Tabea Eckardt ist seit 2018 im Executive Search bei BiermannNeff. Zusammen mit Klaus Biermann betreut sie Suchen im Sales, Marketing und Portfolio Management in der DACH-Region. Wir sprechen mit beiden, ob und wenn ja, wie, sich die Anti-DEI-Bewegung aus den USA im europäischen Markt niederschlägt. Außerdem sprechen wir darüber, in welchen Bereichen derzeit die attraktivsten Job-Angebote winken.
Es gibt in den USA eine Anti-DEI-Bewegung, mit der Begründung, DEI bevorzuge Minderheiten und fördere eine ideologische Spaltung. Dort darf man beispielsweise keine Stellenausschreibungen mehr schalten, in denen explizit nach einer weiblichen Kandidatin gesucht wird. Im öffentlichen Dienst ist DEI verboten. Nehmt Ihr wahr, dass diese Anti-DEI-Welle nun auch nach Europa herüber schwappt?
Tabea Eckardt: Nein, bisher sehen wir das nicht! Im deutschsprachigen Raum sind Stellenausschreibungen schon lange immer gender-offen geschaltet, das berühmte „w-m-d“ und wir gehen auch nicht davon aus, dass sich dies kurzfristig ändern wird. Natürlich sehen wir bei einzelnen internationalen Playern Fragezeichen und etwas Unsicherheit bezüglich der Thematik, wir gehen aber eher davon aus, dass Europa sich, wie in vielen anderen Bereichen auch, eher emanzipieren wird und auch die Unternehmen auf die Situation und Region angepasste Kulturen zulassen werden.
Hat sich etwas geändert dahingehend, dass Unternehmen der Finanzbranche gezielt nach weiblichen Kandidatinnen suchen?
Klaus Biermann: Diese Veränderung haben wir ja zum Glück vor einigen Jahren bereits gesehen, auch wenn sie von einzelnen Playern auch übertrieben angewandt wurden. Aber ohne eine gewisse Übertreibung und nun erfolgte Sensibilisierung und diese Art des „aufmerksam machen“ wäre nie etwas passiert. Ich nehme die Entwicklung, wenn Sie auch jetzt wieder etwas ruhiger ist, etwas gelassener und als eine Art Wellenbewegung wahr. Es muss uns allen bewusst sein, dass der Prozess eines höheren Frauenanteils kein Sprint sondern ein Marathon ist. Nur sehr wenige weibliche Führungskräfte haben in den letzten drei bis fünf Jahren nicht gewechselt oder intern Karriere gemacht – daher sind diese klassischerweise auch nicht mehr für den Markt verfügbar.
In Sachen Frauenförderung wurde, auch durch Netzwerke wie die Fondsfrauen, viel erreicht haben. Ich kann mich an keine Situation erinnern, in der das Geschlecht in einem Suchprozess überhaupt diskutiert wurde.
Was sind aktuell die Trends in Europa, bei Stellenausschreibungen?
Klaus Biermann: Die Frage, wie eine Stellenausschreibung zu formulieren ist, um kein Klagerisiko einzugehen, die ist längst durch. Das kann inzwischen jede KI. Nächstes Jahr wird zumindest in der EU die Richtlinie für mehr Lohntransparenz umgesetzt. Demnach müssen Unternehmen ab Juni 2026 in ihren Stellenanzeigen das Gehalt explizit benennen. Das gilt für alle Stellenanzeigen, unabhängig von der Unternehmensgröße oder der Branche. Mit dieser Richtlinie soll die Gehaltsstruktur transparent werden, was Chancengleichheit und faire Bezahlung fördern soll. Hier werden wir beobachten, wie konsequent das umgesetzt wird, beziehungsweise welche Löcher im System es eventuell auch geben wird, um solche Angaben zu umgehen.
Ist das für Frauen gut? Können beispielsweise Mitarbeiterinnen, die bereits im Unternehmen arbeiten, nach einer Gehaltserhöhung fragen, wenn per Stellenanzeige jemand Gleichrangiges gesucht wird, dieser Person aber ein deutlich höheres Gehalt angeboten wird?
Tabea Eckardt: Ja, die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist grundsätzlich ein gutes Instrument für mehr Gleichstellung – besonders für Frauen, die statistisch gesehen über alle Branchen hinweg nach wie vor häufiger von Gehaltsungleichheit betroffen sind. Wir sehen dies bei unseren Suchen und auch in unserer Branche allerdings eher nicht. Mitarbeiterinnen (und natürlich auch Mitarbeiter) werden durch die neue Richtlinie explizit das Recht erhalten, Auskunft über die Gehaltsstruktur zu verlangen – und damit auch über das durchschnittliche Gehalt für gleichwertige Tätigkeiten. Wenn also in einer Stellenausschreibung ein höheres Gehalt für eine vergleichbare Position genannt wird, kann dies ein legitimer Anlass sein, eine Gehaltsanpassung zu fordern.
Wie ist das denn mit equal pay? Seht Ihr, dass im Finanzsektor Frauen für dieselbe Arbeit eine geringere Vergütung erhalten als Männer?
Tabea Eckardt: Nein, das beobachten wir wie bereits erwähnt eher nicht. Ich glaube, dass im Finanzsektor tatsächlich für dieselbe Qualifikation und dieselbe Arbeit Männern und Frauen gleich viel bezahlt wird. Wenn Frauen im Schnitt weniger Gehalt erhalten, dann liegt das daran, dass sie nicht dieselben Jobs machen wie Männer. Frauen finden sich eher in Support-Funktionen; aber nicht, weil sie dorthin gesteckt werden, sondern weil sie sich dorthin bewerben. Wichtig ist, dass sich DAS ändert. Auf der anderen Seite beobachten wir, dass Frauen seltener in Sales Funktionen sind – ein Bereich, in dem klassischerweise und bekanntermaßen gut bezahlt wird. Wenn man dann über alle Gruppen hinweg die Gehälter von Frauen und Männern vergleicht, ist dieser Vergleich nicht fair. Es mag sein, dass es ein gesellschaftliches Problem ist, dass Frauen eher Backoffice-Jobs oder Jobs in Support-Funktionen anstreben als Männer. Darüber kann und sollte man reden.
Was ratet Ihr denn Frauen, wie sie ihre Karriere planen können? Beispielsweise wenn sie eine gewisse Zeit kürzertreten wollen, weil dann eher die Familie im Vordergrund ist.
Klaus Biermann: Ich glaube, dass es heutzutage unproblematischer ist, für ein paar Jahre kürzerzutreten oder auch ganz aus dem Job draußen zu sein. Wenn dann die Kinder größer sind, kann sowohl ein Mann als auch eine Frau wieder beruflich aktiv werden. Natürlich ist dies noch nicht die Regel, aber auch hier hat eine große Sensibilisierung stattgefunden. Karrieren können heutzutage sehr gut in Wellen verlaufen, und das kommt doch der Lebensrealität und den Wünschen der Menschen entgegen! Ich bin überzeugt, dass Karriere auch nach einer Pause oder auch „erst“ mit 50 oder 55 beginnen können. Wir müssen uns von dem Bild lösen, dass man mit Mitte 30 Managing Director ist. Wir alle sollten weniger in den alten und noch geläufigen Strukturen denken.
Tabea Eckardt: Was wir auch sehen ist, dass nicht jeder eine Führungsposition haben will und muss – das gilt für Männer wie für Frauen. Einfach einen guten Job zu haben, der einem Befriedigung und ein solides Gehalt gibt, kann auch sehr glücklich machen. Es gibt verschiedene Formen von Karrieren und Erfolgen, und nicht jede davon wird im C-Level enden – weder bei Männern noch bei Frauen.
Klaus, Du sagtest, eine Karriere könnte auch mit 50 oder 55 beginnen. Werden nicht viele Menschen gerade in diesem Alter freigesetzt – auch heute noch, trotz Fachkräftemangel?
Klaus Biermann: Das ist leider richtig, dies ist aber auch dem Marktumfeld und einem vorigen Hype geschuldet. In der Schweiz sehen wir aktuell, dass viele Menschen im Finanzsektor freigesetzt werden. Teilweise hat das mit der Umstrukturierung von UBS und CS zu tun. Ein großer Anteil davon betrifft Männer um die 55. Wenn wir in der Schweiz neue Stellen ausschreiben, dann sehen wir, dass sich ganz überwiegend Männer bewerben, bei einigen Ausschreibungen ausschließlich Männer – der Anteil Männer auf der Altersstufe ist allerdings auch wesentlich höher.
Warum sollten Unternehmen gezielt in die Förderung weiblicher Fach- und Führungskräfte investieren?
Tabea Eckardt: Es ist mittlerweile hinlänglich belegt, dass divers zusammengesetzte Teams nachweislich bessere und ausgewogenere Entscheidungen treffen als homogene, rein männlich besetzte Teams. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wäre es zudem strategisch kurzsichtig, das Potenzial qualifizierter Frauen – und damit einen erheblichen Teil des Talentpools – ungenutzt zu lassen.
Gerade in kundennahen Funktionen spielt die Zusammensetzung des Beraterteams eine entscheidende Rolle. Wer mit KundInnen kommuniziert, beeinflusst maßgeblich die Qualität der Beziehung. Frauen gelingt es häufig, insbesondere zu Kundinnen, eine vertrauensvolle Bindung aufzubauen – ein klarer Mehrwert in einer zunehmend diversen und anspruchsvollen Klientel.
Um das Potenzial weiblicher Fach- und Führungskräfte voll auszuschöpfen, ist eine stärkere Sichtbarkeit entscheidend. Diese beginnt bei der Eigenverantwortung – etwa durch aktives Netzwerken und strategische Positionierung – wird jedoch maßgeblich durch strukturelle Maßnahmen unterstützt. Frauenfördernetzwerke und Mentoring-Programme, wie sie etwa die Fondsfrauen erfolgreich etablieren, leisten hier einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Karriereentwicklung. Deswegen glauben wir auch an den Erfolg der Fondsfrauen.
Gleichzeitig sind auch Unternehmen gefordert, ein Umfeld zu schaffen, das weibliche Talente nicht nur fördert, sondern aktiv bindet. Flexible Führungsmodelle – etwa Führung in Teilzeit, Jobsharing oder hybrides Arbeiten – müssen als gleichwertige Karrierepfade anerkannt werden. Entscheidend ist ein Kulturwandel, der Leistung nicht mehr an physischer Präsenz, sondern an messbaren Ergebnissen misst.
In welchen Bereichen wird Personal gesucht?
Klaus Biermann: Such-Aufträge erhalten wir aktuell viel aus dem Alternatives-Bereich. Auch auf den entsprechend ausgerichteten Konferenzen sehen wir einen deutlich höheren Anteil an weiblichen Teilnehmern und Speakern als auf den Konferenzen für rein liquide Assetklassen. Jobs im gesamten Alternatives-Bereich bieten sehr gute und langfristige Perspektiven.
Was macht Jobs in Alternative Investments so interessant für Frauen?
Tabea Eckardt: Wir glauben, dass es mehrere Gründe gibt, warum sich gerade Frauen vermehrt für den Alternatives-Bereich interessieren (sollten). Zum einen geht es dort oft um langfristige Strategien, um Substanz, um reale Assets oder gesellschaftlich relevante Themen – etwa im Bereich Infrastruktur, Healthcare oder nachhaltige Investments. Das spricht viele an, die einen sinnstiftenden Bezug zu ihrer Arbeit suchen. Zum anderen sind Teams in diesen Bereichen häufig kleiner und interdisziplinärer aufgestellt, was oft eine andere, kooperativere Kultur mit sich bringt. Das ermöglicht mehr Gestaltungsspielräume, flachere Hierarchien und bessere Vereinbarkeit mit persönlichen Lebensentwürfen – und genau das ist für viele Frauen ein wichtiger Faktor. Nicht zuletzt sehen wir, dass der Bereich Alternatives noch nicht so stark von alten Mustern geprägt ist wie etwa das traditionelle Asset Management.
Vielen Dank Euch beiden für das interessante Interview!