Tanja Lenke ist Gründerin von she-preneur, einer Business-Weiterbildungs-Plattform & Community für Gründerinnen und selbstständige Frauen. Wir sprechen mit ihr darüber, was es bedeutet, sich selbständig zu machen und warum immer noch weniger Frauen als Männer gründen. In einem weiteren Interview sprechen wir mit ihr darüber, für wen Arbeiten in der Selbständigkeit sehr erfüllend sein kann.
Frau Lenke, Sie haben she-preneur gegründet. Was hat es mit dieser Business-Community auf sich?
Ich habe she-preneur 2016 gegründet. Es sollte ein Netzwerk für Frauen sein, die selbständig sind oder vorhaben, sich selbständig zu machen. Damals gab es noch keine Online-Communities… das war etwas, das ich selbst sehr vermisst hatte. Ich habe mich 2013 selbständig gemacht und hätte mich gern mit anderen Unternehmerinnen ausgetauscht. Mir fehlte ein guter Chef, eine gute Mentorin. Ich hatte niemanden, dem ich meine Fragen hätte stellen können. So kam ich auf die Idee, selbständigen Frauen die Möglichkeit zu geben, sich auszutauschen.
Man liest und hört häufig, dass Frauen in ihrem Job gern einen Sinn sehen möchten. Ist das auch Ihre Erfahrung? Und wollen Männer das nicht auch?
Es ist tatsächlich eine Beobachtung, die wir gemacht haben, und die auch in verschiedenen Studien immer wieder auftaucht: Frauen möchten in ihrer Arbeit einen Sinn sehen. Männer wollen das vielleicht auch, aber weniger stark als Frauen. Bei Männern spielen Macht und Geld eine größere Rolle. Männer wollen auch manchmal Teil unseres Netzwerks werden… wir beobachten, dass die Entwicklung „sinnhafter“ Arbeit auch bei den Männern zunehmend gut ankommt.
Warum machen sich dann viel weniger Frauen als Männer selbständig?
Vielen Frauen fehlt das unternehmerische Wissen: Wie verdiene ich Geld? Wie verdiene ich vielleicht sogar viel Geld? Verkaufen gehört zur Selbständigkeit dazu, denn jeder Unternehmer muss seine Leistung verkaufen. Wer sich selbständig macht, muss also nicht nur das notwenige unternehmerische Wissen haben, sondern er muss auch sich und seine Produkte oder Dienstleistungen verkaufen können. Es gründen zwar immer noch weniger Frauen als Männer, aber wir beobachten, dass sich heute mehr Frauen als früher selbständig machen.
Was führt zu diesem Trend?
Bei vielen Frauen spielen die Themen Sinnsuche, Selbstverwirklichung und Flexibilität eine große Rolle. Natürlich wollen Frauen mit ihrer Selbständigkeit auch Einkommen generieren, aber sie wollen dabei flexibel sein, beispielsweise um die Themen Familie, Arbeit und all die anderen Aufgaben unter einen Hut zu bekommen. Von 9 bis 17 Uhr auf der Arbeit zu sein ist angesichts der familiären Verpflichtungen für viele Frauen schwierig.
Spielt nicht auch die finanzielle Unabhängigkeit eine Rolle?
Schon, aber in Deutschland tendiert die Mehrheit der Frauen dazu, das Thema Sicherheit sehr hoch anzusiedeln. Daher fällt es vielen schwer, ins Unternehmertum zu gehen, denn das ist nun mal mit Risiken behaftet. In den USA ist die Mentalität anders; dort ist auch unternehmerisches Scheitern o.k.
Flexibilität bei der Arbeit – dieses Stichwort taucht immer wieder auf. Warum wird es öfter in Zusammenhang mit Frauen als mit Männern gebracht?
Das hat mit den traditionellen Geschlechterrollen zu tun. Auch heute noch machen Frauen überwiegend die Hausarbeit, kümmern sich um Kinder und Angehörige. Viele richten es sich dann so ein, dass sie nur nebenbei ein bisschen arbeiten – zumindest ist das bei vielen so, denn das ist für sie flexibler. Allerdings verdienen sie so auch weniger Geld.
Gründen Frauen also eher aus Verzweiflung als aus intrinsischer Motivation? Und was bedeutet das für den Erfolgt des Startups?
Selbständigkeit ist etwas, wo sich leicht und viel Geld verdienen lässt. Da auch Freuen Geld brauchen, mögen einige vielleicht aus Verzweiflung gründen, weil es nur so geht. Aber viele Frauen fragen sich nicht nur, wie schaffe ich es, alle meine Dinge unter einen Hut zu bringen? Sie fragen sich auch: Wie bringe ich mehr Sinn in meinen Alltag? Viele haben auch innovative Ideen, die sie nach vorne treiben wollen. Das braucht man auch, um motiviert zu bleiben, denn natürlich geht auch immer mal was schief.
Was läuft schief in den Unternehmen, dass so viele Menschen raus wollen? Dass sie kündigen, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen? Gibt es da etwas, das viele Führungskräfte nicht sehen?
Das liegt an einer veralteten, oft sehr traditionellen Unternehmenskultur. Viele Führungskräfte denken, dass Mitarbeiter nicht richtig arbeiten, wenn man ihnen zu viel Flexibilität gewährt; sie wollen lieber die Kontrolle behalten. Dabei gibt so viele Remote-Arbeitsplätze! Ich habe 2016 die ersten Zoom-Meetings geführt – lange vor Corona. Damals fanden das die Leute sehr merkwürdig; mittlerweile ist es natürlich völlig normal. Viele arbeiten heute remote und komplett digital. Dazu braucht es aber eine andere Führung. Beispielsweise muss man sicherstellen, dass die Mitarbeiter zum Unternehmen passen, denn Mitarbeiter werden oft unzufrieden, wenn sie die Werte des Unternehmens nicht kennen. Bei vielen Unternehmen mangelt es auch an der Wertschätzung für ihre Mitarbeiter:innen, weil sie einfach nur als jemand gesehen werden, der arbeitet. Sozusagen als Produktionsfaktor Arbeit. Das funktioniert heute aber nicht mehr.
Vielen Dank für die guten Denkanstöße, und bis bald, zum nächsten Interview!
Mit she-preneur hilft Tanja Frauen nicht nur, größer zu denken und ihre Visionen umzusetzen, sondern sie bietet mit ihrer Community selbständigen Frauen auch die Möglichkeit, sich miteinander zu vernetzen und zu supporten. Im Jahr 2016 hat Tanja Lenke ihre Community gegründet und gemäß eigenen Angaben aktuell bereits mehr als 20.000 Mitglieder. Mehr Informationen zu she-preneur finden sich hier.