„Donnerstag, 15. Jänner 2015. Die Nachrichten. Mindestens 1,20 Schweizer Franken erhält man bei einem Geldwechsel für einen Euro – bislang. Jetzt hat die Schweizer Nationalbank den Mindestkurs abgeschafft und den Euro damit gehörig unter Druck gesetzt. Der Dax aber übersprang die 10.000 Punkte…“

Paralysiert und mit offenem Mund sitze ich im Auto. Ein wirtschaftlich-politisches Teufelswerk der Eidgenossen denke ich mir – anders kann ich es in diesem Moment nicht erklären. Ich hänge den noch eben gehörten Worten des Radiosprechers in Gedanken nach, als in nächster Sekunde mein Handy klingelt. Das Display zeigt: Ein institutioneller Investor von einer der größten Pensionskassen in der Schweiz. „Na, Grüiziwohl!“, denke ich mir und hebe ab. „Hallo Frau Bertolini wie geht es Ihnen?“ Mich überrascht diese friedliche, seelenruhige Stimme des Investors am anderen Ende der Leitung. Von der eben gehörten Meldung ist mein Mund übrigens noch immer offen. Jetzt schießt es mir durch den Kopf: „Na ja, vielleicht hat er als einziger Investor der Schweiz den Franken in seinem Portfolio zur Gänze abgesichert? Genau, das wird es sein!“ Ich frage nach und bekomme die Antwort in derselben Gelassenheit zu hören: „Wir hatten leider nur einen Teil abgesichert und haben durch den SNB-Entscheid rund fünfhundert Millionen Schweizer Franken verloren.“ Ich rechne und entgegne ihm mit emotional geladener Stimme: „Das ist ein erheblicher Teil Ihres Jahresergebnisses!!!“

So mal ganz entre nous Frauen: Ich will für diesen Investor schreien, jammern, fluchen, weinen. Ich bin bestürzt, falle gedanklich ins Bergfreie und erwarte nun von ihm, dass er in eine Art Agonie verfällt, sich zumindest mächtig aufregt. Er hingegen bleibt weiterhin ruhig. Ich frage nach: „Und, was machen Sie jetzt?“ Kurze Pause. Unaufgeregt antwortet er: „Zehnjährige Bundesobligationen kriegt man zurzeit für Minus 0,4 Prozent und die Banken werden uns zudem ab März Negativzinsen weitergeben. Es wird daher alles andere als einfach. Aber wir werden einen Weg aus dem Schlamassel finden.“

Keinerlei Anzeichen auf einen emotionalen Harakirikurs. Wie schon Konfuzius sagte: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ So gesehen, sind Männer für ihr rationelles Denken und die lösungsorientierte Kommunikation absolut zu beneiden, oder – ohne Vorurteilen zu viel Vorschub leisten zu wollen – ist es vielleicht auch der Homo Helveticus, den bekanntlich kaum etwas aus der Fassung bringt? Egal, manchmal sollten wir Frauen vielleicht etwas von dieser Attitüde übernehmen, und uns von Dingen, die wir nicht ändern können, nicht zu sehr aus dem Tritt bringen lassen. Besser ist: Sich in Ruhe die verschiedenen Handlungsoptionen zu überlegen und dann entsprechend zu handeln.

Ich mache einen Versuch in diese Richtung, greife zu meiner Handtasche auf dem Beifahrersitz, nehme mir ein Stück „Schoggi“ raus und beiße rein. „Lecker!“, denke ich mir und atme entspannt durch. Geht doch!

Barbara Bertolini schreibt anekdotisch über ihre Kommunikationserlebnisse mit Männern und Frauen in der Finanzbranche

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