Seit Anfang des Jahres ist Christian Pellis Chief Executive Officer der Amundi Deutschland GmbH. Vorher arbeitete er für Amundi in Paris als Leiter des Drittvertriebs. Wir sprechen mit ihm über seine Vorhaben für den deutschen Markt, und wie er Frauen fördern will – und warum.

Seit Jahresanfang haben Sie den Chef-Posten für Amundi Deutschland von Evi Vogl übernommen. Wie fühlt es sich an, in die Fußstapfen einer Frau wie Evi Vogl zu steigen?
Für die Frauenquote in der Führungsebene ist es natürlich nicht gut, dass ich ein Mann bin (lacht). Aber für die Übernahme des Postens spielt es keine Rolle, ob der Vorgänger ein Mann oder eine Frau ist, sondern wie sie vonstattengeht. Bei Evi und mir war es eine einfache Überleitung, denn wir kennen uns schon sehr lange. Evi hat das Team zehn Jahre lang geführt und dabei auch den Merger von Amundi und Pioneer gemanagt. Da ich schon seit letztem Jahr August mit meiner Partnerin und meinem jüngsten Sohn in München wohne, war ich einige Monate gemeinsam mit Evi im Büro. In dieser Zeit haben Evi und ich dann viel miteinander und auch mit Kunden gesprochen, Corona-bedingt alles virtuell. So konnte ich langsam  hineinwachsen und das Team kennenlernen. Als CEO hat Evi ihre Rolle bis zum letzten Tag wahrgenommen. Zum 1. Januar 2021 habe ich dann übernommen.

Mal ganz ehrlich: Was war Ihr 1. Gedanke, als Sie gesehen haben, dass Amundi Deutschland Fördermitglied der Fondsfrauen ist?
Dass Amundi Deutschland die Fondsfrauen fördert, wusste ich. Evi wurde beim Fondsfrauen-Award 2019 ja auch zum Role Model of the Year gewählt. Diese Auszeichnung hat sich bis Paris herumgesprochen und es freut mich, dass wir die Fondsfrauen auch weiterhin unterstützen. Insgesamt tut Amundi international schon sehr viel, um Frauen bei ihrer Karriere zu unterstützen, aber nicht nur Frauen stehen im Fokus. Themen wie Nicht-Diskriminierung und Förderung von Vielfalt, sind seit Bestehen Bestandteil der DNA von Amundi und in internen Richtlinien verankert. Als zentrales Thema der Gesellschaft konzentrieren wir uns auf Inklusion sowie darauf, die Kluft zwischen den Generationen und möglichen kulturellen Unterschieden zu schließen. Dabei gilt es alle Formen der Nicht-Diskriminierung zu berücksichtigen. Es ist unsere Aufgabe als Management, dass wir uns als Unternehmen ständig verbessern und mehr Vielfalt ermöglichen. Wir sind davon überzeugt, dass nur ein offener und transparenter Umgang mit diesen Themen hilft, bestehende Hürden zu überwinden und Veränderung zu ermöglichen. Veränderungen, die dann wiederum eine potenzielle Quelle für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens darstellen.

Und noch eine kleine Anekdote zum Thema. 2017 hat sich das Amundi Women Network in Paris gegründet. Bei der ersten Veranstaltung war ich einer der Gastredner – als Mann. Ich bin überzeugt, dass Frauen und Männer gleich talentiert sind, aber dass die Finanzbranche nach wie vor sehr männergetrieben ist.

Was wollen Sie in Sachen Frauen-Förderung bei Amundi Deutschland bewegen?
In Nordeuropa ist es oft so, dass die Frauen nicht immer oder nur mit einer stark eingeschränkten Stundenzahl zurückkommen, wenn sie ein Kind bekommen haben. Einer der Gründe liegt vermutlich in der Kinderbetreuung. In Deutschland geht die Schule nur bis mittags. Aber auch schon vorher ist es schwierig, das sehe ich mit meinem 4-jährigen Sohn hier in München. In Frankreich und Spanien gibt es Kindergärten und Schulen, die die Betreuung über den ganzen Tag anbieten, das macht vieles einfacher – vor allem, wenn beide Elternteile arbeiten. Dort wo es diese Betreuung nicht gibt, sind es dann in der Regel die Frauen, die als erstes Stunden reduzieren, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten.

Mein Ziel ist es, auch in Deutschland Frauen weiter nach vorne zu bringen und uns auch mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Wir bauen daher gerade ein Amundi-Deutschland-Women Network auf. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich dafür das Sponsorship übernehme. Jean–Jacques Barbéris, unser Aufsichtsratsvorsitzender, ist der Sponsor dafür in Paris…  so hat das neue Frauen-Netzwerk gleich zwei männliche Sponsoren – einen in Paris und einen in Deutschland.

Klar ist allerdings auch, dass Sie die Anzahl der Frauen im Management nicht von heute auf morgen erhöhen können. Wir machen uns aber daran!

Bevor Sie anfingen, für Amundi zu arbeiten, hatten Sie Positionen bei LGT Capital Mgmt., bei Threadneedle und bei Fleming Fund Mgmt. inne. Jede Fondsgesellschaft hat ihre ganz eigene Kultur. Welche Kultur ist für Sie bei Amundi am augenfälligsten?
Amundi hat eine sehr französisch-italienische Kultur. Früher habe ich in Unternehmen mit angelsächsischer Kultur gearbeitet. Aber es ist ja nicht so, dass das eine besser oder schlechter ist, es ist nur anders. In Frankreich bekommen Sie extrem viel Verantwortung übertragen. Ich konnte dort den Vertrieb über Vertriebspartner so umsetzen, wie ich es entlang meiner langjährigen Erfahrungen gut argumentieren konnte.

Bei Amundi haben wir durch die Matrix-Management-Kultur eine sehr offene Kultur. Man hat immer zwei Chefs: Einen vor Ort, und einen weiteren in Paris. Als Mitarbeiter muss man jede Entscheidung gut verargumentieren, um die Leute zu überzeugen. Dieses Gegen-Checken von Entscheidungen ist vermutlich gar nicht schlecht: Wenn man eine Entscheidung nicht gut erklären kann, ist sie am Ende vielleicht auch nicht gut.

Allein für seine deutschen Anleger verwaltet Amundi rund 66 Mrd. Euro, und das letzte Jahr lief außerordentlich gut. Was sind Ihre weiteren Pläne für Deutschland?
Ja, das Team um Evi hat im letzten Jahr einen tollen Job gemacht und im deutschen Markt 14 Mrd. Euro an neuen Geldern reingeholt, was uns gerade im Corona-Jahr sehr geholfen hat. Das Geld kam auch nicht ausschließlich von bestehenden Kunden, sondern wir haben neue hinzugewonnen. Mir ist wichtig, dass wir im Vertrieb ein möglichst breites Spektrum haben: IFAs, unsere Partnerschaft mit der HypoVereinsbank, die während der Pioneer-Zeit entstanden ist, und das institutionelle Geschäft. Auch hier ist Diversifikation wichtig.

Und die weiteren Pläne? Wir haben einen 3-Jahresplan entworfen, wie wir in Deutschland wachsen können. Wir sind hier vor Ort mit 21 Fondsmanagern vertreten. Diese Expertise wollen wir auch institutionellen Kunden außerhalb Deutschlands anbieten. Aus meiner vorherigen Tätigkeit als Leiter des Drittvertriebs kenne ich unsere Vertriebe in Europa. Ich kann dann sagen „rede mal mit dem oder dem“. So können wir unser Deutschland-Geschäft weiter ausbauen.

Amundi bietet sowohl passive als auch aktive Fonds an. Wie sehen Sie den Wettbewerb zwischen diesen beiden Produkt-Sorten?
Wir sehen keinen Wettbewerb. Wir glauben vielmehr, dass beide Strategien eine Rolle in Portfolios spielen können. Anleger haben ihre eigenen Vorgaben, Kriterien und Anlageziele – die entweder passiv oder aktiv oder eine Kombination aus beiden erfüllen können. Die Strategie von Amundi ist es, sowohl aktive als auch passive Produkte anzubieten, um den Kunden weiterhin eine unvoreingenommene Beratung anbieten zu können. Wo ich Ihnen Recht gebe, passives Investieren hat in den letzten Jahren stark zugenommen und es wird wohl so sein, dass das passive Geschäft weltweit noch an Bedeutung zunimmt. Das gilt nicht nur bei Institutionellen Investoren, sondern auch im Retailgeschäft. Da aber mit ETFs keine Provisionen zu verdienen sind, müssen die Berater Geld für ihre Beratung nehmen – das erfordert ein Umdenken. Aber im Asset Management ist der Kostendruck einfach da. Auch für uns Assetmanager sind die Margen bei ETFs niedriger. Daher müssen wir zum einen wachsen, und zum anderen günstiger produzieren. Beispielsweise haben wir in letzter Zeit viele Produkte zusammengelegt, um effizienter arbeiten zu können.

Wie ändert sich der Vertrieb für Investmentfonds, und wie reagieren Sie auf diese Änderungen?
Im Business Plan 2021/22 habe ich das Vertriebs-Team umgestellt. Vorher waren es einzelne Vertriebseinheiten, jetzt ist es ein großes Team. So können wir in der Fläche mehr Kunden abdecken. Ich sehe zudem einen Trend: Vertriebsmitarbeiter treten immer mehr als eine Art Consultant auf. Sie tauschen sich mit ihren Kunden aus und bringen ihre Expertise ein. Der Produktverkauf steht nicht mehr im Vordergrund. Irgendwann kommt dann natürlich auch das Produkt, weil man im Gespräch ist. Dieser Trend fördert andere Personen im Vertrieb, nämlich diejenigen die verstehen: Was ist das Problem des Kunden und wie kann man es lösen?

Sie sind Holländer… wie ist es so als Holländer in Deutschland?
Ach wissen Sie, ich habe mittlerweile fast schon genauso lange in Deutschland gelebt wie in Holland. Ich habe früher schon zwei Mal für einige Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet. Meine drei Kinder aus 1. Ehe sind alle in Deutschland geboren. Jetzt wieder nach Deutschland zu kommen fühlt sich gut an, so als würde ich nach Hause kommen.

Achtet Amundi bei seinen Portfolio-Unternehmen neben anderen ESG-Themen auch auf eine ausreichende Frauenquote in den Führungsgremien? Oder arbeitet man an diesem Thema noch?
Dieses Thema wird bei uns  angesprochen. Wir haben schließlich seit Mai 2021 mit Valérie Baudson eine weibliche CEO.

Und wie sieht es bei Amundi global aus?
Eine explizite Frauenquote haben wir nicht. Aber wir verwalten und überwachen den Fortschritt der Zahlen zur Geschlechtervielfalt, und die haben sich in den letzten Jahren erfreulich entwickelt. Wir glauben, dass wir es mit unseren Maßnahmen schaffen, den Anteil weiblicher Führungskräfte im Executive Committee mittelfristig zu erhöhen. Derzeit liegt er bei 28 %. Im Board of Directors hat Amundi 41,7% Frauen, nämlich fünf von zwölf.

Wir sind außerdem Mitglied in der Women in Finance Charter. Mit dieser Charta verpflichten sich das britische Wirtschafts- und Finanzministerium und die unterzeichnenden Unternehmen, zusammenzuarbeiten, um eine ausgewogenere und gerechtere Industrie aufzubauen.

Zusätzlich haben wir im November 2020 die 30% Club France Investor Group gegründet. Diese Investorengruppe fordert die französischen Großunternehmen auf, einen Aktionsplan auszuarbeiten, um sicherzustellen, dass ihre Leitungsgremien bis 2025 mindestens 30 % Frauen umfassen.

Wie werden Sie gezielt die Frauen bei Amundi Deutschland fördern?
Wir haben schon jetzt bei Amundi Deutschland viele weibliche Mitarbeiter; zwar noch nicht unbedingt in führenden Positionen, aber da wollen wir gemeinsam mit Manuela Reiter, unserer HR-Verantwortlichen, hinkommen.

Meine Beobachtung ist und es ergänzt meine Ausführungen zum Thema Kinderbetreuung in Nordeuropa, dass gerade in Deutschland viele Frauen, nicht mehr ins Unternehmen zurückkommen, wenn sie Kinder bekommen. Auch bei Corona waren es hier eher die Frauen, die zu Hause geblieben sind und sich ums Homeschooling gekümmert haben. Damit will ich sagen, Frauen müssen natürlich auch von sich aus wollen, und unsere Sache ist es dann, es ihnen leichter zu machen.

Warum setzen Sie sich als Mann so stark für berufliches Weiterkommen von Frauen ein?
Mir liegt das Thema am Herzen. Ich habe zwei erwachsene Töchter, die studieren. Wenn sie ihr Talent und ihre Ausbildung später nicht bei der Arbeit umsetzen könnten, wäre das schade. Meine beiden Töchter sollen später für sich selbst sorgen können. Natürlich sind Geld und Karriere nicht alles, sondern ich will, dass meine Kinder glücklich sind. Aber wenn zwei den gleichen Job machen, sollen sie auch gleich viel verdienen. Es ist wichtig, dass wir uns dafür einsetzen und nicht nur reden.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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