Eigentlich hatte sie ihr Leben ganz anders geplant: Dr. Eva Lemke war Lehrerin für Deutsch und Russisch in der DDR, arbeitete in der Lehrerausbildung- und dann kam die Wende. Durch Zufall kam sie mit der Finanzbranche in Berührung und machte sich als Anlageberaterin selbständig. Mit Guntram Schloss zusammen gründete sie den Broker Pool „Apella“ und war dort von 2001 bis 2019 im Vorstand tätig. Dann wechselte sie in den Aufsichtsrat. Fondsfrau Anke Dembowski unterhält sich mit ihr über ihre Erfahrungen in der Finanzbranche. In einem weiteren Interview geht es darum, ob es sich heute noch lohnt, sich als Anlageberaterin selbständig zu machen.

Eva, Du bist Mitgründerin des Makler-Pools „Apella“ und warst dann fast 20 Jahre lang Vorstandsmitglied der Apella AG. Wie hat sich das angefühlt als Frau im Vorstand?
Den Maklerverbund Apella gibt es seit 1993, und ich war von Anfang an dabei. 1999 wurde dann die Apella AG gegründet. Ich war dort 2 Jahre Prokuristin, und als mich Guntram Schloss als Vorstands-Mitglied vorschlug, schien es mir gar nicht so etwas Besonderes, im Vorstand einer Aktiengesellschaft zu sein. Ich war ja schon früher an der Hochschule in leitender Funktion tätig. Erst nach und nach wurde mir klar, dass ich speziell als Frau in der Geschäftsleitung wahrgenommen wurde, und ich verstand dann, dass das schon etwas Besonderes ist.

Wir Fondsfrauen fragen uns oft, warum Frauen sich bei Job-Angeboten eher zurückhalten und warum sie bei Gehaltsverhandlungen bescheidener auftreten als Männer. Wir vermuten, dass das viel mit Sozialisierung zu tun hat. Du bist in der DDR aufgewachsen. Haben die 41 Jahre DDR tatsächlich zu einer anderen Sozialisierung als im Westen geführt?
In der DDR war es tatsächlich ganz normal, dass Frauen wie Männer nach der Ausbildung oder dem Studium gearbeitet und parallel dazu eine Familie gegründet haben. Ein wichtiger Vorteil war, dass wir nicht drüber nachdenken mussten, was mit unseren Kindern passiert. Die Betreuung war garantiert, Tageseinrichtungen waren von 6:00 bis 18:00 Uhr geöffnet; in einigen Städten auch länger. Es gab sogar Einrichtungen, in denen die Kinder eine ganze Woche über bleiben konnten. Man muss aber auch sagen, dass es nicht nur leicht möglich war, sowohl Kinder als auch einen Job zu haben, sondern dass Frauen ganz selbstverständlich werktätig waren, um vor allem auch ein auskömmliches Familieneinkommen zu sichern.

Ging es dabei auch um Emanzipation?
Ein Stück weit vielleicht schon. Ich denke, dass Frauen in der DDR ihr eigenes Geld verdienen und einfach nicht abhängig sein wollten. Diese Unabhängigkeit empfinde ich auch heute noch als sehr wohltuend. Trotzdem war es in der DDR oft so, dass Eheleute ein gemeinsames Konto hatten, und derjenige, der das besser konnte, hat das gemeinsame Konto gemanagt. Bei mir in der Familie waren das immer die Frauen, und für die Männer war das scheinbar okay.

Du hast Germanistik und Slawistik studiert und warst als Lehrerin und Dozentin tätig. Wie kamst Du dann in die Finanzbranche, und was hat Dich daran so fasziniert?
Ich hatte an mein Lehrer-Studium noch ein Forschungsstudium angeschlossen. In meiner Dissertation ging es um den Deutsch-Unterricht. Als Diplom-Lehrerin für Deutsch und Russisch hatte ich zunächst Schulklassen und später Lehrer-Studenten unterrichtet. Nach der Wende wurden alle Lehrkräfte an den Hochschulen und Unis evaluiert, insbesondere zu ihrer politischen Vergangenheit. 1992 stand fest, dass ich – wie viele andere – nicht in die Uni übernommen werde. Letztlich wollte man uns nicht mehr in der Lehrerbildung. Durch einen Kollegen bin ich zu einem Vortrag beim Finanzdienstleister Trithan gekommen; Udo Keller hatte dort mit seiner wirkungsvollen Stimme so motivierend referiert. Davon habe ich zu Hause und meinen Hochschul-Kollegen erzählt. Die wurden gleich meine ersten Kunden. Dass ich Investmentfonds vermittelt habe, hat sich also sozusagen zufällig ergeben. Ich habe gern als Maklerin gearbeitet und selbst 400 Kunden aufgebaut. Ungefähr ein Viertel davon betreue ich noch heute. Die Motivation von Guntram Schloß und mir war: Wir wollten, dass jede Familie mindestens in einen gut gemanagten Aktienfonds investiert!

Was war für Dich das Faszinierende daran?
Nach wie vor fasziniert mich, dass ich über Aktienfonds am Profit der Unternehmen beteiligt bin. Diese Idee finde ich einfach genial! Auch die Möglichkeit, über Fonds-Sparpläne ein Vermögen aufbauen zu können, ist einfach praktisch und gut.

Trotzdem hat die Branche einen schlechten Ruf…
Ja, dass wusste ich damals schon, aber genau das wollte ich ändern. Anfangs habe ich tatsächlich viele Negativ-Botschaften erhalten, als ich mich im Fonds-Vertrieb selbständig machen wollte. Insofern war es gut, dass mit Guntram Schloss und anderen Fonds-Enthusiasten hier viele Ähnlich-Denkende als Makler dabei waren. Weil ich anfangs nicht überschauen konnte, ob man allein vom Fonds-Vertrieb leben kann, hatte ich nebenher an der VHS unterrichtet. Dann entschied ich mich aber für das Maklersein und den Aufbau des Maklerverbundes Apella. Aus heutiger Sicht war das eine der besten Entscheidungen in meinem Leben. Apella hat einen guten Ruf und trägt sicher zu einem positiven Image der Branche bei.

Vermutlich wissen nicht viele Menschen, was man so als Vorständin in einem Broker-Pool tut. Kannst Du Deine Arbeit ein wenig beschreiben?
Am Anfang waren ja nur Guntram und ich da. Guntram war der „Vertrieb“ und der Techniker, er hat z.B. die Software für die Kunden-und Vertragsverwaltung sowie für die Courtageabrechnung programmiert. Ich habe mich auf Maklerverträge und Fondsabrechnungen konzentriert, die Anträge kontrolliert und Rückläufer bearbeitet. Als der Arbeitsumfang immer größer wurde, haben wir Mitarbeiter eingestellt, die dann Innendienst-Arbeiten wie Antrags-Abwicklung, Buchhaltung, Courtage-Abrechnungen etc. erledigt haben. Wir waren dann eher geschäftsleitend tätig, haben uns um die Verbindungen zu den Maklern und Gesellschaften, die Entwicklung des Services und der IT, um Vertrieb und Marketing gekümmert. Als Vorständin war ich für die interne Organisation, für das Personalwesen, die Provisionsabrechnungen und Rechnungswesen verantwortlich, teilweise auch fürs Marketing inklusive Veranstaltungsorganisation. Erst später haben wir ein Vorstandsressorts für Vertrieb und Marketing sowie eine zweite Verantwortungsebene für einzelne Fach- und Produktbereiche aufgebaut. Ich staune selbst manchmal, dass wir mittlerweile schon rund 50 Mitarbeiter stark sind.

Wurdest Du auch manchmal komisch behandelt, auf Grund der Tatsache, dass Du eine Frau bist?
Nein, das war nie der Fall. Ich wurde immer sehr respektvoll und mit großer Höflichkeit behandelt.

Hat sich in den fast 20 Jahren Deiner Beobachtung etwas getan, hinsichtlich der Gender-Diversity in der Finanzbranche?
Auf Seiten der Gesellschaften sehe ich, dass es mehr Frauen in Führungspositionen gibt. Bei den Maklern ist die Anzahl der Frauen noch unterdurchschnittlich. Im Apella-Verbund sind etwa 1/6 Frauen. Aus meiner Sicht spielen bei jüngeren Makler-Unternehmen die Frauen eine größere Rolle als bei alteingesessenen. Insgesamt hat die Weiblichkeit aber zugenommen, finde ich; auch in den Medien. Und die Fondsfrauen sind auch sehr bekannt und machen sicher vielen Frauen Mut, in der Branche zu agieren.

Mut ist ein gutes Stichwort. Manchmal bemängeln wir bei Veranstaltungen, dass zu wenige Frauen auf dem Podium sind. Was können Veranstalter tun, dass mehr Frauen zu Finanz-Veranstaltungen kommen und auch als Expertinnen auf dem Podium diskutieren wollen?
Ich glaube, dass viele Frauen gern persönlich angesprochen werden möchten, und nicht einfach nur „wir suchen jemanden, hat jemand Lust?“. Frauen wollen es persönlicher. Da lohnt es sich, einfach mal den Hörer in die Hand zu nehmen und zu sagen: „wir hätten gern Sie auf dem Podium!“ oder „können Sie bitte für uns einen Beitrag schreiben?“ Ich glaube, Frauen möchten gern eine individuelle, eine Extra-Einladung, möchten besonders beachtet werden. Vielleicht haben sie sonst das Gefühl, gar nicht so wichtig zu sein, um in der Öffentlichkeit aufzutreten. Aber wenn sie es dann tun, sind sie zumeist klasse!

Vielen Dank für das inspirierende Interview!

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

Förderer