Um die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland zu fördern, wurde in den vergangenen Jahren viel unternommen. Neben dem Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und der Einführung des Elterngelds wurde auch das Elterngeldplus 2015 auf den Weg gebracht. Obwohl die Erwerbsbeteiligung von Frauen deutlich gestiegen ist, sind die Verbesserungen bei der Arbeitszeit eher gering.

Zu dieser Erkenntnis kommt Dr. Angelika Kümmerling vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Ihre Analyse der Arbeitszeitausprägungen, die in „Sozialpolitik aktuell“ veröffentlicht wurde, basiert auf dem European Labour Force Survey.

Angleichung in ganz kleinen Schritten
Im Jahr 2015 arbeiteten Frauen im Durchschnitt 30,1 Stunden pro Woche. Die Arbeitszeit eines Mannes betrug dagegen durchschnittlich 38,3 Stunden in der Woche. Damit lag die Differenz zwischen den Arbeitszeiten der Geschlechter, die sogenannte Gender Time Gap, bei 8,2 Stunden.

Im Zeitraum zwischen 2003 und 2005 kam es in Deutschland zu einem sichtbaren Anstieg der Arbeitszeitdifferenz. In den darauf folgenden Jahren und auch während der Krise 2013 blieb sie auf einem stabilen Niveau. Erst in den letzten Jahren zeichnet sich wieder eine kleine Verringerung der Gender Time Gap ab.

Diese Annäherung in den Arbeitszeiten zwischen den Geschlechtern ist jedoch nicht auf die Erhöhung der Arbeitszeiten von Frauen zurückzuführen. Vielmehr liegt es an der Verkürzung bei den Arbeitszeiten der Männer. Als eine mögliche Ursache hierfür vermutet die Wissenschaftlerin den steigenden Anteil der Teilzeitbeschäftigung unter den Männern. Diese stieg von 5,2 Prozent im Jahr 2003 auf neun Prozent im Jahr 2015.

Deutsche Entwicklung verläuft entgegen europäischem Trend
In der Europäischen Union betrug die Gender Time Gap 5,8 Stunden und reduzierte sich damit seit 2003 um 0,3 Stunden. Somit verläuft die deutsche Entwicklung entgegen dem europäischen Trend. Zusammen mit Österreich hat Deutschland die dritthöchste Arbeitszeitdifferenz. Lediglich in Großbritannien und in den Niederlanden ist die Gender Time Gap noch höher.

Im EU-Vergleich zeigt sich, dass bei der Integration von Frauen auf dem Arbeitsmarkt eine hohe Varianz herrscht. In vielen Ländern mit einer überdurchschnittlich hohen weiblichen Erwerbsbeteiligung, wie zum Beispiel Deutschland, Großbritannien und Österreich, ist die Arbeitszeitdifferenz zu den Männern sehr hoch. Hingegen liegt die Arbeitszeitlücke bei hoher Erwerbsbeteiligung von Frauen in nordischen Ländern, wie Schweden oder Estland, unter dem EU-Durchschnitt. Daher nimmt Dr. Angelika Kümmerling an, dass die Arbeitszeit von Frauen durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird.

Geschlechterspezifische Strategien ebnen den Weg
Der kontinuierlich hohe Abstand zu den Arbeitszeiten der Männer verdeutlicht, dass es zwischen den Geschlechtern unterschiedliche Strategien gibt, erwerbstätig zu sein. Diese geschlechterspezifischen Strategien haben laut Dr. Kümmerling ein hohes Maß an Beständigkeit. Männer sind nahezu ausschließlich in Vollzeit beschäftigt. Frauen hingegen setzen in bestimmten Lebensphasen auf ein Beschäftigungsverhältnis mit niedrigen Stundenzahlen, um sich intensiver der Kinderbetreuung widmen zu können.

„Diese Teilzeitstrategie, mit den bekannten Auswirkungen eines geringeren Einkommens und schlechteren Karriereaussichten, führt zu einer nicht ausreichenden eigenständigen sozialen Absicherung der Frauen sowohl in der Erwerbsphase als auch bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder im Alter“, warnt Dr. Kümmerling. Indem die Frau nicht über die Rolle der Hinzuverdienerin im Haushalt hinwegkommt, zahlt sie den Preis für eine bessere Vereinbarkeit sowie ein harmonisches Familienleben. Jedoch zeigen Befragungen nach den Arbeitszeitwünschen von Frauen, dass nur deshalb häufig Teilzeit ausgeübt wird, weil eine adäquate Vollzeitstelle nicht gefunden wird. Das ist jedoch mehr in Ost- als in Westdeutschland der Fall.

Urheber Beitragsbild: © Africa Studio – Fotolia

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Über die Autorin:
Linda Standhardt arbeitet in der Online-Redaktion beim Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA). Neben dem Schreiben von redaktionellen Beiträgen betreut sie dort auch die Social Media-Kanäle. www.dia-vorsorge.de.

 

 

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