Der erste Chef, den ich in meinem Berufsleben hatte, rief mich an – wir plaudern ab und zu und tauschen uns aus. Diesmal hatte er eine Bitte: Er benötigt Informationen zu einem Buch, das wir vor 35 Jahren zusammen produziert hatten. Es trug den Titel „Tafelgeschäft – Wertpapiere zwischen Tresor und Matratze“. Mein Chef hatte damals die Themen-Idee, ich habe es während meiner Arbeitszeit geschrieben, war also die Autorin.

Am Telefon war er ganz begeistert von dem Buch und von seiner Themen-Idee: „Wir haben im Eigenverlag 7.000 Exemplare dieses Buches produziert und verkauft, und damit einen Erlös von 350.000 DM erzielt. Das war ein Erfolg!“ Das hat er auch mehrmals öffentlich erzählt. Er glaubt sogar, dass dieses Buch mit dafür verantwortlich war, dass Tafelgeschäfte bald darauf untersagt wurden – das mag sogar sein.

Ich freute mich auch über den Erfolg des Buches, aber dachte im Nachhinein, dass ich davon nicht viel abbekommen hatte. Klar habe ich mein Monatsgehalt erhalten, aber was hätte dagegengesprochen, dass er mir als Autorin dieses Bestsellers 10% des Verkaufserlöses hätte zukommen lassen? Als ich das kurz ansprach, sagte er: „Mensch Anke, ich hätte nicht gedacht, dass Dir das wichtig war!“ Hätte ich diese Bitte damals angesprochen und verhandelt, hätte er mir vermutlich das Geld anstandslos gegeben – großzügig war er eigentlich immer.

Einfach ansprechen!
Ich erinnere mich leider nicht, was ich damals gedacht hatte. Vielleicht hatte ich gehofft, dass er mir am Jahresende einen größeren Bonus auszahlen würde, weil das Buch so gut gelaufen war – das hat er aber nicht getan. Ein Mann hätte vermutlich die Autoren-Beteiligung angesprochen, kurz verhandelt und seinen Anteil erhalten. Ich hatte es damals nicht angesprochen und ich weiss nicht einmal, ob ich überhaupt an eine Beteiligung gedacht habe.

Warum sprechen wir Frauen solche Themen nicht an? Eigentlich ist eine Beteiligung ja keine übertriebene Forderung. Liegt es daran, dass wir gern entdeckt werden wollen? Im Märchen kommt immer ein Prinz auf einem Schimmel vorbei, findet uns ganz klasse, und kurz darauf wird aus dem Mädchen eine Königin! Das Mädchen muss nichts einfordern, braucht nicht zu verhandeln, sondern der Prinz entdeckt sie einfach. Ist es das, worauf wir insgeheim warten? Oder scheuen wir die Verhandlung und fürchten, die Antwort könnte „nein“ lauten?

Liegt unsere Zaghaftigkeit daran, dass wir unseren Kindern die üblichen Märchen erzählen? Ich muss lachen bei der Vorstellung, was unsere Kinder beim Anhören der Grimm‘schen Märchen womöglich denken! Vielleicht denkt das Mädchen „oh toll, der Prinz verliebt sich so ins Aschenputtel, und dann sucht er sie, um sie zu heiraten!“ Vielleicht denkt der Junge „komische Tussi! Warum geht sie nicht einfach hin zum Prinzen, sagt wie toll sie ist, und dann wird er sie schon heiraten!“

Im Nachhinein kann ich allen Frauen empfehlen: Sprecht die Dinge an! Seid nicht zu bescheiden, aber bleibt auf dem Teppich und vor allen Dingen sachlich! Und wenn die Antwort „nein“ ist, dann bringt Euer Anliegen einfach bei der nächsten Gelegenheit noch einmal an! Was soll schon Schlimmes passieren?

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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