Dr. Mirjam Staub-Bisang ist Teil von BlackRocks Executive Committee Schweiz. Die Anlagespezialistin ist bei BlackRock seit 1. November 2018 als Länderchefin Schweiz und als Senior Advisor Sustainable Investing Business verpflichtet. Sie löste damit Christian Staub ab, der bis Frühjahr 2019 Chef von Blackrock Schweiz war und nun bei Fidelity das Europa-Geschäft leitet. Auch vor ihrem Engagement bei BlackRock war Dr. Mirjam Staub-Bisang eine wichtige Person des Schweizer Finanzplatzes: Viele Jahre führte sie die gemeinsam mit ihrem Bruder Roman Staub gegründete Investmentboutique Independent Capital Group als CEO , und war dann nach einem Management-Buyout von diesem Posten zurückgetreten. Um sich voll auf ihre neue Aufgaben bei BlackRock zu konzentrieren, hat sie auch ihren Verwaltungsratsposten bei Bellevue aufgegeben, deren Mitgründer ihr Ehemann Martin Bisang ist. Im Interview mit Fondsfrau Anke Dembowski erzählt die Anlageexpertin, was sie an ihrem Job so faszinierend findet und welche Tipps sie für andere Frauen hat..

Frau Dr. Staub-Bisang, Sie haben am 1. November bei Blackrock angeheuert. Wie kann man sich Ihre Tätigkeit als „Senior Advisor to BlackRock’s Sustainable Investing Business“ vorstellen?
Im Kern geht es darum, Anlegern nahezubringen, dass Investitionen nach ökologischen, sozialen und Governance-Gesichtspunkten einen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten können. Und dass ein solcher Ansatz keine finanzielle Rendite kostet, wie zahlreiche Studien belegen. Im Gegenteil: Langfristig lassen sich damit sogar bessere Anlageergebnisse erzielen. Denn nachhaltiges Wirtschaften steigert langfristig den Wert eines Unternehmens.

Was reizt Sie an dieser neuen Aufgabe besonders?
Nachhaltiges Wirtschaften ist für mich ganz wichtig. Das fängt im eigenen Haushalt an und erstreckt sich auf die gesamte globale Wirtschaft. Die Gesellschaft erwartet zunehmend, dass private und öffentliche Unternehmen drängende soziale und wirtschaftliche Fragen angehen. Insofern werden Unternehmen, die ihrem Zweck und ihrer Verantwortung gegenüber den beteiligten Interessengruppen gerecht werden, langfristig davon profitieren. Das hat auch BlackRock-CEO Larry Fink Anfang 2019 in seinem jährlichen Brief an die Vorstände der Unternehmen, in die BlackRocks Anleger investiert sind, deutlich gemacht. Der Zweck eines Unternehmens ist nicht das alleinige Streben nach Gewinnen, sondern die treibende Kraft, um diese zu erreichen.

In einer gemeinsamen Studie mit KPMG haben wir herausgefunden, dass sich Frauen bei ihren Job-Bewerbungen sehr genau das Arbeitsumfeld ansehen und sich dann bewusst für eine Firma entscheiden und gegen andere. Was hat Sie bewogen, sich ausgerechnet bei Blackrock zu bewerben? Was macht für Sie das Arbeitsumfeld dort attraktiv?
Vor allem die Vielseitigkeit. BlackRock betreibt Geschäft mit Retail- und institutionellen Investoren, offeriert aktiv gemanagte und indexbasierte Anlagelösungen, bietet Zugang zu Aktien, Fixed-Income- und Multi-Asset-Strategien ebenso wie zu illiquiden Privatmärkten, etwa in den Bereichen Infrastruktur und Immobilien. Hinzu kommen übergreifende strategische Themen wie Sustainable Investing und technologischer Fortschritt im Asset Management und das globale Netzwerk aus Anlageexperten rund um die Welt. Jeder dieser Aspekte trägt zu einem anspruchsvollen, abwechslungsreichen und damit aus meiner Sicht interessanten Arbeitsumfeld bei.

Was können Fondsgesellschaften allgemein tun, um speziell für weibliche Mitarbeiter ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten?
Ich denke, in dieser Hinsicht hat sich schon vieles getan. Beispielsweise gab es zu Beginn meiner Karriere nur wenige Frauen in Top-Positionen, inzwischen hat sich die Situation verbessert. Frauen erhalten heute berufliche Chancen, die vor zehn Jahren noch undenkbar schienen. Meiner Erfahrung nach schätzen Männer oder Frauen als Arbeitnehmer in vielerlei Hinsicht die gleichen Dinge. Dazu gehören ein professionelles, internationales Umfeld mit motivierten Kollegen, das Leistung anerkennt und Talente fördert, abwechslungsreiche Themen und Tätigkeiten sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Oft erscheint es so, als wären Frauen besonders stark im ESG-Segment vertreten, denn dort gibt es viele Frauen. Sie beschäftigen sich mit Sustainability. Teilen Sie diese Beobachtung? Und was meinen Sie, woran das liegt?
Strategien für eine verantwortungsvolle Geldanlage sind generell immer stärker gefragt, sowohl im institutionellen als auch im Retail-Segment, und zwar unabhängig vom Geschlecht. Es sind vor allem zwei Gründe, warum Anleger vermehrt nach ökologischen, sozialen und Governance-Gesichtspunkten investieren: Zum einen wollen sie mit ihrer Finanzanlage einen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten. Zum anderen ist für viele auch die finanzielle Rendite ausschlaggebend. Denn längst belegen zahlreiche Studien, dass sich mit nachhaltigen Anlagestrategien langfristig bessere Anlageergebnisse erzielen lassen.

Warum meinen Sie, ist das so?
Die Gründe dafür sind logisch und nachvollziehbar: Nachhaltiges Wirtschaften steigert langfristig den Wert des Unternehmens. Gut geführte Mitarbeiter sind motivierter, weniger Arbeitsunfälle erhöhen die Firmenleistung, soziales Engagement etwa gegen Kinderarbeit stärkt das Image beim Verbraucher, und weniger Energieverbrauch senkt die Kosten. Das kommt auch den Aktionären zugute. Zudem kann die Berücksichtigung von ESG-Faktoren helfen, unternehmensspezifische Risiken, wie zum Beispiel Unfälle, Umweltschäden, Betrug oder Streik sowie auch systematische Risiken, wie klimatische Turbulenzen, Umweltverschmutzung, Ressourcenmangel oder Datensicherheit, vorab zu erkennen und darauf zu reagieren.

Wie haben Sie Ihre Karriere gesteuert, um dort zu sein, wo Sie jetzt sind?
Ich denke, dass jede meiner beruflichen Stationen auf der anderen aufbaut. Zum Beispiel hat meine Tätigkeit als Juristin dazu geführt, dass ich sehr auf Details achte – was etwa bei der Analyse von Investorenprofilen hilfreich ist. Aus meiner Zeit als Bankerin im Bereich M&A, Corporate Finance und Private Equity weiss ich, welche Chancen illiquide Investments an Privatmärkten bieten – etwa Infrastruktur und Immobilien – und worauf es dabei ankommt. Der Fokus auf nachhaltiger Geldanlage, den ich als selbständige Unternehmerin im Asset Management hatte, kommt angesichts der zunehmenden Bedeutung solcher Anlagestrategien vermehrt zum Tragen.

Haben Sie Familie? Und wie meistern Sie die Balance zwischen Privat- und Geschäftsleben?
Mein Mann und ich haben drei Kinder. Wann immer möglich, bin ich zum Frühstück und Abendessen zuhause. Dafür stehe ich auch schon mal früher auf oder arbeite, wenn die Kinder im Bett sind.

Wie relaxen Sie von Ihrem Job? Wie schöpfen Sie am besten neue Kraft + Ideen?
Ausgleich finde ich zum einen bei meiner Familie. Zum anderen jogge ich sehr gern mit unserem Hund, um den Kopf frei zu bekommen. Und ich empfehle, im Arbeitsalltag bewusst auf Multitasking zu verzichten. Denn Multitasking macht ineffizient, zerstreut und vermindert die kognitive Leistungsfähigkeit. Dagegen schafft serielles Monotasking Zeiträume, in denen man sich hochkonzentriert und effizient einer bestimmten Aufgabe widmen kann.

Haben Sie einen persönlichen Ratschlag oder Tipp für unsere Leserinnen, wie sie Ihre Karriere verfolgen sollten oder auf was sie im Job achten sollten?
Ich halte es privat wie beruflich für wichtig, kalkulierbare Risiken einzugehen. Daher wäge ich vor wichtigen Entscheidungen grundsätzlich ab: Welche Szenarien sind denkbar? Welche Chancen und Risiken sind damit verbunden – speziell im Worst-Case-Szenario? Die entscheidende Frage, die ich mir dann stelle, lautet: Bin ich bereit, dieses Risiko zu akzeptieren? Diese Herangehensweise ist auch einer meiner beruflichen Leitsätze.

Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Mirjam Staub-Bisang!

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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