Offenbar ist das deutsche Schulsystem besser auf Mädchen als auf Jungs zugeschnitten. Zumindest legen das die Zahlen nahe: Im vergangenen Jahr hatten 18% der in Deutschland lebenden jungen Männer keinen Abschluss im Sekundarbereich II (Abitur noch Berufsausbildung). Bei den jungen Frauen waren nur 15% ohne einen solchen Abschluss.
Das zeigt die jährlich erscheinende Studie „Bildung auf einen Blick“, welche die Bildungssysteme in den 38 OECD-Ländern und einigen anderen ausgewählten Ländern vergleicht. In diesem Jahr liegt der Studien-Schwerpunkt auf der Bildungsgerechtigkeit.
Mit ihrer Ausbildung liegen die Frauen vorne
Auch auf der höheren Bildungsebene haben Frauen die Männer bereits überholt. Der Anteil von Frauen mit Bachelor-Abschluss hat sich in Deutschland nahezu verdoppelt und erreicht bei den 25- bis 34-Jährigen 40%, nach 22% bei den 55- bis 64-Jährigen. Unter den Männern haben nur 36% einen Bachelor-Abschluss.
Allerdings hinken die Frauen in Deutschland im internationalen Vergleich hinterher: Im OECD-Schnitt liegt der Anteil der Frauen mit Bachelor-Abschluss deutlich höher, nämlich bei 47%.
Im Job schneiden Frauen dann schlechter ab
Doch obwohl Frauen von ihrer Ausbildung her im Schnitt besser dastehen als die Männer, schneiden sie im Job schlechter ab, insbesondere unter den weniger Qualifizierten. Nur 49% der jungen Frauen ohne Sekundarbereich-II-Abschluss sind überhaupt erwerbstätig, während hier 74% der Männer in Lohn und Brot stehen.
Und selbst dann, wenn sie arbeiten, verdienen Frauen weniger. Sie bringen es im Schnitt nur auf 86% dessen, was ihre männlichen Altersgenossen verdienen.
Ohne mittleren Schulabschluss geringere Chancen
Dass so viele junge Menschen keinen Abschluss im Sekundarbereich II haben ist insofern alarmierend, als dass es Menschen ohne mittleren Schulabschluss deutlich schwerer haben, einen Job zu finden – auch zu Zeiten von Fachkräftemangel. Nur knapp zwei Drittel der 25- bis 34-Jährigen ohne Abschluss im Sekundarbereich II sind in Deutschland erwerbstätig, 37% sind arbeitslos. Zum Vergleich: Nur 14% der jungen Menschen, die Abitur oder einen Berufsschulabschluss haben, sind arbeitslos.
Nicht nur die Wahrscheinlichkeit, in Lohn und Brot zu kommen, ist geringer, sondern auch die Verdienstmöglichkeiten. Fast die Hälfte (43%) der jungen Menschen ohne Abschluss im Sekundarbereich II verdient höchstens die Hälfte des Medianeinkommens (dies liegt bei 43.750 Euro Jahresbrutto).
Ausbildungsinteressen sind bei Frauen anders gelagert
Was die Ausbildungsfächer betrifft, zieht es junge Frauen noch immer deutlich weniger in die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) als ihre männlichen Kollegen. Nur 21% der Studienanfängerinnen entscheiden sich für ein MINT-Fach. Bei den männlichen Studienanfängern sind es 53%.
Im erziehungswissenschaftlichen Bereich ist es genau anders herum: Hier liegt der Anteil der Männer, die ein entsprechendes Studium aufnehmen, bei nur 4%.
Das ist insofern relevant, als dass in den MINT-Bereichen im Schnitt besser verdient wird als in den typisch weiblichen Fächern. Offenbar sind noch viele Girls- and Boys-Days notwendig, um den kulturellen Wandel in Deutschland herbeizuführen.
Kosten hoch, Resultat niedrig
In Sachen erfolgreiche Bildungspolitik sieht das Bild für Deutschland nicht gut aus: Obwohl Deutschland im internationalen Vergleich relativ viel in Bildung investiert, hinkt es beim Ausbildungsniveau hinterher: Im Schnitt haben 16% der jungen Erwachsenen in Deutschland weder Abitur noch eine Berufsausbildung. Im Durchschnitt der OECD-Industriestaaten sind nur 14% ohne einen solchen mittleren Abschluss.
Das ist umso erstaunlicher angesichts der Tatsache, dass die Bildungs-Ausgaben in Deutschland relativ hoch sind, und sie steigen. Die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben je Bildungsteilnehmer (Hochschulen inklusive) betragen in Deutschland 17.161 US-Dollar – gegenüber 14.209 US-Dollar im Durchschnitt der OECD-Länder.
Dabei hat Deutschland seine Bildungsausgaben auch angehoben: Seit 2015 wuchsen die Ausgaben für die Bildung in Schulen um 8%, während der Schnitt aller OECD-Länder im selben Zeitraum nur um 1% anstieg.
Ob die Bildungsinvestitionen in Deutschland weniger zielgerichtet eingesetzt werden als anderswo oder ob beispielsweise die relativ hohe Einwanderung mit den entsprechenden Sprachschwierigkeiten für diese Diskrepanz sorgen, darüber gibt die Studie keine Auskunft. Kritisch ist auf jeden Fall: Die Vorstellung vom Bildungsland Deutschland muss wohl neu überdacht werden. Und: An einer geringeren Qualifikation liegt es nicht, dass Frauen weniger als Männer verdienen.