Selbstbewusst und resolut, aber auch sorgfältig und mütterlich wirkt Renate Kewenig. Vermutlich sind das wichtige Eigenschaften, wenn man sich als Anlageberaterin selbständig macht. Das hat Renate Kewenig 1996 getan, nachdem sie acht Semester Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften studierte und eine längere Familienphase mit zahlreichen Umzügen einlegte – verursacht durch berufliche Versetzungen ihres Ehemannes. In den 90er Jahren gründete sie dann die „frauInvest Anlageberatung GbR“ und beriet dort 19 Jahre lang überwiegend Frauen in Finanz-Dingen. Ende 2015 gelang Renate Kewenig die Übergabe ihres Beratungsunternehmens an die nächste Generation, aber in der Finanzbranche ist sie so tief verwurzelt, dass sie sich nicht etwa zur Ruhe setzt, sondern sich jetzt um die Finanzbildung von Frauen kümmert: Sie gründete dazu ihr Unternehmen Finanzverstand, mit dem sie Finanzfit-Seminare anbietet und einen eigenen Blog unterhält. Fondsfrau Anke Dembowski unterhält sich mit ihr über das oft angespannte Verhältnis zwischen Finanzen und Frauen.

Renate, Du warst jahrelang Anlageberaterin. Wie kamst Du darauf, Dich auf die Beratung von Frauen zu konzentrieren?
Während meiner Zeit in Oberbayern Ende der Achtziger hörte ich zufällig ein Interview mit der „Urmutter“ der Frauenfinanzberatung, Helma Sick – und fand es toll. Viele Jahre stand dann noch die Familie im Vordergrund, aber als ich in Teilzeit bei einer männlich geführten Vermögensverwaltung arbeitete war mir bald klar, das kann ich auch – und zwar für Frauen. Gleichzeitig erhielten wir eine Baufinanzierungsberatung durch einen Strukturvertrieb, das tat ein übriges – der Mann ist über einen ersten Termin nicht hinaus gekommen.

Was ist Dir in Deiner früheren Beratungspraxis speziell in Bezug auf Frauen + Geldanlage aufgefallen?
Frauen wollen wahrgenommen werden …. dies war und ist in der klassischen Beratung oft nicht der Fall. Diese originäre Kundenorientierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Sie wollen ansatzweise verstehen, was passiert oder zumindest mit ihren Fragen ernst genommen werden. Wenn es primär darum geht, Produkte mit Hochglanzversprechen zu verkaufen, klappt das bei Frauen nicht so gut. Studien zeigen seit Jahren, dass Frauen in defensivere Produkte anlegen und es wird der Schluss gezogen, das läge an ihrer Einstellung. Ja, die Einstellung ist anders als bei Männern, aber bei richtiger Erklärung und Hinwendung machen Frauen vernünftige Strategien mit!

Jetzt kümmerst Du Dich um die Finanz-Fitness von Frauen. Warum bist Du umgeschwenkt auf diesen Geschäftsbereich?
Du meinst, warum ich mit fast 60 Jahren nochmal als Existenzgründerin anfangen wollte? Das „alte“ Unternehmen befindet sich in neuen Händen und trotz meiner Berufszulassung als Honorarberaterin wollte ich keinen neuen Betrieb mit Tagesgeschäft aufbauen, sondern mehr persönliche Freiheit haben. Ich habe entzückende Enkelinnen!! Seminare und Vorträge halte ich schon seit Jahrzehnten, mit kleinen und großen Gruppen, das fällt mir leicht und macht Spaß. Außerdem ist Wirtschafts- und Finanzwissen eine Wüste in Deutschland: Fertig war das neue Geschäftsmodell.

In welcher Hinsicht siehst Du ganz besonderen Bedarf, dass Frauen finanz-fit gemacht werden sollten?
Wie wir wissen, stehen Frauen aus verschiedenen Gründen finanziell oft schlechter da, als Männer. Wenn das so ist, ist es umso wichtiger zu wissen, wie ich meine Möglichkeiten verbessern kann und wie ich sie optimal nutze. Dazu gehört Finanzwissen unbedingt, aber auch zum Beispiel Durchsetzungsfähigkeit. Dazu biete ich ein kombiniertes Seminar an.

Dass Frauen weniger Rente als Männer bekommen, liegt sicher auch daran, dass sie oft Teilzeit arbeiten oder berufliche Lebensläufe mit Unterbrechungen haben. Wenn Frauen mehr Wissen über Finanzen und das Funktionieren der Deutschen Rentenversicherung hätten, glaubst Du, dass sie dann mehr oder in anderen Berufen arbeiten würden als jetzt?
Ich bin überzeugt, dass Wissen erforderlich ist, um gute Entscheidungen treffen zu können. Das kann sich auf die Erwerbsbiographie auswirken, aber vielleicht auch nur auf das Anlageverhalten oder die Verhandlungstaktik bei Gehaltsverhandlungen.

Um eins Deines Finanzfit-Seminars zu besuchen, muss man ja erst einmal darauf aufmerksam werden und sich dafür interessieren. Viele Frauen fangen aber an zu gähnen, wenn Sie Themen wie Altersvorsorge oder Finanzen hören. Wie bringst Du ihnen diese Themen trotzdem näher?
Wie so oft im Leben ist es natürlich einfacher, Teilnehmerinnen oder Partner für Seminare zu finden, wenn sie mich schon mal erlebt haben oder ich empfohlen werde. Wenn ich durch die Tür komme, springt der Funke schnell über. Aber das ist auch die Aufbauphase meines jetzigen Unternehmens, die Türen zu finden und aufzumachen. Unabhängiges Finanzwissen, das keine Produkte oder Dienstleistungen verkauft ist noch selten in Deutschland. Insbesondere um bundesweit Partnerinnen und Partner zu finden, die für ihre Mitglieder, Beschäftigten oder Kunden das Thema pushen, braucht es etwas Zeit.

Du kooperierst bei der Finanzbildung auch mit Finanzunternehmen – gibt es da nicht einen Interessenkonflikt?
In meinen Inhalten gehe ich unabhängig und neutral vor, ich lege die Grundlage für eine kritische Auseinandersetzung mit Anbietern und Produkten. Das heißt, ich mache Kund*innen schlau, und damit wird das „Verkaufen“ vielleicht sogar schwieriger. Meine Beratungserfahrung sagt mir, mit wissenden Kunden ist eine Geschäftsbeziehung einfacher: zum Beispiel wenn die Börse mal wieder crasht. Finanzunternehmen, die sich trauen, mich als „Finanzbilderin“ einzuladen, sind mutig!

Du arbeitest mit älteren und mit jüngeren Frauen in Deinen Seminaren. Siehst Du eine Verbesserung in der Finanz-Fitness bei der jungen Generation?
Generell leider nein. Da gibt es noch viel zu tun. Die Studie von Maria-Furtwängler und ihrer Tochter zeigt ja auch, dass im Netz zum Beispiel die jungen Frauen hauptsächlich mit den klassischen Frauenthemen wie Kosmetik, Mode etc. auftreten. Da fehlen noch greifbare Beispiele und Vorbilder, die zeigen, Frau kann Geld!

Wie lange dauert so ein Seminar, und ist man danach wirklich finanz-fit?
Finanzfit®-Seminare decken unterschiedliche Formate ab, zwischen 3 und 30 Stunden, und so unterschiedlich ist natürlich der Output. Mein Liebling sind Wochenendseminare, die neben den fachlichen und methodischen Anteilen auch Raum für den persönlichen Austausch bieten. Darüber hinaus gibt es natürlich Vertiefungsseminare, die sich anschließen können.

Haben Frauen tatsächlich weniger Ahnung über Finanzen als Männer, oder sind sie schlicht nur nicht so überzeugt von sich wie Männer?
Da kommt wohl beides zusammen, daher auch mein Kombi-Seminar, das neben Wirtschafts- und Finanzwissen auch Grundkenntnisse in Kommunikation bietet, um Frauen zu stärken. Und da Frauen anders ticken, kombiniere ich Seminare, zum Beispiel mit Wellness, wie mein Seminar in der Lüneburger Heide im Mai. Für den Herbst bereite ich mit einer Kollegin aus der Biographiearbeit eine Veranstaltung vor, die neben der Fachinformation den Prägungen zum Thema Geld nachspürt. Spannend!

Welche Forderungen stellst Du an Politik und an die Schulen?
Für die Schulen ist das Thema ja schon auf der Agenda. Da stellt sich nur die Frage, wer da wie ausbildet. Im Hochschulbereich bietet sich an, für die Studierenden Wahlfächer anzubieten. Meine Erfahrung mit einem BWL-Studenten, der Aktienanlage für seine Finanzen als zu riskant ablehnte, hat zu einem Lehrauftrag für mich geführt, und ich freue mich sehr über diese Hochschulkooperation. Förderprogramme oder Bildungsschecks wäre eine weitere Möglichkeit, um Unternehmen zu motivieren, das Thema anzugehen.

Es wird viel über den Unterschied zwischen provisionsbasierter Beratung und Honorarberatung geschrieben. Sind die Unterschiede in der Beratungsqualität tatsächlich am Vergütungsmodell festzumachen?
Dazu fällt mir einerseits Transparenz ein, die gesetzlich vorgeschriebene Offenlegung von Kosten hilft da schon. Trotzdem und vor allem, da das Wissen über die Zusammenhänge so gering ist, plädiere ich für eine stärkere Honorarberatung, ich halte das schon seit vielen Jahren für das fairere Modell. Schlechte Beratung hätte unter Honoraraspekten sicher auf dem Markt keinen Bestand. Auf jeden Fall nimmt die Vergütung in meinen Seminaren immer großen Raum ein und ist auch schwer zu vermitteln.

Was wäre die beste aller Finanzwelten für Frauen?
Eine Welt, in der Männer und Frauen auf allen Ebenen der Finanzbranche und Politik Entscheidungen treffen, in der Ethos und Nachhaltigkeit mehr berücksichtigt werden. Ich behaupte immer, mit mehr Frauen hätte es keine Finanzkrise gegeben!

Vielen Dank für das Gespräch!

Kontakt: kewenig@finanz-verstand.de oder # (02226) 918 405

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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