Die Aufsichtsratsstudie 2017 der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) zeigt: Dort, wo die gesetzliche Frauenquote nicht greift, besteht hinsichtlich der Gender Diversity noch deutlicher Nachholbedarf.

Die am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Geschlechterquote sieht für Aufsichtsräte voll mitbestimmter und börsennotierter Unternehmen eine Mindestquote von 30 Prozent für jedes Geschlecht vor. 26 der 30 DAX-Unternehmen sind verpflichtet, diese Quote zu erfüllen. Zum Zeitpunkt der Studienerstellung waren bei den DAX 30-Unternehmen insgesamt 489 Mandate zu besetzen, 259 von der Arbeitnehmerseite und 230 von der Anteilseignerseite.

Arbeitnehmerseite hat höhere Frauenquote als Anteilseignerseite
Von den 259 Anteilseigner-Mandaten im DAX 30 werden 2017 78 Mandate (2016: 75 Mandate) von Frauen gehalten, die damit erstmalig knapp die 30-Prozent-Grenze überschreiten (30,1%). Die Arbeitnehmerseite hatte mit 33,9% einen leicht höheren Anteil weiblicher Gremiumsmitglieder.

Allerdings stieg in den letzten Jahren der Frauenanteil auf der Anteilseignerseite deutlich stärker als auf der Arbeitnehmerseite: Der Anteil der Frauen auf der Anteilseignerseite stieg seit 2006 um 25,1 Prozentpunkte, wohingegen der Anstieg auf der Arbeitnehmerseite im gleichen Zeitraum nur bei 15,7 Prozentpunkten lag.

„Im Durchschnitt haben die DAX 30-Unternehmen damit inzwischen den in Deutschland für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen gesetzlich vorgeschriebenen 30-Prozent-Anteil erreicht, sind aber von dem auf EU-Ebene diskutierten 40-Prozent-Anteil immer noch weit entfernt“, schreiben die beiden Studienautoren Christiane Hölz und Frederik Beckendorff.

Dabei sind in 2017 Münchener Rück, Henkel und Deutsche Telekom die DAX 30-Gesellschaften mit den höchsten Frauenanteilen in ihren Aufsichtsgremien. Schlußlichter sind HeidlbergCement, Linde und ThyssenKrupp.

Männer dominieren als Aufsichtsrats-Vorsitzende
Die Studie fördert außerdem zutage: Der Vorsitz im Aufsichtsrat in den DAX 30-Unternehmen ist weiterhin nahezu vollständig männerdominiert: Lediglich der Aufsichtsrat von Henkel wird von Familienvertreterin Simone Bagel-Trah geleitet.

Darüber hinaus sitzen Frauen in den Ausschüssen, die weniger wichtig sind. 2017 werden 81,1 % der insgesamt 423 Positionen in den wichtigsten Ausschüssen von Männern besetzt (2016: 81,8 %), und lediglich 18,9 % dieser Positionen werden von Frauen wahrgenommen (2016: 18,2 %). Als „wichtige Ausschüsse“ werden von den Studien-Autoren Präsidium bzw. Ständiger Ausschuss, Prüfungsausschuss, Personal- bzw. Vergütungsausschuss und Nominierungsausschuss angesehen.

Interessant ist auch die Altersstruktur. Das durchschnittliche Alter aller weiblichen Mandatsträger liegt mit 55 Jahren deutlich unter dem Durchschnittsalter ihrer männlichen Kollegen (59 Jahre).

Frauen im MDAX schwächer repräsentiert als im DAX 30
Im MDAX waren 2017 insgesamt 608 Mandate zu besetzen. Von Frauen waren lediglich 28,6 % (2016: 25,5 %) der Posten besetzt.

Den größten Anteil an weiblichen Aufsichtsräten weist mit 50,0 % Bilfinger auf, gefolgt von Ceconomy (vormals: METRO, 45,0 %) sowie GEA Group (41,7 %). In den Aufsichtsgremien von vier MDAX-Unternehmen sitzen 2017 gar keine Frauen, nämlich Deutsche Wohnen, Rational, RTL Group und TAG Immobilien.

Ähnlich wie im DAX 30, ist der Vorsitz im Aufsichtsrat auch im MDAX nahezu vollständig männerdominiert: Lediglich der Aufsichtsrat der Aareal Bank wird von einer Frau geleitet. Und auch in den MDAX-Unternehmen sitzen Frauen eher in den weniger wichtigen Ausschüssen.

Noch weniger Frauen in TecDax-Unternehmen
Noch seltener sind Frauen im Aufsichtsrat der TecDax-Unternehmen anzutreffen. Die 30 Aufsichtsgremien im TecDAX hatten im Jahr 2017 insgesamt 220 Mandate, wovon lediglich 54 und damit 24,5 % (2016: 23,3 %) von Frauen gehalten wurden. Den höchsten Frauenanteil im Aufsichtsrat hatten hier Sartorius und Wirecard, während fünf Unternehmen gar keine Frau im Aufsichtsrat hatten (Nemetschek, Pfeifer Vakuum, S&T, SLM Solutions Group, United Internet).

Mit Blick auf den Aufsichtsratsvorsitz zeigt sich im TecDAX ein vergleichbares Bild zu DAX 30 und MDAX: Lediglich der Aufsichtsrat von Telefónica Deutschland wird von einer Frau geleitet. Und auch im TecDAX sind Frauen eher in den weniger wichtigen Ausschüssen vertreten.

Die DSW-Aufsichtsrats-Studie wird jährlich aufgelegt. Dabei wurde die 2017-er Studie am 30. Oktober 2017 veröffentlicht und ist 136 Seiten stark. Bestellen läßt sich die Studie gegen eine Schutzgebühr von 890 Euro (zzgl. MwSt.) unter folgendem Link: https://www.dsw-info.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/PDF/Formulare/Bestellformular_-_Aufsichtsratsverguetung-web.pdf

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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