Wie die soziale Akzeptanz der Väter ist, die in Elternzeit gehen, und wie Väter diese Familienzeit nutzen und wahrnehmen, darüber unterhält sich Fondsfrau Anke Dembowski mit Christoph Hahn, Senior PR Manager bei der Presseagentur Engel International Communications.

Immer mehr Eltern arbeiten, auch wenn sie kleine Kinder haben. Meistens reduzieren sie jedoch ihre Stundenzahl, insbesondere Mütter. Im Jahr 2019 waren laut Destatis 63,4 % aller Eltern in Deutschland mit Kindern unter sechs Jahren aktiv erwerbstätig. Dabei waren 93,1 % der erwerbstätigen Väter vollzeitbeschäftigt, während nur 6,9 % einer Teilzeittätigkeit nachgingen. Bei den Müttern war das Verhältnis umgekehrt: von ihnen gingen 27,4 % einer Vollzeit- und 72,6  % einer Teilzeitbeschäftigung nach.

Dass in Deutschland immerhin ein Drittel der Eltern ganz zu Hause bleiben und noch mehr in Teilzeit arbeiten, liegt unter anderem an der staatlichen Transferleistung „Elterngeld“. Es wird für maximal 14 Monate gezahlt und liegt zwischen 65 und 100% des Nettoeinkommens des jeweiligen Elternteils vor der Geburt. In absoluten Zahlen beträgt es zwischen € 300 (Minimum) und € 1.800 (Maximum) monatlich. Laut Statista bezogen im Jahr 2020 in Deutschland 462.300 Väter Elterngeld und 1.398.858 Mütter. Immerhin ein Drittel der Elterngeld-Bezieher sind also männlich.

Herr Hahn, Sie haben 2 Kinder, ein und drei Jahre alt. Das Thema Elternzeit ist für berufstätige Mütter ein Riesenthema, aber auch für Väter wird es zunehmend wichtig. Hat sich hier aus Ihrer Sicht die Akzeptanz geändert?
Ja, in starkem Maße. Aber ich vermute, dass das sehr unterschiedlich ist, je nachdem in welcher Branche man unterwegs ist und wie groß das Unternehmen ist. Meine Partnerin und ich arbeiten beide im Bereich Presse/Verlag, wo von vornherein das Männer-Frauen-Verhältnis relativ ausgeglichen ist. Ich arbeite in einem kleinen Unternehmen. Mein Wunsch, Elternzeit zu nehmen, wurde dort gut angenommen, auch wenn kleine Unternehmen so etwas vermutlich schwieriger auffangen können. Aber mein Chef ist selbst Familienvater und kann unsere Situation gut nachvollziehen.

Wie haben Ihre Freunde und Bekannten reagiert, als sie davon erführen, dass Ihre Partnerin und Sie sich die Elternzeit teilen wollen?
Durch die Bank positiv. Einige unserer Freunde handhaben es genauso wie wir. Bei anderen habe ich das Gefühl, sie würden es selbst gern so machen, aber es geht nicht. Meine Freundin und ich sind insofern privilegiert, weil wir beide unsere Arbeitszeit relativ frei einteilen können. Wenn wir immer nine to five im Unternehmen präsent sein müssten, wäre es schwierig, aber das ist nicht der Fall. Wir hatten zuvor einen relativ kurzen Arbeitsweg von 20 Minuten und sind jetzt größtenteils in Home Office, was die Sache auch vereinfacht.

Bei unseren älteren Bekannten, so über 40, finden die Männer es toll, dass das heute möglich ist. Die Frauen fragen danach, wie das genau abläuft.

Unseren Lesern und Leserinnen außerhalb Deutschlands ist die relativ großzügige deutsche Regelung mit Elternzeit und Elterngeld teilweise nicht bekannt. Können Sie sie in groben Zügen erklären?
Das Elterngeld wurde zum 1. Januar 2007 in Deutschland eingeführt. Es ist eine finanzielle Unterstützung für Mütter und Väter, die nach der Geburt ihres Kindes eine Zeit lang nicht arbeiten wollen oder können und somit einen Einkommenswegfall hätten. Den Eltern stehen gemeinsam insgesamt 14 Monate zu, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen und den Eltern dadurch Einkommen wegfällt. Sie können die Monate frei untereinander aufteilen, ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate für sich in Anspruch nehmen. Für Kinder, die ab dem 1. Juli 2015 geboren wurden, gibt es außerdem die Möglichkeit des ElterngeldPlus. Dieses Angebot richtet sich an Eltern, die schon während des Elterngeldbezugs wieder in Teilzeit arbeiten wollen. Mütter und Väter haben dabei die Möglichkeit, länger als bisher Elterngeld in Anspruch zu nehmen: Sie bekommen doppelt so lange Elterngeld, allerdings in maximal halber Höhe. Bei einer bestimmten Aufteilung der Teilzeit, wie wir sie auch fahren, kann man sogar 4 Monate länger Elterngeld erhalten.

Und wie haben Sie und Ihre Partnerin sich die Zeit (und das Geld) aufgeteilt?
Meine Partnerin – bald ist sie meine Frau – hatte Elternzeit bis zum 8. Monat; danach habe ich die Monate 9-10 genommen, und seitdem machen wir Elternzeit in Teilzeit. Wir arbeiten beide 25 Stunden pro Woche. Dabei arbeitet jeder einen vollen Tag in der Woche, und an den drei anderen Tagen startet einer um 8:00 Uhr mit Arbeiten, und um 13:00 Uhr ist dann Staffelübergabe. Dann betreut der, der bis dahin gearbeitet hat, die Kinder und der andere kann arbeiten. Man sitzt natürlich abends oft nochmal ein Stündchen (lacht).

Ab Oktober gehen wir beide wieder in Vollzeit, wenn unser Jüngster dann endlich einen KITA-Platz bekommt; er ist dann knapp 2 Jahre alt.

Finanziell sieht es so aus, dass wir jeder das halbe Elterngeld und unser Gehalt haben, das natürlich durch die verringerte Stundenzahl niedriger ist als sonst. So hat jeder 60 % seines Gehalts plus das Elterngeld. Das ist nicht ganz wie unser Gehalt sonst, aber es ist mehr, als wenn einer voll arbeitet und der andere die Betreuung allein übernimmt.

Das hört sich nach gemütlichen Vater-Kind- und Mama-Kind-Tagen an. Ist es das immer?
Sagen wir so: Der Wechsel zwischen Betreuung und Arbeit ist nicht immer ganz einfach, weil es natürlich wenig Zeit zum Durchatmen lässt. Aber oft ist es auch ein guter Ausgleich. An den Tagen an denen meine Bürozeit vormittags ist, freue ich mich dann schon richtig auf die Kinder. Mir macht es Spaß, nachmittags mit ihnen unterwegs zu sein. Meine Partnerin arbeitet viel mit US-Kollegen zusammen, daher arbeitet sie häufiger nachmittags oder abends. So passt es gut!

Allerdings ist eine gute Absprache essenziell. Jeder braucht mal eine Stunde vom anderen, auch weil wir beide Kunden betreuen und man nie ganz vorhersagen kann, was man auch kurzfristig für Projekte übernehmen muss. Klar nimmt man immer auch ein bisschen Arbeit in die Kinderbetreuung mit rein. Das Smartphone ist immer dabei, und manchmal muss ich eben auch mal auf dem Spielplatz Arbeitstelefonate führen.

Wessen Idee war es, das so zu regeln?
Wir haben das gemeinsam abgesprochen, eigentlich nach der Elternzeit für unseren 1. Sohn. Da wollte meine Freundin schnell wieder zurück in den Job, weil unser 2. Kind rasch auf das erste folgte. Beim zweiten Kind war sie nur 8 Monate zu Hause. Und ich hatte große Lust, mehr Elternzeit zu übernehmen, z.B. um bestimmte Angebote wie Babyschwimmen wahrzunehmen. Die Zeit, wo die Kinder klein sind, ist ja nur kurz. Auf einmal hat man kein Baby mehr, sondern ein Kind.

Was arbeiten Sie, und was Ihre Partnerin? Ist es in diesen Jobs möglich, Ihre beschriebene strikte Zeiteinteilung durchzuhalten, oder weichen Sie gelegentlich davon ab?
Ich arbeite für eine Presseagentur, in der wir die Kommunikation mit der Presse übernehmen und für Medienpräsenz sorgen. Wir betreuen hauptsächlich Unternehmen mit Digital-Fokus, das geht vom FinTechs, über LegalTechs bis zu Startups. Meine Partnerin ist für einen großen Wissenschaftsverlag tätig und kümmert sich um Verlags-Partnerschaften. Beide arbeiten wir also direkt mit Kunden und haben eine ziemlich kommunikative Situation. Ich telefoniere eher, und meine Partnerin ist viel in Video-Calls und schreibt Mails.

Haben Sie das Gefühl, dass für Sie oder Ihre Partnerin die Karrieremöglichkeiten auf Grund der vorübergehenden Teilzeit-Arbeit geschmälert sind?
Nein, überhaupt nicht. Vermutlich wäre die Herausforderung größer, wenn wir in einer Führungsposition wären. Dann müsste man mehr planen. In einem etablierten Unternehmen sind ja auch die Prozesse etabliert… so viel tut sich da in 8 Monaten nicht. In einem Startup wird eine Auszeit viel schwieriger. Dort sind die Prozesse schneller, weil auf Wachstum ausgelegt. Bei Startups sind Eltern meist schneller wieder im Beruf zurück.

Dann kam Corona… wie hat das Ihre Pläne rund um die Elternzeit geändert?
Durch die Pandemie konnte auch unser älterer Sohn nicht mehr in die KITA gehen, so dass wir plötzlich zwei Kinder daheim hatten. Aber unsere Regelung hat das gut aufgefangen. Dann hat sich halt derjenige, der für die Betreuung zuständig war, um zwei Kinder gekümmert. Anfangs war die Situation für die Kinder schon schwierig, als auch die Spielplätze geschlossen waren, aber später ging es. Aber der ständige Wechsel von Arbeit und Kinderbetreuung hat auch seine „spannenden“ Momente.

Können Sie ein Beispiel für solche „spannenden“ Momente nennen?
Wenn man vormittags die Kinder betreut und Mittag kocht, und man dann sieht „huch, jetzt ist es bald 13 Uhr, und da habe ich einen wichtigen Termin“, dann muss man gedanklich ziemlich schnell umswitchen. Oder wenn es mal laut wird in der Wohnung. Wenn man dann etwas Kreatives machen soll, muss man schon mal den Kopfhörer aufsetzen. Oder wenn man eben doch mal ein Arbeitstelefonat führen muss, während man mit den Kindern auf dem Spielplatz ist, und das eine rennt in die eine Richtung weg und das andere in die andere….

Das kann ich mir vorstellen! Hat die Tatsache, dass Sie und Ihre Partnerin sich hälftig um die Kindererziehung kümmern, einen Einfluss auf die Beziehung zu Ihren Kindern auf Ihr Familienleben generell?
Ich wollte gern mehr Elternzeit nehmen, denn so nehme ich stärker an der Entwicklung der Kinder Teil und wir können die Erziehung gleichberechtigt übernehmen. Ab dem Alter von 6 Monaten wird es unglaublich spannend, und was dann im 2. Lebensjahr an Sprache und Motorik dazu kommt, ist einfach klasse! Als Vater die frühen Entwicklungsschritte direkt mitzuerleben ist großartig, und mein Verhältnis zu den Kindern ist sehr innig. Es ist aber auch für die Beziehung mit der Partnerin toll, weil die Lebenswelten näher beieinander sind. Sonst kann man sich viel schwieriger in den anderen hineinversetzen. So haben wir einen ähnlichen Alltag, und das schafft Harmonie und Verständnis.

Wie fühlt es sich für Sie an, wenn Sie zum einen viel Zeit mit Ihren Kindern verbringen können und zum anderen die Last des Familien-Verdienstes nicht allein auf Ihren Schultern ruht?
Das ist schon eine ziemliche Erleichterung. Ich muss nicht grübeln, was passiert, wenn ich mal ausfalle. Bei uns war das allerdings nie eine große Frage, weil wir schon immer beide gearbeitet haben.

Was würden Sie anderen jungen Familien raten?
Für uns hat es sich bewährt, dass wir jeden Tag sowohl arbeiten als auch betreuen. Das kann bei anderen Eltern anders sein, z.B. wenn sie einen längeren Anfahrtsweg zur Arbeit haben. Wichtig ist auf jeden Fall eine gute und rechtzeitige Absprache. Es ist unangenehm, wenn ich eine Stunde vorher ankomme und sage, ich brauche zwei Stunden Arbeit in Deiner Arbeitszeit. Aber vieles ist einfach learning by doing!

Wie sollten aus Ihrer Sicht Unternehmen reagieren, wenn ihre Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter Elternzeit beantragen?
Wichtig sind klare Absprachen und eine gute Vertrauensbasis. Bei mir musste beispielsweise abgesprochen werden, wie lange die Kollegen welche Kunden mit übernehmen sollten. Und als Arbeitnehmer sollte man dem Arbeitgeber vermitteln, dass die Dinge trotz Elternzeit erledigt werden. Wenn die Texte heute raus müssen, will der Chef wissen, dass das funktioniert – logisch! Als Arbeitnehmer sollte man sich über die flexiblen Möglichkeiten, die es heutzutage gibt, freuen und rechtzeitig mit dem Chef oder der Chefin ins Gespräch gehen. Umso leichter ist die Planung!

Vielleicht war Corona in Bezug auf diese Thematik hilfreich, denn während der Pandemie muss man sich ohnehin gegenseitig mehr vertrauen und aufeinander verlassen können.

Vielen Dank für das offene und inspirierende Gespräch!

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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