Zum Thema Altersarmut von Frauen fand am 24. Juni eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion statt. Bei der digitalen Diskussionsrunde wurde insbesondere beleuchtet, welche Rolle finanzielle Bildung und Finanzdienstleistungs-Angebote spielen. Veranstalter war das gemeinnütziges Forschungsinstitut institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) in Hamburg.

Moderiert von Fondsfrau Anke Dembowski, diskutierten die folgenden Panelistinnen über das Thema:

  • Frauke Heiligenstadt: Bundestagsabgeordnete der SPD und Mitglied des Bundestagsausschusses für Finanzen. Sie hat sich politisch viel mit den Themen Finanzen, Gleichstellung und Bildung befasst.
  • Dr. Birgit Happel: Sie ist Finanzbildungs-Expertin und Expertin für finanzielle Gleichstellung. Sie bietet Trainings für Multiplikatorinnen und Finanz-Coachings an und ist Vorstandsmitglied des Vereins „Präventionsnetzwerk Finanzkompetenz (PNFK)“, der sich für die Stärkung der Finanzbildung und für verbesserte politische Rahmenbedingungen weniger privilegierter Gruppen einsetzt.
  • Anika Görner: Sie ist Podcasterin und ermutigt insbesondere Verbraucherinnen in ihrem Finanztip-Podcast „auf Geldreise“, die eigenen Finanzen anzugehen. Dabei ist Finanztip Teil der gemeinnützigen Finanztip Stiftung.
  • Corinna Vetter: Sie ist Leiterin des Projekts „Was verdient die Frau?“ Dieses Projekt ist beim Deutschen Gewerkschaftsbund DGB im Bildungswerk verankert.

Traurige Tatsache: Altersarmut ist weiblich
Hintergrund der Diskussion ist folgender: Obwohl Female Finance aktuell ein großes Schlagwort ist, haben Frauen auch heute noch deutlich weniger Geld im Alter zur Verfügung als Männer.

So lag z.B. die durchschnittliche Höhe der gesetzlichen Altersrente, die Frauen für ihre eigenen Rentenversicherungs-Beiträge 2020 erhielten, bei € 730 in den alten Bundesländern und bei € 1.075 in den neuen Bundesländern. Männer erhielten 2020 hingegen im Schnitt eine Altersrente von € 1.210 in den alten, und von €1.200 in den neuen Bundesländern.

Natürlich kommt diese Diskrepanz nicht von ungefähr. Frauen zahlen weniger ein, erhalten daher weniger raus. Das ist nicht nur in der gesetzlichen Rentenversicherung so, sondern auch in der betrieblichen Altersvorsorge, ebenso wie in der privaten.

Frauen ist das Problem durchaus bewusst
Es ist nicht so, dass die Frauen das nicht wissen. Die diesjährige Jugendstudie der MetallRente zeigt, dass drei Viertel der 17- bis 27-Jährigen die Sorge umtreibt, im Alter nur eine niedrige Rente zu bekommen und arm zu sein. Auffällig ist, dass bei den jungen Frauen die Angst vor Altersarmut mit 84% noch präsenter ist als bei den jungen Männern. Obwohl die Frauen also darum wissen und Angst vor Altersarmut haben, tun sie nicht genug dagegen. Die Studie der MetallRente zeigt z.B., dass nur 29% der jungen Frauen regelmäßig für ihr Alter sparen. Von den jungen Männern legen dagegen 45% regelmäßig Geld für ihren Ruhestand beiseite.

In der Podiumsdiskussion ging es darum, welche Faktoren dazu führen, dass Altersarmut überwiegend weiblich ist, und wie der Altersarmut, speziell der weiblichen, entgegengewirkt werden kann.

Die Diskussion brachte folgende Erkenntnisse / Vorschläge:

Finanzwissen bei der Bevölkerung erweitern

  • Mangelndes Finanzwissen und dann auch noch ein zu geringes Vertrauen in das eigene Wissen ist einer der Gründe dafür, dass Frauen am Ende öfter eine zu geringe Rente haben. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, Finanzwissen in der Breite zu fördern. Insbesondere in den Schulen sollte mehr Finanzwissen vermittelt werden, ohne dass es zwangsläufig ein Fach „Finanzen“ geben muss. Viel mehr könnte in Fächern wie Mathematik, Gesellschaftskunde und anderen Fächern das Thema aufgriffen werden.
  • Auch Frauen, die nicht mehr im Schülerinnen-Alter sind, sollten Angebote zur finanziellen Bildung gemacht werden (z.B. Förderung von Finanz-Coachings durch unabhängige Stellen). Der Grat zwischen Wahlfreiheit auf der einen Seite und eine Art verpflichtender Finanzführerschein wurde thematisiert.
  • Kritisiert wurde, dass die Änderungen, die das neue Scheidungs-Gesetz gebracht hat, zu wenig kommuniziert wurde, so dass vielen Frauen nicht bewusst ist, dass sie sich nicht auf eine lange Ehezeit als Altersvorsorge verlassen können.

Strukturelle Hindernisse abschaffen

  • Es gibt einige strukturelle Hürden, die Frauen davon abhalten, einer Vollzeit-Erwerbsfähigkeit nachzugehen. Dazu gehören Ehegatten-Splitting, kostenlose Mitversicherung von Ehegatten, und auch die 450 Euro-Jobs, die keine eigene Altersvorsorge aufbauen.
  • Auch wenn diese Dinge gut gemeint sind und seinerzeit als Errungenschaft gefeiert wurden, gehören sie auf lange Sicht abgeschafft. Der Grund: Sie behindern Vollzeitbeschäftigungen von Frauen und damit den Aufbau eigener Rentenansprüche.

Care-Arbeit gerechter verteilen

Als Grund, warum mehr Frauen als Männer in Teilzeit arbeiten, wird angesehen, dass Frauen deutlich mehr Care-Arbeit als Männer übernehmen. Daher die folgenden Forderungen:

  • Care-Arbeit muss gerechter verteilt werden, was allerdings eine große gesellschaftliche Herausforderung darstellt.
  • Frauke Heiligenstadt ist der Meinung, dass Care-Arbeit sozialversicherungspflichtig werden sollte, damit jeder eigene Rentenansprüche erwirbt, der diese aufreibenden Aufgaben erledigt.
  • Ein Weg, um Männer hier mit ins Boot zu holen, sind klare Absprachen unter (Ehe-)Partnern, insbesondere wenn Familienplanung ansteht.
  • Insgesamt sollte hier ein gesellschaftliches Umdenken gefördert werden, um das Rollenverständnis von Männern und Frauen zu ändern.

Die Produkte sind okay, aber Frauen sollten anders angesprochen werden

  • Einigkeit herrschte, dass Frauen keine besonderen Finanz-Angebote mit einem pinken Anstrich benötigen. Vielmehr seien die vorhandenen Angebote für Frauen und Männer brauchbar.
  • Allerdings sollte die Ansprache für Frauen anders aussehen, um mehr auf die spezielle Lebenswirklichkeit von Frauen einzugehen. So könnten sie sich besser verstanden und angesprochen fühlen.

Frauen sollten mehr Eigenverantwortung übernehmen

  • Frauen ist die Notwendigkeit des Aufbaus einer eigenen Altersvorsorge zwar bewusst, aber offenbar herrscht bei vielen immer noch ein verklärtes Bild von der Ehe vor („bei mir ist es anders“). Daher möchte man Frauen ermutigen, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen und die Themen Finanzen und Altersvorsorge auch in der Partnerschaft aktiv anzusprechen.
  • Ein gesellschaftliches Umdenken ist auch hier hilfreich.

Auch Unternehmen und Politik sollten mehr tun

  • Der große Bruch in weiblichen Karrieren findet häufig mit der Familiengründung statt, also um die 30. Wichtig ist daher der weitere Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, damit es auch Frauen mit kleinen Kindern leichter fällt, weiter einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen.
  • Der Weg zurück in den Job nach einer Familienpause sollte erleichtert und gefördert werden, sowohl von den Unternehmen als auch von der Politik.
  • Um junge Familien zu unterstützen, sollten Unternehmen die Arbeits-Flexibilität erhöhen. Hilfreiche Maßnahmen sind hier Homeoffice, keine Meetings nach 16 Uhr, flexible Arbeitszeiten, Aufstiegs-Möglichkeit auch für Teilzeitkräfte, etc.

Die positiven Erfahrungen, die Unternehmen während der Corona-Krise sammeln konnten, sowie der akute Fachkräftemangel dürfte die Bereitschaft der Unternehmen, mehr Flexibilität zuzulassen, erhöhen.

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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