Corinna Valentine ist COO und Head of Finance für Fidelity International, Deutschland. Wir sprechen mit ihr darüber, was sie an der Finanz-Branche so reizt, wie sie Familie und Karriere unter einen Hut bekommt und was sie jungen Frauen rät, die Karriere machen wollen.

Corinna, was genau sind Deine Tätigkeiten als COO, und was machst Du im Einzelnen als Head of Finance, für Fidelity International Germany?
Als COO – also als Chief Operation Officer – verantworte ich ein sehr breites Aufgabengebiet. Ein großer Fokus liegt darauf, dass unsere internen Strukturen und unsere Zusammenarbeit optimiert sind, damit wir unseren Kunden den bestmöglichen Service bieten können. Als CFO – Chief Finance Officer – kümmere ich mich um alle Finanzenthemen von Fidelity in Deutschland. Beispielsweise arbeite ich dabei stark verzahnt mit unseren Vertriebskanälen, wenn es um Angebote für Kunden geht, aber ich bin auch eng in unsere Strategie und Planung eingebunden. Wir haben in Deutschland verschiedene rechtliche Gesellschaften, darunter auch eine Bank, so dass auch die Rechnungslegung, die Jahresabschlüsse und das Reporting an die Aufsichtsbehörden unter meine Verantwortung fallen. Auch wenn diese CFO/COO-Bereiche eher nach innen agieren, tragen sie wesentlich zum Gesamterfolg des Deutschlandgeschäfts bei.

Ich kenne nur wenige weibliche Head of Finance. Warum sind in diesem Bereich nur so wenige Frauen?
Das verwundert mich auch, denn viele Frauen bringen die notwendigen Kompetenzen für diese Rolle mit. Zahlreiche Studien zeigen, dass Frauen oftmals in einer Krise den Überblick behalten, gute Kommunikatoren und zugleich auch sehr pragmatisch sind. In der Praxis erlebe ich jedoch, dass ich oft die einzige Frau am Tisch bin, da vor allem der Asset-Management-Vertrieb, aber auch viele andere Senior-Management-Rollen, männlich besetzt sind. Wenn man sich davon nicht beirren lässt, kann man seine Themen mit guten Sachargumenten durchbringen. Aber allein dieses zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen kann sicherlich abschrecken. Wobei ich sagen muss: In meinem Team sind 7 Frauen, einige davon auch in Teilzeit, weil ich keine guten Vollzeit-Leute gefunden habe.

Klappt das mit den Teilzeit-Kräften?
Ja, als Abteilungsleiterin ist es mein Job die Arbeit so zu verteilen, dass sie geschafft wird.

Welche drei Dinge machen Dir bei Deiner Arbeit am meisten Spaß?
Ich arbeite mit einem fantastischen und sehr diversen Team, nicht nur lokal, sondern auch global. Außerdem habe ich spannende Aufgaben, weil sich bei uns im Konzern sehr viel tut. So bekomme ich jeden Tag etwas Neues auf den Tisch. Als Konzern legen wir einen großen Fokus auf Employee Engagement; das ist ein Thema, dass mir schon lange am Herzen liegt. Daher bin ich in viele Initiativen involviert, mache z.B. viel Mentoring – intern und extern – und lerne natürlich auch selbst viel dabei.

Du warst früher im Consulting-Bereich bei KPMG. Was ist der bemerkenswerteste Unterschied zwischen der Arbeit bei einem Consultant und bei einem Asset Manager?
Bei KPMG war ich in der Wirtschaftsprüfung tätig. Das war eine lehrreiche Zeit, weil ich dort Einblick in viele unterschiedliche Industrien bekommen habe. Letztendlich habe ich mich dann für Financial Services entschieden, weil diese Branche so super-vielseitig ist. Es gibt dort so viele Ansatzpunkte und  Opportunitäten. Obwohl ich dann dort auch erst einmal in die Revision eingestiegen bin, ist mir irgendwann bewusst geworden, dass ich nicht nur projektbezogen arbeiten möchte, sondern mich tiefer und langfristiger in einzelne Bereich einbringen möchte. Ich wollte nicht mehr nur irgendwo rein gehen und sehen, wo etwas gut läuft und wo schlecht, und dann wieder gehen. Ich wollte etwas haben, wofür ich selbst verantwortlich bin.

Was hat Dich bewogen, für ein großes internationales Haus wie Fidelity International zu arbeiten? Worin liegen da für Dich die Vorteile?
Bei Fidelity bin ich eher zufällig gelandet. Ich habe vorher in London bei Dresdner Kleinwort Benson gearbeitet, das war kurz nach deren Zusammenschluss. Für mich passten die britische und die deutsche Kultur nicht so zusammen, daher kam der Anruf von Fidelity gerade zur rechten Zeit. An Fidelity hat mich gereizt, dass es ein globales Privatunternehmen ist, flache Hierarchien hat und sehr kollaborativ unterwegs ist. Das spiegelt sich auch heute in unseren Value & Behaviours wider. Bold & Brave, Compassionate, Courious etc. – das passt einfach sehr gut zu meiner persönlichen Einstellung. Es ist eine angenehme Art zu arbeiten, obwohl ein hohes Tempo herrscht. Man kann sich als Person sehr einbringen; meine Tür ist z.B. immer offen.

Hast Du Familie? Und wie gelingt es Dir, Familie und Job miteinander zu kombinieren? Wo liegen die Herausforderungen, und welche „Kniffe“ hast Du für Dich gefunden, die Du hier weitergeben möchtest?
Ich bin verheiratet und habe zwei Töchter (16 und 18). Mein Mann unterstützt mich unglaublich. Er ist schon nach der Geburt meiner ersten Tochter in Elternzeit gegangen, um mir die Rückkehr ins Büro zu ermöglichen. Als wir für Fidelity umgezogen sind, ist er dann langfristig als Hausmann eingestiegen, sonst wären die vielen Standortwechsel und beruflichen Reisen gar nicht möglich gewesen. Das hat unglaublich geholfen, als die Kinder noch kleiner waren. Seit einigen Jahren wartet er auf eine Spenderniere, d.h. es geht ihm gesundheitlich nicht gut, aber die Kinder sind ja recht selbstständig und wir bekommen das gut hin. Ich bin beruflich stark eingebunden, das ist schon manchmal ein Spagat. Ich versuche eher nach dem Konzept „Liebe und Vorbild“ als „Regeln und Nörgeln“ zu leben, wobei das nicht immer ganz leicht ist. Wichtig ist, dass meine Kinder wissen, dass ich immer für sie da bin, das heißt, ich höre mir nach einem langen Arbeitstag mit viel Geduld den Deutschaufsatz an, obwohl ich vielleicht doch lieber auf dem Sofa mit einem Glas Wein sitzen würde.

Eine sehr private Frage, aber wir müssen sie alle irgendwie lösen: Wie ist bei Euch die Haus- und Familienarbeit aufgeteilt?
Das ist ganz einfach: Ich mache die Organisation (Urlaub, Finanzen, Geburtstagsgeschenke, etc.), mein Mann und die Kinder alles andere. Ich koche z.B. nur am Wochenende, und während der Pandemie hat mittags immer meine Tochter gekocht.

Haha, Du bist eben eine COO! Kürzlich bist Du in den Beirat der Fondsfrauen eingetreten. Was bedeutet das für Dich?
Ich habe mich sehr über die Einladung gefreut, vor allem, weil man in einer Backoffice-Funktion wesentlich weniger visibel ist jemand im Portfolio Management oder im Vertrieb. Finance und Operations im Asset Management bieten außerordentlich viele Karrieremöglichkeiten für Frauen, und wir haben manchmal einen anderen Blick auf die Dinge. Ich freue mich auf einen spannenden Austausch und auch darauf, mein Netzwerk zu erweitern und mit wirklich beeindruckenden Frauen zusammenzuarbeiten.

Welche Tipps möchtest Du insbesondere jungen Frauen auf den Weg geben, die bei einem Asset Manager Karriere machen wollen?
Seid offene für alles – das ist eine Industrie, in der es viele verschiedene Möglichkeiten gibt. Mein eigener Karrierepfad zeigt, wie viele spannende Rollen es gibt. Oft ergeben sich nach einem Einstieg in einem Bereich andere Möglichkeiten, vor allem, wenn man bereit ist auch mal über den Tellerrand hinaus zu schauen. Dazu sollte man auch mal opportunistisch sein; beruflich ist ja selten etwas für ein ganzes Leben. Aus jeder Position ergeben sich weitere Möglichkeiten. Es geht schon immer irgendwie weiter. Und nie vergessen: And when things don’t go so well, remember: Good things happen to good people

Vielen Dank für das motivierende Gespräch, Corinna!

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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