassend – meistens über das Internet – zu informieren. Klassische Werbung (Anzeigen, Werbespots, etc.) sind zwar noch immer ein wichtiger Bestandteil der externen Kommunikation, aber Unternehmen stellen immer mehr fest, dass ihre Werbebotschaften verpuffen. Viele Märkte sind gesättigt, im Umkehrschluss bedeutet das Verdrängungswettbewerb. Aber wie soll ich Neukunden gewinnen, wenn ich mit substituierbaren Werbebotschaften kommuniziere? Das Zauberwort heißt hier: RELEVANZ!

Dass Unternehmen ihre Kommunikation aus Kundensicht aufsetzen sollten, ist vielleicht schon angekommen. Aber wie schaffe ich es, in das Mindset meiner Zielgruppen zu kommen? Die demografische Entwicklung spielt hier auch eine wichtige Rolle. Die Kunden werden immer jünger, bzw. wachsen nach und haben ein völlig anderes Informations- und Mediennutzungsverhalten. Relevanz bedeutet, meinen potenziellen Neukunden Information oder Lösungen für ihren konkreten Bedarf zu liefern. Das bedeutet aber nicht, meine Produkte anzupreisen, sondern ihnen relevante und nutzwertige Information zu der aktuellen Fragestellung oder dem Informationsbedarf zu geben, d.h. kognitive Assoziationen herzustellen. Wo ich was wann und wie kommuniziere ist Bestandteil einer Content-Strategie. Unterstützt werden sollte diese über Markenbotschafter der Unternehmen. Idealerweise ist das der CEO – ich spreche dabei immer vom „Digitalen CEO“. Die richtigen Inhalte alleine reichen nicht aus; vielmehr müssen sie bekannt und sichtbar gemacht werden. Und alles zahlt insgesamt auf die Marke und die Reputation des Unternehmens ein.

Fazit
Genderspezifische bzw. zielgruppenrelevante Kommunikation ist eine anspruchsvolle Mischung aus Big Data, der Erstellung von relevanten Inhalten und deren Vermarktung. Klassische Werbebotschaften funktionieren immer weniger, und wer heute noch nicht digital kommuniziert, kann morgen schon zu den großen Verlierern zählen.

(Foto: Pixabay)


Foto RichthofenÜber den Autor:
Andreas Frhr. von Richthofen ist seit 2015 als Kommunikations- und Medienberater tätig und berät Unternehmen in ihrer Kunden- und Medienkommunikation. Zudem ist er Partner New Business bei d.Tales, einer auf Content-Marketing spezialisierten Digitalagentur. Davor war er Verlagsleiter beim Finanzen Verlag (€uro, €uro am Sonntag, BÖRSE ONLINE) und Leiter Business Development beim FinanzBuch Verlag.
Kontakt:        a.v.richthofen@richthofen-services.com
Mobil: 0160 – 96219572

Foto: von Richthofen

Profilbild von Gast Autor

Gast Autor

Unter diesem Autorennamen findest du Gastbeiträge von verschiedenen Personen, die wir in deren Auftrag veröffentlichen.

Förderer